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03.10.2003
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CENTRO-MATIC

Korrupte Liebeslieder

Centro-Matic
Wenn es so etwas gäbe wie den Grammy für den "Produktivsten Songwriter", dann würde Will Johnson jedes Jahr den Preis nach Hause tragen. Gerade eben erst überraschte Johnson damit, dass er das aus einer Verlegenheit begonnene Projekt South San Gabriel - neben seiner an Ausstoss gewiss nicht armen Band Centro-Matic - zu einem zweiten Standbein ausbaute. Und jetzt spricht er bereits davon, dies mit seinen Solo-Scheiben, von denen sich die zweite gerade in Arbeit befindet, ebenfalls zu tun. Was ihn natürlich nicht davon abhält, mit Centro-Matic auch jedes Jahr ein neues Werk in die Welt zu setzen. "Love You Just The Same" heißt dabei die neue Scheibe. Dieses Mal muss es ganz besonders schlimm gewesen sein. Die Sessions zur neuen Centro-Matic-CD gingen bandintern als "The Shitstorm" in die Historie ein.

"Woher weißt du denn das?", fragt Johnson Sidekick und Multiinstrumentalist Scott Danborn, "das war doch nur ein Gag, weil Will so viele Songs wie nie angeschleppt hat." Ein Gag, der auf der Website der Band dann auch kolportiert wurde und durchaus auch von uns verstanden wurde. Mit dem Humor ist das so eine Sache bei den Jungs: Will Johnson und Matt Pence sind beides keine polternden Schenkelklopfer, sondern eher grüblerische Typen mit einem besonders speziellen Humor. "Also für uns waren die Songs alles 'große Treffer', wenn du weißt, was ich meine", lacht Will (und dabei muss man die große Tradition herzlicher amerikanischer Toilettenwitze und den damit zusammenhängenden Begrifflichkeiten bedenken), "es war eine ganze Sammlung von Songs, die ich in einem bestimmten Zeitraum geschrieben hatte und die für mich ziemlich zusammenhängend erschienen. Deswegen war es auch nicht notwendig, nach einem inhaltlichen roten Faden zu suchen, wie beim letzten Mal - obwohl die Songs zum Teil schon etwas älter sind." (Auf "Distance & Clime" ging es um die geographische und klimatische Zusammenhänge). Was hat man denn dieses Mal anders gemacht? Die neue Scheibe klingt ja etwas druckvoller als die letzten Werke. Und es fehlen (zum Glück?) auch die ansonsten stets gegenwärtigen Field-Recordings, die Will auf seinen Platten einzusetzen liebt. "Wir haben diese dieses Mal weggelassen - weil wir sie nicht brauchten", erklärt Will, "es sollte eine eher geradlinige Rock-Scheibe werden. Es war dieses Mal auch erstmals jemand von außerhalb der Band dabei - Anders Parker von Varnaline, den wir sehr schätzen. Es machte jetzt Sinn für uns, eine andere Meinung von außerhalb der Band dabei zu haben." "Was wir gemacht haben, ist die Stücke in einem Zeitraum von ca. drei Wochen aufzunehmen", erzählt Scott, "das meiste haben wir dabei live eingespielt. Und das war unterschiedlich zu den anderen Scheiben."

