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25.05.2007
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THE ACADEMY IS...

Malen nach Tönen

The Academy Is...
Im Prinzip legen The Academy Is... mit ihrem zweiten Longplayer "Santi" eine spritzige, abwechslungsreiche Britpop-Scheibe vor. Es gibt eine Reihe energischer Up-Tempo-Songs, deren Sound sich am Besten der Inselmusik orientiert - mit Referenzen zu Punk, Glam-Rock und klassischem Gitarrenpop. Das Problem ist dann das Kleingedruckte: Das Quartett um den charismatischen Sänger William Beckett kommt nämlich aus Chicago. Sind The Academy Is... also so etwas wie die Buckinghams des 21. Jahrhunderts - die US-Variante des aktuellen Britpop?

"Ja, das ist schon eine ganz gute Einordnung", meint Mike Carden, seines Zeichens einer der beiden Gitarristen und neben William der kreative Motor der Band, "die Sache ist die: Die ersten Sachen, auf die mich mein Vater musikalisch aufmerksam machte, waren englische Band wie die Beatles, Pink Floyd und Led Zeppelin. Erst später interessierte ich mich für die Grunge-Bands, die damals aktuell waren - Nirvana, Weezer und die Pumpkins. Letztere kommen ja, wie ich, aus Chicago und waren dort riesig und wichtig. Danach kam ich wieder zur britischen Musik zurück, zu Bands wie U2, The Clash oder The Jam. Für mich ist es also ziemlich natürlich, mich von englischer Musik beeinflusst zu fühlen. Und ich stimme dir auch zu, dass der Sound unserer Scheibe - insbesondere jener der Gitarren - mehr der englischen Schule entstammt als der amerikanischen." Geht das vielleicht sogar so weit, dass bestimmte Musikstile direkt zitiert werden? Das Intro zu "Bulls In Brooklyn" klingt doch wie ein Hutlüpfen vor dem Glam-Rock, oder? "Das ist absolut richtig. Das ist eine Hommage an T-Rex. Wir spielen mit solchen Dingen, wollen unsere Songs so auflockern." Wie entstehen die Academy-Songs? "Auf der letzten Scheibe war das mehr so ein Ding von William und mir. Wir haben die Songs zusammen geschrieben und dann zusammen mit der Band eingespielt. Dieses Mal haben wir alle zusammen auf Tour Demos mit dem Programm 'Garageband' aufgenommen. Diese Demos haben wir dann zusammen bearbeitet und katalogisiert. Alles war von Anfang an ziemlich laut. Wir haben die Songs z.B. ohne Akustik-Gitarren geschrieben und ausprobiert."

Nun haben The Academy Is... ja zwei Gitarristen (die übrigens beide Michael heißen) - aber nicht die klassische Aufgabenteilung zwischen Lead- und Rhythmusgitarristen. Wie erarbeiten sie denn die ineinander greifenden Gitarrenparts, die sich nun auf der Scheibe finden? "Wir wechseln uns ab", erklärt Mike, "Michael spielt ein wenig spritziger als ich, worüber ich ziemlich froh bin. Vieles hat mit der Positionierung und den Texturen zu tun. Wir denken da in Akkorden und wie man diese miteinander kombinieren kann. Wir wollten aber nicht zu viel machen, weil wir immer die Live-Präsentation im Hinterkopf hatten. Es ist also eine Mischung aus Multitracking und spontanen Ideen. Wenn das Sinn macht." Und wie kommt dann Williams Gesang ins Spiel? "Meine Aufgabe in der Band betrachte ich so, dass ich die richtigen 'Landschaften' für Williams Gesang erschaffen muss", erklärt Mike, "also auch was seine Melodien und seine Textinhalte betrifft. Ich muss das dann unterstützen. Ich betrachte das immer so wie eine weiße Leinwand, die es zu füllen gilt. Nur eben nicht mit Farben, sondern mit Akkorden, Dynamiken, Melodien, Texturen usw. So funktioniert das ja eigentlich bei aller Musik. Es geht dabei um Spannung und Auflösung - und danach strebe ich. Und ich will es natürlich auch interessant gestalten. Wie z.B. mit Referenzen an den Glam Rock..." Dabei ist das Ergebnis, dass es fast nur Up-Tempo-Nummern auf "Santi" gibt. Vielleicht hat das auch mit dem Alter zu tun? The Academy Is... ist ja noch eine junge Band. "Ich denke nicht so viel über diese Dinge nach, aber ich denke, da stimme ich zu. Als Autor fängt man ja vielleicht auch mit kurzen Sätzen an, die dann immer länger werden und man lernt mit der Sprache umzugehen. So ist das in der Musik natürlich auch. Es geht da nicht um falsch oder richtig, sondern darum, seinen Stil zu finden."

