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28.10.2005
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FRANZ KASPER

Der Strohfeuer-Dogmatiker

Franz Kasper
Die Überraschung ist groß: Nur etwas über ein halbes Jahr, nachdem Franz Kasper sein letztes Album, "Don't To Forget To Say No, Baby" vorgestellt hatte - zu dem er nach eigener Aussage sogar von seinen Freunden überredet werden musste -, legt er nun mit "The Grasshopper And Me" einen mehr als würdigen Nachfolger vor. Nicht nur das: Redete er anlässlich von "Baby" noch von so etwas wie einer künstlerischen Krise, so ist jetzt keine Spur mehr davon. "Grasshopper" spielte Franz gut gelaunt nahezu im Alleingang ein - und warf dabei ganz nebenbei noch alle zuvor formulierten Dogmen über Bord (die z.B. besagten, dass es darum ginge, im Studio möglichst alles live mit Band einzuspielen).

Was ist denn passiert? "Ach, das war so eine Phase", meint Franz beinahe beiläufig, "nachdem das letzte Album erschienen war, hatte ich in ca. zwei Wochen fast alle Songs der neuen Scheibe fertig. Und die habe ich dann auch gleich aufgenommen - und zwar richtig. Das deshalb, weil ich mich früher immer darüber geärgert habe, dass die Versionen, die man auf Anrufbeantworter oder Diktiergeräte singt, zwar immer die besten sind, aber die lassen sich nicht veröffentlichen, weil die Soundqualität immer so schlecht ist - außer man ist John Lennon und tot..." (Was ein gutes Stichwort ist, denn die Cover-Version, die sich Franz dieses Mal ausgesucht hat, ist "Nobody Told Me" von eben jenem John Lennon.) "Die Songs wurden also an dem Tag aufgenommen, an dem ich sie geschrieben habe", ergänzt Franz, "so hatte ich dann sehr schnell das Gerüst für die neue Scheibe. Eigentlich wollte ich gar kein Album aufnehmen, sondern bloß diese Stücke skizzieren. Dann hatte ich aber doch Lust weiterzumachen und dann hat es sich so entwickelt, dass es dann doch zu einer CD kam." Wie gesagt: Das widerspricht dem, was uns Franz noch zur letzten Scheibe erzählte - dass nämlich in der Interaktion mit der Band das Erfolgsgeheimnis liege. Reizte es denn nicht, die neuen Stücke noch mal mit Band einzuspielen? "Die Idee stand im Raum", räumt Franz ein, "aber dagegen stand dann die Tatsache, dass ich über ein dreiviertel Jahr an den Sachen gearbeitet habe und das sich das extrem lohnt. Ich habe z.B. die ganzen Grooves noch mal umgeschmissen und alles neu gemacht. Und das geht halt nur, wenn ich alles alleine mache." Und was ist mit dem Widerspruch? "Nun, das ist bei mir immer so", gesteht Franz, "ich habe immer so Phasen, wo ich für irgendetwas Feuer und Flamme bin und das vehement verteidige und das wechselt auch schon mal."

Franz Kasper
Nun gut - wie hat man sich das denn vorzustellen, wenn Franz seine Songs ganz alleine - also z.B. inklusive Drums und Bass - einspielt? "Nun einige Parts stammen ja schon von meinen Musikern", schränkt er ein - und spielt dabei u.a. auf Geigen- und Trompetenparts an, die von seinen Mistreitern Radek Stawarz und Anselm Weyer beigetragen wurden, "ich habe die Skizzen zunächst mit einem Clicktrack begonnen und dann Gitarre, Klavier und Gesang eingespielt. Dann waren die Basics da und den Rest habe ich dann später hinzugefügt. Z.B. Schlagzeug und Bass." Das hört sich nun wieder einfacher an, als das Ergebnis klingt. Denn selbstredend konnte Franz es sich auch auf diesem - für seine Verhältnisse fast schon simplizistischen Album - nicht verkneifen, wieder mit Rhythmus- und Tempowechseln (den von ihm so geschätzten Brüchen) zu arbeiten. "Das ist aber alles kein Problem, solange das Metrum beibehalten wird", erklärt Franz den technischen Aspekt, "mir kommt es nicht so vor, dass man hören kann, in welchem Verfahren das Album aufgenommen wurde. Ich finde, es sind sogar klassische Rockstücke drauf, die nach einer Rock-Band klingen. Obwohl es ja nicht mein Anliegen gewesen ist, einen typischen Rockdruck zu erzeugen. Aber ich habe an keiner Stelle das Gefühl, dass das etwa mit einer Band besser oder anders geklungen hätte." Was hat es denn mit den Brüchen auf sich? Warum sind die denn für Franz so faszinierend? "Langeweile", meint Franz, "Bruch ist nicht etwas, das bei mir beim Arrangement ansetzt, sondern bereits beim Songwriting. Sogar beim Text achte ich darauf. Wenn ich die Songs mit der Gitarre oder auf dem Klavier komponiere, dann kann man die Brüche bereits hören." Aber ist es denn nicht so, dass das - wenn dieses Prinzip in jedem Song angewendet wird - die Musik dann auf eine perfide Art vorhersehbar macht? "Ja, da hast du schon recht, die Gefahr besteht", gesteht Franz, "gewisse Brüche bergen die Gefahr einer Masche. Vor ein paar Jahren haben z.B. plötzlich alle mit Lautstärkeschwankungen gearbeitet - also leise Strophen und laute Refrains. Das ging einem dann auf einmal auf den Nerv. Aber: Ich bin der Meinung, dass ich auf der neuen Scheibe ein paar Stücke habe, die wirklich gar keinen Bruch haben." Nun ja, wie gesagt: Für Franzens Verhältnisse ist dieses ja durchaus eine simple Scheibe geworden. "Vielleicht liegt es auch an meinen persönlichen Vorlieben", überlegt Franz, "wenn ich z.B. auf Konzerte gehe, bin ich zu 80% gelangweilt von dem, was ich sehe. Es tut mir leid, aber es ist so. Und das versuche ich bei meiner Musik zu vermeiden. Bei mir ist es so, dass ich - auch bei meiner eigenen Musik - nach der vierten Wiederholung die Schnauze voll habe. Ich will das Ganze nicht noch einmal hören. Ich bin ungeduldig."