Was hat denn Anders Parker zum Centro-Matic Sound beigetragen? "Wir haben ihn gebeten, die Scheibe mit uns zu produzieren", erläutert Will, "und er hat uns dann Tipps und Vorschläge in Bezug auf den Sound oder die Instrumentierung gemacht." "Wir haben bislang noch nie mit einem Produzenten zusammengearbeitet", erinnert sich Scott, "auch Anders war nicht wirklich einer. Er bot eher sowas wie ein zusätzliches Paar Ohren." "Im Prinzip ist es so, dass es keine Regeln gibt", führt Will aus, "und insofern brauchen wir uns auch nicht an irgendwelche Dogmen zu halten. Auf den letzten Scheiben hatten wir die Vocals z.B. immer sehr trocken und klar gehalten - dieses Mal sind ein paar Effekte drauf. Warum auch nicht? Es war ja eine neue Scheibe, ein neues Projekt. Die Sache mit den Live-Aufnahmen war noch sehr interessant. Wir haben das ja bisher nicht so gemacht. Es ist aber hoffentlich so, dass sich so unsere Scheibe mehr nach den Live-Shows anhört. Dynamik ist uns nämlich immer sehr wichtig." Nun gibt es auf der neuen Scheibe aber durchaus auch akustische Balladen. Was aber für die Jungs kein Problem ist, da sich diese auch live reproduzieren lassen. Aber: Ist es denn nicht ein Problem, akustische Centro-Matic Balladen und South San Gabriel Stücke zu unterscheiden? (South San Gabriel ist ja so etwas wie die abgespeckte, leisere und langsamere Schwester der Mutterband). Wo sieht Songwriter Will Johnson denn den Unterschied? "Da ist eine sehr interessante Frage. Das ist sogar eine großartige Frage. Weil ich nämlich zugeben muss, dass sich die Grenzen da manchmal durchaus verwischen", räumt Will ein, "meistens weiß ich aber sofort, wenn ich einen Song fertig habe, für welches Projekt er ist. Ich denke, es hat mit den Texten zu tun. Einige der kryptischeren Texte zielen direkt in Richtung Centro-Matic und die eher traditionellen Geschichten sind für SSG."

Centro-Matic
Was ein gutes Stichwort ist, denn - wie gewöhnlich - kann man z.T. überhaupt nicht erkennen, worüber Will auf der neuen Centro-Matic Scheibe überhaupt singt. Seine Texte sind in einer Art Code verfasst, der Außenstehende fragend zurücklässt. "Also für mich sind die Texte natürlich klar", grinst er, "es geht um Beziehungen, Betrug, Freundschaft, korrupte Medienleute, korrupte Umweltpraktiken, korrupte Regierungs-Institutionen. Nun gut, es ist ein wenig kryptisch..." Indes, wenn man eines mitbekommt, dann sicherlich, dass es bei Centro-Matic nicht um lustige Themen geht, sondern eher um reales, negatives Zeug. "Da sagst du was!", lacht Will, "die 'Argonne Limit Co.' gibt es wirklich, 'Strahan' ist ein amerikanischer Football-Star - obwohl dies ein sehr kryptischer Song ist. Ich male da eher ein Bild." Auch lautmalerisch? Es scheint, dass Wills Wörter auch gut klingen sollen. "Hoffentlich tun sie das", stimmt er zu, "manchmal klingt ein 'i' besser als ein 'o'. Ich versuche dann ein passendes Wort zu finden. Es ist wichtig, dass die Worte gut klingen, wenn du sie singst." Was natürlich auch die rätselhaften Inhalte mit erklären könnte. "Weißt du", überlegt Will, "ich denke, dass ich weniger kryptisch schreibe, desto älter ich werde, Es wird da sicherlich Phasen geben, aber die Entwicklung ist schon abzusehen. Im Moment tendiere ich jedenfalls dazu, romantische Liebeslieder am Piano zu schreiben [was dann den Titel der neuen Scheibe erläutert]. Es hängt natürlich auch immer mit der Zeit, den Umständen oder dem Song zusammen, in den ich mich gerade verliebt habe." Wie sieht es denn aus, wenn Centro-Matic und oder SSG live spielen? Vermischen sich da nicht beide Projekte. "Für gewöhnlich nicht", meint Will, "denn es ist ziemlich schwierig, von einer Stimmung in die andere herüberzuwechseln und dieses auseinanderzuhalten." Das heißt natürlich nicht, dass in einem Projekt nicht Songs des anderen auftauchen könnten, aber zusammen wird es sie wohl nicht geben. Nach einer kurzen SSG-Tour sammeln die Jungs jetzt ihre Kräfte für eine Centro-Matic Tour im November.

Weitere Infos:
www.centro-matic.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Centro-Matic
Aktueller Tonträger:
Love You Just The Same
(Munich Records)
 

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