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15.09.2000
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TERRY LEE HALE

Terry Lee Hale sieht blau

Terry Lee Hale
Terry Lee Hale verblüffte ja letztes Jahr nicht schlecht, als er da plötzlich mit seinen französischen Blind Doctors rockend durch die Lande zog. Sicher: Die Idee klang ja gut. Aber letztlich schlich sich doch so etwas wie Wehmut ein, als man den Mann da sein Liedgut im Breitwandformat unter's Volk hobeln sah. Irgendwie wünschte man sich doch den sensiblen Terry mit der einfühlsamen Akustischen zurück. Das gab's dann ja auch zur Nachschlag-Tour im Herbst.

Und jetzt schließlich legt der Barde sein bisheriges Meisterwerk vor: Ein akustisches Solo-Album namens "The Blue Room". Das ist nun so sensibel und einfühlsam, wie es sensibler und einfühlsamer gar nicht mehr geht. Ist das jetzt der Terry, wie er wirklich ist? Nun ja, das ist sicherlich Ansichtsache. Wir wollten von dem Mann, der das Kölner ABS als "best club I've played so far in Cologne" bezeichnete wissen, wie es zu dem Album kam.

TLH: Da gab's ein paar Faktoren, die entscheidend dafür waren, diese Art Platte aufzunehmen. Zunächst mal war unser Budget limitiert. Insofern war es wichtig, eine "simplere" Scheibe aufzunehmen, um die Zeit im Studio bestmöglich nutzen zu können. Der wichtigste Grund war aber, glaube ich, der, daß eine "Solo"-Scheibe die Art von Platte war, die ich noch nie zuvor gemacht hatte. In anderen Worten: Eine neue Herausforderung für mich. "The Blue Room" ist außerdem ein netter Kontrast zu "Old Hand". Nachdem wir (Chris Eckman von den Walkabouts als Produzent und eben TLH) uns entschlossen hatten, in dieser Art aufzunehmen, (d.h.: ein Mann und seine Gitarre) half uns dieses auch, die Stimmung für die Platte festzulegen und die Songs auszusuchen. So ziemlich jeder Song, den ich schreibe, kann und werde ich auch live solo spielen. Aber sicherlich eignen sich einige Songs eher als andere für üppige Arrangements, wenn es denn zur Aufnahme kommt.

Wofür steht denn der "blaue Raum" und warum gibt es nur Balladen auf dieser CD? Vergleicht man z.B. die Version von "Red Rose Withered Bouquet" (als MP3 File auf der Glitterhouse Website), die Terry auf der letzten Tour spielt mit jener auf der Platte, so ist diese doch ziemlich zurückgenommen. Ist dies absichtlich so gemacht?

TLH: "The Blue Room" ist ein Ort, der "blue" ist (im Sinne von "blues" oder "traurig"). Sicherlich eine Beschreibung für die Stimmung dieser CD. Und ja, das ist absichtlich so gemacht. Als Chris und ich uns entschieden hatten, welche Art von Platte wir machen wollten, entschlossen wir uns auch, die Stimmung ziemlich konzentriert zu halten. Da würde es kein "Little Toes" (Leaving West) -artiges Stück geben. Alle Stücke beziehen sich direkt auf den Titel und wurden in dem "blue Room" geschrieben oder handeln von Ereignissen, die dort stattfanden. Das ist z.B. der Grund, warum ich z.B. "Bouquet" oder "Michigan Weather", das ich mit den Blind Doctors schnell spielte, langsamer aufgenommen habe. Ich finde, der Song funktioniert in beiden Versionen.

Warum werden denn einige Tracks auf der Scheibe wie Pop-Songs ausgeblendet? Hört sich das in diesem Kontext nicht eher eigenartig an?

TLH: Diese Entscheidungen wurden, glaube ich, beim Abmischen getroffen. Vielleicht waren einige Songs einfach zu lang oder so. Du magst ja nun denken, daß diese Ausblendungen hier fehl am Platze waren, aber wo steht denn das geschrieben? Sicherlich werden Ausblendungen ja auch bei Live-Aufnahmen verwendet und warum sollten wir nicht die Möglichkeiten nutzen, die ein Studio uns bietet?

Chris erzählte damals, daß die Scheibe in 8 Tagen aufgenommen wurde. Was dauerte daran denn so lang?