Franz Kasper
Gut - lassen wir das mal: Wie verhält es sich denn im Falle der Texte - entstanden diese aus einer bestimmten Notwendigkeit heraus? "Ja, ein paar von den Liebesliedern haben schon einen biographischen Anstoß", gesteht Franz, "aber diese sind ja in der Minderheit. Ansonsten sind das einfach Songs, die entstehen. Ich weiß aber selber nicht, woher das kommt. Ich setze mich nicht hin und schreibe einen Song mit einem Plan." Bislang zitierte Franz in seinen Songs und seinen Titeln ja öfters seinen Favoriten Hoagie Carmichael. Der titelgebende "Grasshopper" ist indes seine eigene Idee. Was hat es denn mit dem auf sich? "Also ich stehe ja nicht so auf 'Selbstinterpretationshilfen'", zögert Franz, "der Grasshopper bezieht sich aber auf eine Fabel, über die auch Bobby Gentry einen Song geschrieben hat, 'Lazy Willy' heißt er, glaube ich. Die geht so: Die Ameise arbeitet den ganzen Sommer und der Grashüpfer spielt. Und dann wird es irgendwann Winter und der Grashüpfer ist der Dumme, weil er nicht an die Zukunft gedacht hat. Die Personen in dem Song existieren wirklich. Es sind Freunde von mir, die Grashüpfer-Eigenschaften haben. Viele Leute in meinem Umfeld wollen Filmemacher, Philosophen, Künstler oder Rockstars werden - und irgendwann gibt's dann diesen Punkt, an dem sich herausstellt, dass diese Leute dann doch Ärzte oder Rechtsanwälte geworden sind. Sie sind dann sozusagen auf die schiefe Bahn gekommen und kommen dort auch nicht mehr weg, weil sie den Mut nicht haben. Sie machen dann eben letztlich doch die Ameisengeschichte." Die Inspirationen für die Texte stammen also aus Franzens persönlichem Umfeld. Und woher kommen die musikalischen Anstöße? Immerhin arbeitet er ja jetzt wieder verstärkt mit der Gitarre, die er bis vor kurzem eher stiefmütterlich behandelte. "Ich habe keine Ahnung, was das ausgelöst hat", wundert sich Franz selber, "ich habe eben auch hier Phasen, in denen ich mich für dieses oder jenes begeistere. Mittlerweile kann ich mich eben auch wieder an der Gitarre erfreuen. Ich darf es nur nicht übertreiben - damit ich mich nicht wieder langweile." Wie sucht Franz denn seine Cover-Versionen aus? "Also ich muss den Song und den Text toll finden", überlegt Franz, "und es darf nicht so sein, dass ich die Original-Version unüberbietbar gut finde. Aber im Falle von 'Nobody Told Me' ist die Version nicht perfekt. Die Aufnahme bleibt hinter dem Song zurück und da kann ich die Hoffnung haben, dass es gut ist, wenn es da eine andere Version von diesem Song gibt." Was ist denn für Franz das Wichtigste, was er mit dieser Scheibe erreicht hat? (Es folgt eine sehr lange Pause...) "Ich finde, dass auf dieser Scheibe ein paar der besten Stücke sind, die ich je geschrieben habe", meint er schließlich, "wenn man lange schon Stücke schreibt und dann feststellt, dass seine eigenen besten Stücke eben nicht nur acht oder zehn Jahre alt sind, sondern jetzt und heute gelingen, dann freut einen das natürlich." Und den Hörer natürlich auch. Jetzt wäre es natürlich angebracht, dass es endlich mal zu einer richtigen "Tour De Franz" kommen könnte, damit man auch das neue Material einmal mit Band zu hören bekommt. Erste "Testkonzerte" gerieten jedenfalls schon recht vielversprechend...

Weitere Infos:
www.franzkasper.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Franz Kasper
Aktueller Tonträger:
The Grasshopper And Me
(DayGlo/Rough Trade)
 

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