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08.09.2000
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MANSUN

Cinemascope-Pop

Mansun
Wenn es eine Band gibt, die in ihrer englischen Heimat in den letzten Wochen sowohl jubelnde Kritikerstimmen als auch Presse-Reaktionen, die nur als blanker Hass zu beschreiben sind, zu hören bekommen hat, ist das Mansun. Und so sehr sich die vier Briten das positive Feedback auf ihr unlängst veröffentlichtes drittes Album "Little Kix" (und die Top 10 Single "I Can Only Disappoint U") auch verdient haben, insgeheim dürfen sie sich über die besonders krassen Verrisse genauso freuen. Zeigt doch die Tatsache, dass sich die Kritiker die Mühe machen, sich mit ihren hasserfüllten Formulierungen gegenseitig zu übertreffen, dass Mansun den Leuten etwas bedeuten. Wäre dem nicht so, würden sie schließlich schlichtweg mit Ignoranz gestraft.

Der erste Song auf "Little Kix" heißt "Butterfly (A New Beginning)", und man wird das Gefühl nicht los, dass Mansun mit dem sich entpuppenden Schmetterling sich selbst meinen. Geschickt springen Mansun in die Lücke, die von den inaktiven Manics und Pulp sowie von den aufgelösten The Verve gerissen wurde, und präsentieren sich selbst stilsicherer, weniger verwegen, mit einem Wort: erwachsener als je zuvor. Zusammen mit den alten Haudegen Hugh Padgham und Mike Hunter am Mischpult zaubern Mansun hier einen oft orchestralen Bombastsound, an dem sich Suede bisher die Zähne ausgebissen haben. "Electric Man" hätte auch The Verve gut zu Gesicht gestanden und "Comes As No Surprise" verbindet Dramatik, Soul und Kitsch auf erschreckend hitverdächtige Weise. Ein Breitwandsound-Erlebnis der besonderen Art, das uns Gitarrist Chad unlängst im Gästeliste-Interview genauer erklärte. "Wir sind diese Platte völlig anders als unsere beiden ersten angegangen. Für 'Six', das ja sehr intensiv, ja fast schon klaustrophobisch war, haben wir die meisten Songs erst im Studio geschrieben und viel gejammt. Dieses Mal haben wir uns viel Zeit gelassen, deshalb ist die Platte auch weitschweifiger als ihre Vorgänger. Mit dem Schreiben haben wir bereits im Februar 1999 angefangen. Wir sind nach Spanien geflogen, haben in der Sonne gesessen und an den Stücken gefeilt. Wir haben sogar vor den eigentlichen Aufnahmen Demos gemacht. Die Aufnahmen haben wir dann teilweise auf einem Boot auf der Themse gemacht. Alles in allem waren wir 10 Wochen im Studio, vier vor Weihnachten und dann noch einmal je drei Wochen im Januar und Februar. Das war alles sehr entspannt."

Mansun
So bombastisch die neue Platte des Quartetts aus der nordenglischen Kleinstadt Chester auch streckenweise klingen mag, auf der Bühne bleibt davon kaum etwas übrig. Im Gegensatz zu vielen anderen Bands versuchen Mansun live nicht, nur den Studiosound zu reproduzieren. Auch wenn ihr 1997er Debut "Attack Of The Grey Lantern" ob der geringen instrumentalen Fähigkeiten der Band noch sehr technik-fixiert war, sind Mansun auf der Bühne eine echte Rockband ohne Schnörkel, für die Energie alles ist. Was nicht heißt, dass es sie nicht auch einmal reizen würde, mit einem ganzen Orchester aufzutreten. "Wenn sich die Chance bieten würde - ablehnen würden wir das nicht. Das müsste dann allerdings schon in einer besonderen Situation sein, für eine einmalige Unplugged-Show oder so", schränkt Chad ein. "Und es sollte dann auch nur für ein paar Stücke sein."

Interessanterweise würde Chad selbst lieber einen Comedian auf der Bühne sehen als sich (s)eine Band live anzutun: "Wenn ich die Wahl hätte, würde ich eher in einen Comedy-Club gehen, als mir eine Band anzuschauen." Deshalb fragten wir ihn abschließend, welche Persönlichkeiten aus Geschichte oder Gegenwart er denn zu einer imaginären Dinnerparty einladen wurde. Eine Liste, auf die sich dann übrigens doch ein paar Musiker geschlichen haben. Chad: "Zunächst einmal würde ich Jimi Hendrix einladen, um ihn zu fragen, wie er das früher eigentlich alles angestellt hat. Dann würde ich gerne Peter Sellers bei meiner Party mit dabeihaben, damit alle gut unterhalten werden. Elvis müsste für die Gäste nach dem Essen singen, und dann würde ich noch den schottischen Comedian Billy Conley (?) und Stan Laurel einladen."

Weitere Infos:
www.mansun.co.uk
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Anton Corbijn-
Mansun
Aktueller Tonträger:
Little Kix
(Parlophone/EMI)
 

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