TLH: Moment mal! Eine ganze Platte in 8 Tagen aufzunehmen, zu mixen und zu mastern ist für mich ein absoluter Rekord! Eine Platte aufzunehmen ist nicht wie live zu spielen. Jeder kleine Fehler, den du bei einer Aufnahme-Session machst, wird bei der Widergabe 1000-fach verstärkt und das gilt ganz besonders für eine Solo-Scheibe! Ich denke, wir haben so 4-5 Takes von jedem Stück gemacht, und dann das beste ausgesucht. Der Gesang und die Harmonika kamen später dran. Ich glaube das Abmischen haben wir in anderthalb Tagen erledigt und das Mastern benötigte ungefähr 8 Stunden.

Welchen Beitrag hat denn Chris zu dem Album geleistet?

Terry Lee Hale
TLH: Chris war vom Anfang bis zum ende involviert. Wie gesagt, entscheiden wir erst, welche Art von Scheibe wir machen wollten und dann suchten wir die Art aus, in der sich dies verwirklichen ließe und die Songs dazu. Weil die Sessions formal einfach waren (ein Mann, eine Gitarre) bot Chris Ratschläge an, die sich auf die Art des Vortrages, Tempo, Atmosphäre etc. bezogen. Die Nuancen, mit denen du einen Satz äußern kannst, sind erstaunlich. Für gewöhnlich denkt niemand nach über den Prozeß, den wir unbewußt auswählen, um einen Satz zu äußern. Jede Zeile, jeder Satz muß sich beim Song mit dem davor und danach vertragen - und es muß vollkommen unangestrengt klingen. Chris ist extrem gut darin, von mir im Studio gute Performances herauszukitzeln. Ich vertraue ihm, seinen technischen Fähigkeiten und seiner musikalischen Intuition. Chris ist genau der richtige für diese Aufgabe!

Was hat es mit dem Cover-Bild auf sich?

TLH: Es ist genau das, was es zu sein scheint: Ein Mann sitzt alleine an seinem Tisch und spielt oder schreibt einen Song, während sein Mädel im Bett schläft - und im Vordergrund ist ein Strauß frischer Rosen. Auf der Rückseite siehst du dann einen leeren Raum mit verwelkten Rosen. Es ist ein wirklicher "blue Room". Ich hätte gerne mehr von ihrem Körper gezeigt aber wir entschlossen uns nur die Beine zu zeigen. Einfache Bilder sind - meiner Meinung nach - am besten geeignet für CDs.

Und wie geht's jetzt weiter?

TLH: Ich bin mir an diesem Punkt in Bezug auf die Zukunft nicht ganz sicher. Ich schreibe täglich Songs und wer weiß, wo ich stilmäßig in einem Jahr bin? Ich liebe es, mit anderen Musikanten zusammenzuspielen und denke, daß ich dazu auch wieder Gelegenheit haben werde. Ich könnte mir z.B. vorstellen, mit einem akustischen Bassisten aufzutreten und vielleicht einem Percussionisten. Ich habe auch damit begonnen, eine Liste von Songs anderer Leute aufzustellen, die gerne mal covern würde. Und eine Idee, die ich immer schon hatte, ist, mal ein instrumentelles Album aufzunehmen. Ich würde schrecklich gerne mal Filmmusik machen.

Und bis es soweit ist, wird uns Terry nochmal im ABS beglücken. Wir dürfen gespannt darauf sein, wie er insbesondere die Songs von "The Blue Room" dann interpretieren wird. Es ist ja in Zeiten von Recycling Pop und Video-Kultur immer wieder schön, wenn es noch Musikanten gibt, die an Ihrem Material auch arbeiten. Schließlich heißt "live" ja nicht umsonst "Leben" (für die anglophilen: Natürlich heißt es das nicht, aber es weiß ja jeder, was gemeint ist). Gerade bei TLH kann dies sehr spannend sein, denn er pflegt einen ziemlich variantenreichen, ungewöhnlichen Stil - der u.a. darin besteht, die Gitarren auf allerlei seltsame, aber coole Weisen zu stimmen. Die Inspriation hierzu kommt, so Terry, zum Teil von inspirierenden Rauchwaren, die er mittels psychologisch ausgefeilter Tricks ("Hat jemand meinen Spliff gesehen?") dem Publikum abluxt. Man sollte also nicht vollkommen unvorbereitet zu einem TLH-Konzert kommen!

Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Terry Lee Hale
Aktueller Tonträger:
The Blue Room
(Glitterhouse)
 

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