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09.05.2006
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TWO GALLANTS

"Digitale Aufnahmetechnik ist ein Witz"


Two Gallants
Wenn Two Gallants Mitte Mai bei "Haldern geht Zelten" auf deutschen Bühnen stehen, dann sind sie längst nicht mehr der Geheimtipp, der vor gerade einmal sechs Monaten als Support der Decemberists in Deutschland unterwegs war. Dazwischen lagen nämlich nicht nur eine ganze Reihe atemberaubender Konzerte des Duos aus San Francisco, dazwischen lag vor allem auch die Veröffentlichung des zweiten Albums von Adam Stephens und Tyson Vogel, "What The Toll Tells". Und das ist eine wahre Großtat, die an dieser Stelle ob ihrer famosen Mischung aus spröde-charmantem Garagenfolk, einem Hauch von Country, Punk und Vorkriegsblues, nur mit Hilfe von Gitarre, Schlagzeug und Mundharmonika dargeboten, bereits zur "Platte der Woche" gekürt wurde.

Aufgenommen wurde die Platte im Tiny Telephone in San Francisco, in dem nicht nur Eigentümer John Vanderslice in der letzten Zeit immer bessere Platten aufnimmt, sondern auch The Mountain Goats oder Nada Surf auf der Klientenliste stehen. Für Two Gallants war das Studio allerdings nicht nur, weil es sich zufällig in ihrer Heimatstadt befindet, eine natürliche Wahl. "Das Studio hat eine sehr gemütliche Atmosphäre", erklärt Schlagzeuger Tyson Gaesteliste.de. "Dort stehen eine Menge abgenutzter Sofas herum, und es ist recht dunkel, das gibt dem Ganzen eine etwas heimelige Atmosphäre. Alles ist sehr bodenständig, was uns gefällt." Und Sänger und Gitarrist Adam ergänzt: "Dort gab es eine Menge Zeug, mit dem man herumspielen konnte. Die Songs an sich stehen zwar schon, bevor wir ins Studio gehen, aber trotzdem hat Tyson eine Menge Drums gespielt, die uns dort zur Verfügung standen, und ich habe fünf oder sechs verschiedene Verstärker in unterschiedlichen Kombinationen benutzt. Es ist einfach schön, zumindest die Option zu haben, etwas auszuprobieren, um den genau richtigen Sound zu finden."

Mancher hätte womöglich gar nicht geglaubt, dass sich Two Gallants im Studio solch eine Mühe geben. Schließlich klingen ihre Songs für gewöhnlich so direkt und ungekünstelt nach dem einfachen, aber effektiven Motto "Weniger ist mehr", dass man glauben könnte, zu viel Experimentalismus im Studio könne dem Erfolg der Produktion nur im Wege stehen. "Es stimmt schon, unser Hauptanliegen ist es, ein ehrliches Abbild unseres Sounds zu schaffen. Wir legen es im Studio schon darauf an, die gleichen Emotionen auszulösen, die die Menschen verspüren, die uns live sehen. Diesen 'echten' Sound allerdings auch im Studio hinzubekommen, bedarf wesentlich mehr Aufwand, als ins Studio zu kommen, aufzubauen und zu spielen. Unser Glück war, dass Scott Solter [der Tiny Telephone-Haustechniker], ein tolles Ohr hat und im Gegensatz zu uns Mittel und Wege kennt, um einen großartigen Sound hinzubekommen."

Tiny Telephone ist außerdem berühmt dafür, sich auf analoge Aufnahmen spezialisiert zu haben, während fast alle anderen Studios mittlerweile volldigital sind. Noch ein Grund für Two Gallants, dort aufzunehmen? "Ja. Die digitale Aufnahmetechnik ist doch ein Witz. Ich mag den Sound einfach nicht, und außerdem ist mir das alles zu einfach. Die Idee, dass man eine ganze Platte zusammenschnipseln kann, ohne dass die Leute ihr Instrument beherrschen, behagt mir gar nicht. Das nimmt dir doch jegliche Herausforderung!" Das sieht Tyson ganz ähnlich: "Der Klang in einem analogen Studio ist viel organischer und natürlicher. Ich denke, dass es gerade für eine Band wie uns sehr wichtig ist, dass der Sound warm und geradezu greifbar ist. Wenn du deine Musik in den Computer spielst und nichts als Nullen und Einsen übrig bleiben, hast du das einfach nicht."

Two Gallants
Die detailliertere Arbeit im Studio ist auch der größte Unterschied zum hierzulande eher unbekannten Two Gallants-Debüt. "Die beiden Platten klingen für mich völlig anders, denn die Produktion des ersten Albums ist ungleich schlechter", erklärt Adam. "Damals waren wir noch gezwungen, digital aufzunehmen, und das kann man wirklich hören. Außerdem waren wir ständig unter Zeitdruck und konnten nie richtig an unseren Parts arbeiten. Keiner von uns beiden war wirklich glücklich mit seinen Performances. Die Songs dagegen sind schon gut, vor allem, weil die erste Platte viel konziser ist als die neue. Es gibt keine Neun Minuten-Songs, deshalb ist sie vielleicht etwas leichter verdaulich."

Das Interessante an Two Gallants ist sicherlich auch, dass sie sich - wie so viele andere Bands heute auch - stark von der Vergangenheit inspirieren lassen, aber halt auf andere Art und Weise. "Ich denke, dass die meisten Retro-Bands heute sich in den 80ern bedienen. Das ist okay, aber nichts, was uns interessieren würde. Unsere Einflüsse reichen ja viel weiter zurück, bis zum Blues der 30er", erklärt Adam. "Das ist bei uns auch noch nicht einmal eine bewusste Entscheidung. Es ist schlicht und ergreifend die Musik, die wir gerne und viel hören, und früher oder später hatte das einen Einfluss auf die Art, wie wir selbst Musik machen. Wir würden uns zum Beispiel nie hinsetzen und sagen: 'Jetzt machen wir mal eine Nummer, die klingt, als hätte sie schon vor 70 Jahren aufgenommen werden können'. Was passiert, passiert!" Und wie gut Spontaneität klingen kann, beweisen die zwei auf "What The Toll Tells" auf beeindruckende Weise!

Weitere Infos:
www.twogallants.com
www.saddle-creek.com/html/twogallants_frame.html
www.myspace.com/twogallants
Interview: -Simon Mahler-
Fotos: -Pressefreigaben-
Two Gallants
Aktueller Tonträger:
What The Toll Tells
(Saddle Creek/Indigo)
 

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