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10.04.2003
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GRANFALOON BUS

Mit Vollgas in die Ächtung

Granfaloon Bus
Auf dem Booklet der neuen Scheibe der wackeren Schräglagen-Rocker Granfaloon Bus aus San Francisco ist eine Flasche Granfaloon Bier abgebildet. Endlich mal eine gute Idee, freut man sich schon - immerhin hat ja z.B. Songwriter Jackie Leven seine eigene Whiskey-Marke. Doch umsonst: "Granfaloon Bier ist leider eine rein virtuelle Kreation von Dr. Foxglove, dem kreativen Kopf hinter dem Artwork des Albums", muss Todd Costanza, der wackere Sänger und Songwriter der Truppe einräumen, "ich bin aber sicher, dass er Tag und Nacht an einer Möglichkeit arbeitet, das Zeug downzuloaden..." Na das sind ja schöne Aussichten! Bis es jedoch so etwas wie Napster für Bier gibt, müssen wir uns mit dem neuen Tonträger von GF-Bus, "Lucky Curtains" begnügen.

Was sind denn "Glückliche Vorhänge"? "Ich habe mir vorgestellt, dass 'Lucky Curtains' das ideale Mittel wären, schmerzhafte Erinnerungen zu verbergen. Sie lassen zwar das Licht herein, sorgen aber dafür, dass die Kälte draußen bleibt. Jedes Fenster sollte man mit so was versehen! Ich dachte mir dieses Bild aus, als ich versuchte, das Gefühl zu beschreiben, das man hat, wenn etwas Gutes, aber Schmerzhaftes zum Abschluss kommt - eine Liebes-Affäre zum Beispiel. Oder eine Rock-Band, die nicht genügend Scheiben verkaufen kann, um weiter zu bestehen..." Was sicherlich ein gar nicht mal so unernster Witz am Rande ist. Denn so richtig reich können GF-Bus mit ihrer recht eigenen Art, die Musikhistorie durch den Fleischwolf zu drehen, ja wohl kaum geworden sein. Obwohl es ja mittlerweile eine ganze Reihe von Bands gibt, die mit einer ähnlich schütteren Attitüde an das Genre herangehen wie GF-Bus. Besonders nordische Acts, wie Timesbold, St. Thomas oder Nicolai Dunger tröten mittlerweile musikalisch in das gleiche Horn, wie das GF-Bus bereits seit '89 tun. Gibt es da so etwas wie gründerväterliche Gefühle seitens der Band, die dieses Genre doch immerhin mit losgetreten hat? "Die Idee, dass wir Gründerväter sind, gefällt mir schon", räumt Todd ein, "aber da kann man wohl nur als Schreiberling drauf kommen. Unser Bus schlittert so dahin und wir arbeiten seit '89 an unserem Sound - insofern wäre es natürlich schon schön, dermaßen bestätigt zu sehen. Stattdessen werden wir immer mit Calexico oder Lambchop verglichen - einfach weil die bekannter sind als wir." Aber es ist doch richtig, dass Granfaloon Bus ein eigenes Genre gegründet haben, oder? Eine normale Rockband sind sie ja wohl nicht. "In dem Sinne, dass wir Spaß und Energie haben, schon", wiederspricht Todd, "aber letztlich sind wir es nicht. Wir haben nicht genügend Haare und nicht genug Attitüde. Wir wissen ehrlich nicht, welche Art von Band wir sind. Wir üben und nehmen halt so lange auf, bis es gut klingt. Wenn du das als eigenes Genre bezeichnest, ist das natürlich ein wundervolles Kompliment. Wir haben lediglich von Anfang an mit einer offenen Erwartungshaltung gearbeitet und es war uns wichtig, dass jeder seinen eigenen Teil beitrug, und kein Song etwa die Vision eines einzelnen war. Ich denke, das hat ganz gut funktioniert, weil wir uns als Menschen und Musiker schätzen."