Gehört dazu nicht auch die Namensgebung? Mike erklärt z.B., dass der Bandname nur aus rechtlichen Gründen das "Is..." hinten angehängt bekam und dass "Santi" ein ungeliebter alter Schulkumpel war, dessen Namen man heutzutage als bandinternen Kampfruf verwendet. Welche Funktion haben denn da Namen und Titel? "Das ist eine gute Frage", meint Michael, "wenn man eine Scheibe macht - fünf Mann in einer Band und der Produzent (Butch Walker) - dann hat jeder seine bestimmten Vorlieben. Was das Vergeben von Namen betrifft, so ist das das Letzte, was man als Künstler noch in der Hand hat, wenn man eine Scheibe macht - bevor diese an die Presse und die Öffentlichkeit herausgeht und dann in deren Besitz übergeht. Deswegen ist mir das besonders wichtig und den anderen auch. Und es ist wichtig, dass uns die Sachen etwas bedeuten. Als wir der Scheibe einen Namen geben mussten, fanden wir keinen Songtitel, der alles beinhaltet hatte - und so entschieden wir uns für diesen - für uns witzigen - Titel. Auch deswegen, weil der Tenor der Scheibe ansonsten eher düster und ernsthaft ist. Wir wollten damit auch ausdrücken, dass wir uns nicht ganz so ernst nehmen." Warum entschloss man sich eigentlich, die Scheibe überhaupt ernsthaft und düster zu machen? "Ich denke, das hat damit zu tun - und das ist mir wichtig, klarzustellen -, dass William seine Texte schon sehr ernst nimmt", führt Mike aus, "ich denke, er hat da schon seinen ganz eigenen Stil als Texter entwickelt und ich bin schon recht stolz auf das, was er macht. Eine Menge der Themen bekommen wir auf Tour mit. Das macht schon ziemlichen Spaß, aber es ist ja kein richtiges Leben. Als wir nach Hause kamen, haben wir über das Erlebte natürlich reflektiert - und ich denke, das spiegelt sich auch in den Texten wider. Man muss da auch ehrlich mit sich selbst sein, und das hat William ganz gut drauf. Aber ehrlich gesagt, diskutieren wir dann nicht weiter darüber. Aber wir bemühen uns um Abwechslung, wie z.B. bei dem 'Bull'-Song oder 'Chop Chop', damit es nicht zu heavy wird. Es ist eine Mischung aus Poesie und Handwerk - beides braucht man, um erfolgreich sein zu können. Nicht, dass ich jetzt wie ein Hippie rüberkommen will, aber das ist die Wellenlinie, auf der ich mit William kommunizieren kann. Wir sind uns da ziemlich ähnlich, haben da diese bestimmte Chemie. Deswegen brauchen wir auch nicht viel darüber zu reden."

The Academy Is...
Wenn Mike sagt, dass sich die Jungs beim Touren inspirieren lassen, dann ist "LAX To O'Hare" doch bestimmt ein Reise-Song, nicht? "Nun, wir sind aus Chicago - da liegt ja der O'Hare Flughafen", erzählt Mike, "und wir scheinen immer diesen Trip von Los Angeles nach Chicago zu machen. Das hat für mich fast schon etwas Metaphorisches. Egal wo du hin willst, du musst immer über LA fliegen. Der Song handelt natürlich vom Reisen. Was daran merkwürdig ist: Wir alle haben unsere Probleme mit dem Fliegen. Ohne bestimmte Gründe - es ist einfach so. Aber es gibt Momente, wo man einfach nicht fliegen möchte. Vielleicht handelt der Song auch davon, von unserer Flugangst?" Die CD ist ja von Butch Walker produziert, der sich besonders bei Indie-Bands einen Namen gemacht hat. Welchen Input hatte er denn? "Einen ziemlich großen", räumt Mike ein, "die Scheibe wurde nämlich ziemlich schnell, in 20 Tagen im Studio eingespielt. Den ersten Song, 'Same Blood', hatten wir z.B. in vier Stunden fertig und das hat dann die Messlatte gesetzt. Was Butch uns und mir beigebracht hat, ist, unseren Instinkten zu trauen und nicht zuviel über die technischen Aspekte nachzudenken. Was Butch z.B. gemacht hat, ist unsere Proben mitzuschneiden, und oft haben wir diese dann genommen, weil sie einfach besser, wirklicher klangen. Die Lektion, die wir - auch für das Leben - gelernt haben, ist, dass die eigenen, ursprünglichen Instinkte meistens richtig sind." Wohin möchten The Academy Is... denn in Zukunft musikalisch? "Wir haben keinen Masterplan", überlegt Mike, "als Gitarrist und Songwriter verstehe ich jetzt das Studio etwas besser - was das Mixen betrifft und so. Ich höre heutzutage mehr Musik als jemals zuvor. Und ich denke, dass wir musikalisch vieles haben, was uns inspiriert. Wir werden bestimmt ein neues Album machen und ich brenne auch schon darauf. Es ist ein natürlicher Prozess und wir werden sehen, was dabei heraus kommt."

Weitere Infos:
www.theacademyis.com
www.myspace.com/theacademyis
en.wikipedia.org/wiki/The_Academy_Is...
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
The Academy Is...
Aktueller Tonträger:
Santi
(Atlantic Records/Warner Music)
 

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