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13.10.2006
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JON AUER

Endlich!

Jon Auer
Als sich seine Band The Posies im Herbst 1998 trennte, schien das erste Soloalbum von Sänger und Gitarrist Jon Auer nur eine Frage der Zeit zu sein. Erschienen sind allerdings erst einmal nur zwei EPs - in Spanien. Die eine, "The Perfect Size", mit angenehm Posie-eskem Material Auers, die andere, "6 1/2", mit gelungenen Coverversionen von "Love My Way" (Psychedelic Furs), Madonnas "Beautiful Stranger", Hüsker Düs "Green Eyes" oder Weens "Baby Bitch". Dieser Tage kommt nun endlich Auers erstes richtiges Album als Solist, "Songs From The Year Of Our Demise", auf den Markt - in Deutschland auf dem kleinen, aber feinen Hamburger Label DevilDuck Records.

"Ich habe wirklich lange Zeit an der Platte gefeilt", bestätigt Auer im Gespräch mit Gaesteliste.de. "Bei meinen Soloplatten möchte ich niemanden um mich herum haben, der mir hilft. Ich nehme sie alleine auf, spiele jedes Instrument bis auf ein wenig Schlagzeug selbst, noch nicht einmal einen Tontechniker leiste ich mir. Das kann manchmal schon ganz schön einsam werden, und wirklich alles im Alleingang zu machen, braucht sehr viel Zeit." Dass der Mann aus Seattle ein Perfektionist ist, der mehrere Male bereits kurz davor stand, seinen Erstling als Solist fertigzustellen, nur um dann die Aufnahmen und Songs im letzten Moment wieder zu verwerfen, ist nicht der einzige Grund für die endlose Anlaufzeit. Schließlich haben Auer und sein Posies-Partner Ken Stringfellow inzwischen eingesehen, dass die Band stärker ist als sie, und so folgten in den letzten Jahren zwei endlose Welttourneen und das 2005er Album "Every Kind Of Light". Auch das Comeback-Album von Big Star ("In Space"), an dem Auer maßgeblich mitwirkte, verzögerte die Veröffentlichung von "Songs From The Year Of Our Demise" weiter.

Allerdings war bei diesem Album nur wenig normal. "Viele der Aufnahmen entstanden zu den unmöglichsten Tageszeiten", erzählt Auer. "Ich hatte ein Studio, in dem ich, wenn ich vollkommene Ruhe wollte, praktisch nur nachts arbeiten konnte, weil es in einem Gebäudekomplex lag, in dem auch andere Musiker arbeiteten. Ich habe oft die ganze Nacht durchgemacht, einmal sogar jede Nacht für zwei Monate am Stück. Ich kam immer dann nach Hause, wenn meine Frau sich gerade für die Arbeit fertig machte, und konnte mir jeden Morgen den Sonnenaufgang anschauen! Nach einer Weile macht dich das allerdings völlig irre. Wirklich! Das hatte ohne Zweifel auch seinen Einfluss auf das, was ich machte. Ich habe angefangen und mich völlig verrannt. Dann fand ich aber letzten Endes meinen Rhythmus, wusste, was ich tat und wo ich hin musste und was passieren musste. Als ich endlich angekommen war, hängte ich gleich noch die Mastering-Session dran, obwohl ich zu dem Zeitpunkt schon 48 Stunden ununterbrochen auf den Beinen gewesen war. Also blieb ich weitere 40 Stunden wach, ohne fremde Hilfsmittel, ohne Drogen oder sonst was, da lasse ich inzwischen die Finger von, und es war so ein... das ist wirklich schwer zu beschreiben... Ich möchte mir nicht selbst auf die Schulter klopfen, aber es war schon ziemlich sensationell, wie hart ich an der Platte gearbeitet habe."

Jon Auer
Hart gearbeitet mag er wirklich haben, allerdings verschlang die Platte von der ersten Idee bis zur Veröffentlichung trotzdem rund sechs (!) Jahre... "Ich weiß, dass es für die Menschen außerhalb meines direkten Umfeldes schwer zu verstehen ist, was ich mit all der Zeit gemacht habe. Aber ich habe sie nicht verschwendet, ich habe gearbeitet, und ich finde, das Ergebnis ist schon etwas ganz Besonderes. Das Schwierigste war, die Songs fertigzustellen, die schon eine lange Zeit existierten. Deshalb hat es mich zum Beispiel besonders glücklich gemacht, dass ich eine Nummer wie 'Josephine', die eigentlich schon seit Ewigkeiten existierte, endlich fertig bekommen habe. Einige der besten Songs auf der Platte entstanden allerdings ganz schnell zum Schluss. Je näher ich der Ziellinie kam, desto mehr neue Songs schrieb ich, und plötzlich war die Hälfte der Platte anders als ursprünglich geplant!"

Herausgekommen ist dabei eine Platte, die einige Posies-Fans ziemlich überraschen und Freunde akribisch inszenierter Popsongs mit zeitlosem, fast durchgängig melancholischem Flair ebenso ansprechen dürfte. Auf "Songs From The Year Of Our Demise" präsentiert sich Auer als gereifter Singer / Songwriter, der erstmals sein Seelenleben auch in den Texten seiner Songs offenbart und sich musikalisch - wenn überhaupt - an den sanfteren Momenten der Posies orientiert und mit einer Vielzahl von balladesken Songs neue Ausdrucksformen sucht.

Eine neue Erfahrung ist auch die Solotournee, die Auer am 29.11. nach Hamburg (Grüner Jäger) und am 30.11. nach Münster (Gleis 22) führen wird. Zwar hat er als Solist schon in Spanien und Großbritannien gespielt, trotzdem sieht er die kommende Gastspielreise schon als etwas Neues. "In Spanien habe ich 2002 als Solist mit meiner Band gespielt. Das lief besser als erwartet. Es ist bizarr, dass ich nach Madrid kommen kann und 400 Fans bei den Konzerten sind. In Murcia war es das Gleiche. Es war völlig verrückt. In der ganzen Stadt gab es 'Solo Jon'-Poster, die Leute drehten völlig durch, und nachher hatten wir 50 Menschen in unserer Garderobe. Wir haben damals 14 Shows in 15 Tagen gespielt, Geld verdient, eine großartige Zeit gehabt und vor 40 bis zu 3 000 Zuschauern (bei einem Festival) gespielt. Es ist einfach schön, dass es Orte gibt, an denen es einfach funktioniert. Dieses Mal werde ich ganz alleine touren, und ich freue mich sehr darauf. Einfach ins Auto oder Flugzeug setzen, ganz auf mich alleine gestellt. In den Staaten habe ich damit einige Erfahrung, aber hier in Europa ist es Neuland für mich!"

Weitere Infos:
www.jonauer.com
www.myspace.com/jonauermusic
www.theposies.net
www.myspace.com/theposies
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigabe-
Jon Auer
Aktueller Tonträger:
Songs From The Year Of Our Demise
(DevilDuck/Indigo)
 

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