Granfaloon Bus
Ein Mensch und Musiker - das hat Peter Rüchel schon damals beim Rockpalast immer betont - ist das erstrebenswerteste aller Lebewesen. Insofern haben uns GF-Bus doch sicher auch durchaus etwas zu sagen, oder? Auch wenn wir es nicht immer verstehen können. Auf der neuen Scheibe scheint es jedenfalls um Gestalten zu gehen, die jeglichen Halt verloren haben. Wie z.B. die Leute in dem zweiteiligen Song "Scum Of The Earth". Hat das eigentlich etwas mit dem gleichnamigen Roman von Arthur Koestler zu tun, fragen wir den gefräßigen Leser Todd Costanza. "Nein, ich kenne zwar Koestler, habe ihn aber nie gelesen. Was ich gerade lese ist 'A Tale Of Two Cities ' von Charles Dickens - weil ich auf der Highschool nie dazu gekommen bin, und ich muss sagen, das passt irgendwie zu unseren seltsamen Zeiten. In meinem 'Scum Of The Earth' geht es um diejenigen unter uns, die in die Ächtung abtrudeln, weil sie vom Idealismus geblendet werden. Gut meinende Seelen, die die Träume ausleben, die ihre Kultur ausspuckt, die aber dann als Sündenböcke für alles herhalten müssen, was die Gesellschaft bedrückt." Ist das das neue Leitmotiv von GF-Bus, dieses willenlose Treiben lassen, fern jedweder Selbstverantwortung? "Damit liegst du schon richtig", stimmt Todd zu, "es ist aber so, dass sich die Bedeutung dessen, worüber ein Song eigentlich ist, von dem Zeitpunkt wo ich beginne ihn zu schreiben, bis zu dem Moment, wo er auf die Scheibe kommt, doch ziemlich verwischt und verschiebt. Ich versuche, den Wal zu beobachten und gleichzeitig die Suppe zu kochen, wenn du weißt, was ich meine." Wenn das bedeuten soll, dass Todd zwei Dinge gleichzeitig tut, dann ja. Was hat das nun für Auswirkungen auf seine Charaktere? "Stell' dir mal folgende Situation vor: Du kannst in die Zukunft schauen und siehst, dass sie ziemlich schrecklich und aussichtslos ist. Du musst dich aber trotzdem ganz normal verhalten, den Kontakt zu deinen Freunden aufrecht erhalten, auf Parties gehen etc. Es ist so, als schlössest du mit deinem Leben ab, behieltest das aber für dich. Es geht auch darum, dieses jemandem mitteilen zu müssen." Musikalisch wird diese Seelenpein eindrucksvoll untermalt von jenen wackelnden Songs, die man schon seit den Anfangstagen der Band kennt, und die zuweilen aus mehreren Songs gleichzeitig zu bestehen scheinen, gerade so, wie es den Menschen und Musikern in den Sinn kommt. Indes scheint die Sache leicht modernisiert worden zu sein. Man höre sich bloß einmal die "handgemachten Hip Hop Beats" von Jeff Palmers Drums an. "Dafür ist Jeff alleine verantwortlich", erklärt Todd, und ergänzt dann noch mal zum Thema "Genre": "Wir haben uns noch nie als 'Americana Band' oder 'Alt Country' gesehen - aber das sind die Kategorien, in die wir immer gedrängt werden. Um ehrlich zu sein, denken wir nie darüber nach und sprechen auch nicht drüber. Sie sind ganz nützlich, wenn wir gefragt werden, welche Art von Musik wir spielen." Nun, das muss am Ende jeder für sich selbst bestimmen. Für Granfaloon Bus selbst ist jedenfalls nur eines wichtig: "Mit der gebotenen Ernsthaftigkeit möchte ich sagen, dass der wichtigste Aspekt dieser Scheibe für uns ist, dass wir sie gemacht haben, und wirklich glücklich damit sind."

Weitere Infos:
www.granfaloonbus.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Granfaloon Bus
Aktueller Tonträger:
Lucky Curtains
(Glitterhouse/Indigo)
 

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