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03.11.2000
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NADINE

Der Rocker im Songpelz

Nadine
Nadine's Frontmann, Adam Reichmann, kommt so unscheinbar daher, daß man ihn gerne auch schon mal übersieht. Mit Turnschuhen, strähnigem Haupthaar und einem schludrigen Windbreaker sitzt der Mann inventarähnlich in der Ecke. Dabei hat er's faustdick hinter den Ohren: In einem Akt subersiver Anarchie entert Adam am Abend des Interviews bei einem Konzert der angesagten US-Combo Vertical Horizon die Bühne und stielt dem Frontmann Matt Scanell mitten im Act ein Plectron. "Ich wollte ein Statement machen", meint er nachher stolz. Allerdings geht die Sache nach hinten los, weil ihn sowohl Matt wie auch das ausgelassene Teenie-Publikum fälschlich als begeisterten Anhänger feiern.

Wichtig ist aber die politische Botschaft: Adam mag glatte, eingefahrene Sounds und vorhersehbare Songstrukturen (wie sie VH nun mal bieten) nicht besonders. "Unsere neue Scheibe haben wir primär im Flur aufgenommen", schildert Adam den Prozeß, der zum bemerkenswert rauhen, schmirgeligen Nadine-Drittwerk "Lit Up From The Inside" führte, "unsere letzte Scheibe haben wir über einen langen Zeitraum mit vielen Schwierigkeiten bei unserem Umzug ins neue Domizil aufgenommen. Diesmal ging alles ganz rasch - vieles wurde live und im ersten Take eingespielt." Das neue Domizil der Band ist eines dieser großräumigen, leerstehenden Häuser in St. Louis, dem Heimatort. Dort haben sie sich ein Studio einrichtet. D.h: Equipment in die Räume geschleppt und drauflos musiziert. "Bei einem Song haben wir zuerst verzerrte Gitarren aufgenommen und nachher mit einem Mikro das Schlagzeug dazugespielt. Das war total verrückt." In der Tat. Vielleicht ist gerade wegen dieser Extreme das neue Album so interessant und kurzweilig geraten. Dabei gefallen besonders die schroffen Gitarren - die manchmal auch im Nebenzimmer eingespielt wurden, und Anne Ktach's lebendiges Baßspiel. (Dieses kommt deutlich lebhafter rüber als bei Anne's anderer Band, Hazeldine). Daneben darf man aber nicht außer Acht lassen, daß die Songs bei Nadine stets im Mittelpunkt stehen. Adam schreibt diese mit großer Begeisterung. "Songwriting ist das tollste, was es gibt", schwärmt er, "egal wie es Dir vorher gegangen ist oder wie Du Dich fühltest: Wenn Du einen Song geschrieben hast, ist alles wieder in Ordnung." Dann ist das also das reine Vergnügen? "Nun ja, was mich manchmal ärgert ist, wenn mir Kleinigkeiten, die einen Song rund machen, nicht einfallen wollen. Dann grüble ich tagelang darüber nach und das blockiert mich dann regelrecht."

Nun ja, vielleicht führt dieser Ansatz aber auch zu besonders interessanten Ergebnissen. Adam's Stil wird oft mit Neil Young verglichen. Das ist ihm aber nicht sonderlich recht. "Kann sein, daß das an der Stimme liegt", überlegt er, "aber ich möchte schon mein eigenes Ding durchziehen. Es machte ja auch keinen Sinn, andere Musiker zu emulieren. Wir hatten mal eine Kritik, in der es hieß, wir seien unoriginell und würden Son Volt kopieren. Das war die schlimmste Presse, die wir je hatten." Nadine haben sich inzwischen als feste Größe im Rockbiz etabliert. "Na ja, nach drei CDs merken die Leute, daß wir nicht einfach wieder weggehen", orakelt Adam und fügt noch hinzu, daß ihm das Live-Spielen auch immens wichtig ist. Auf die Frage, was denn sonst noch zähle, überlegt er kurz und meint dann: "Ich möchte unsere Songs - auch inhaltlich - offener gestalten. Auch wenn wir uns auf dieser Scheibe ein wenig vom starren Gefüge der ersten Scheiben gelöst haben, sind unsere Sachen doch eher noch konventionell. Und wovon ich immer träume, ist mal eine Sache mit viel Gesang zu machen. Eigentlich mag ich keine A-Capella-Sachen, aber ich singe unheimlich gerne." Adam macht viele Sachen unheimlich gerne: Reden (zu viel, wie er meint), Tischfußball spielen, Bier trinken, Rock'n'Roll spielen. Nun gut: Bis auf den Tischfußball läßt sich das auf der aktuellen Tour ja sicherlich alles verwerten...

Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Pressefreigabe-
Nadine
Aktueller Tonträger:
Lit Up From The Inside
(Glitterhouse)
 

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