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09.07.2010
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DANTE

Episch trostarm

Dante
"Saturnine" spricht sich etwa "ßättörnein", hat aber mitnichten etwas mit Schlag Neun bei einem samstäglichen WM-Halbfinalspiel zu tun... Ein "saturnine smile" ist vielmehr laut Wörterbuch eine sardonische (höhnisch, hämisch, grimmig) mimische Angelegenheit, ProgMetal-Fans und vielen anderen anspruchsvollen Musikliebhabern aber sollte Dantes Zweitwerk dennoch die Mundwinkel dauerhaft in Richtung Ohrläppchen ziehen. Mit ihrem zweiten Album hat sich die deutsche Proghoffnung Dante selbst übertroffen. Band-Mitgründer, Hauptkomponist und Tastenhexer Markus Maichel gab eine Latein-Nachhilfestunde zum Thema "Saturnine"...

Warum dieser Albumtitel? Vermutlich wurdet ihr weder von den gleichnamigen Songs von Smashing Pumpkins, Electric Wizard, oder Polaris beeinflusst? "In der Tat haben uns die genannten Songs nicht inspiriert, ehrlich gesagt kannten wir die überhaupt nicht! Wir arbeiten gerne mit starken Bildern und 'schönen' Worten, und so wollten wir auch einen starken, poetischen, Aufmerksamkeit und Assoziationen weckenden Titel, der auch seiner Bedeutung nach zur Stimmung des Albums passt. So kamen wir dann eher zufällig auf 'Saturnine': Es klingt gut, ist prägnant aber nicht ganz alltäglich, passt zur Stimmung und hat mit seiner astrologisch-mythischen Herkunft eine sehr poetische Komponente."

Im Vergleich zum kraftstrotzenden "The Inner Circle" wirkt "Saturnine" tatsächlich recht düster. Eine faszinierende, aber auch trostarme Welt... "Das Album hat sich schlicht so entwickelt! Markus (Berger, Gitarre) und ich gehen das Songwriting praktisch immer ohne größere Vorgaben an, wir beginnen einfach, mal mit einer Melodie, mal mit einem Riff, und dann zeigt sich meist recht schnell, wohin die Reise im Song geht. Und das Schöne an progressiven Musikstilen ist ja, dass es prinzipiell erst mal überall hingehen kann! Wobei uns das 'nur Fröhliche' künstlerisch nicht so reizt und auch zur Musik nicht wirklich passen würde. Als wir dann ein paar Songs fertig hatten, hat sich gezeigt, dass die Stimmung dieser ersten Songs eher düster-melancholisch war, das hat sich schlicht so ergeben - und so war es dann. Wichtig ist uns aber, dass das Ganze ein künstlerischer Akt ist und keine Lebensbeichte oder so etwas."

Das Thema Decay / Verfall zieht sich sowohl durch einige Texte wie vor allem auch durch die Illustrationen des abermals starken Booklet-Artworks (von Sänger Alexander Göhs verantwortet). "Bei uns kommt zuerst das Songwriting, dann die Lyrics und erst dann der Rest, beispielsweise 'wie visualisieren wir das jetzt?'. Das ist vor allem die Aufgabe von Alex, der uns Vorschläge unterbreitet, über die wir dann beratschlagen. 'Decay' ist auch weniger programmatisch, es ist einfach nur so, dass das Melancholische sehr stark mit dem Vergänglichen zusammenhängt. Insofern lag es nahe, das Artwork entsprechend zu gestalten."

Bei "All My Life" kommt sogar "Words Decay" im Text vor... Hier findet sich übrigens nichts zu den wohlklingenden Streichern im Booklet - wirklich eine Keyboard-Konserve? "In der Tat wurden die Streicher nicht 'live' eingespielt, es ist aber auch keine Keyboard-Konserve. Wir arbeiten da mit sehr guter und hochwertiger Orchester-Software. Die kommt in der Zwischenzeit schon wirklich nahe an das Original ran, und ist einer 'richtigen' Aufnahme mit erschwinglichem, aber dann eben nur mäßigem Equipment (Instrumente, Mikrofone etc.) sicher zumindest klanglich mindestens ebenbürtig. Eine High-End Orchesteraufnahme ist für uns im Moment auch schlicht nicht zu realisieren, und ob man deren Feinheiten dann im Rock-Kontext überhaupt wahrnehmen könnte, ist überdies fraglich. Wir haben da zudem das Glück, dass Chris (Eichlinger, Schlagzeug) seit Jahren mit Orchestersoftware arbeitet und das wirklich drauf hat. Was 'All My Life' angeht, so ist hier das Vergängliche an Worten und ihr Nachhall etwas, das im textlichen Zusammenhang des Songs eine zentrale Rolle spielt, daher die exponierte Stellung in der Bridge.

"Drifting" - woher rührt hier die "maze of fear"? Ist das ein echter Flügel, den wir hier hören? "Ich bin ja eigentlich kein Fan davon, die eigenen Texte zu analysieren, im Idealfall sollten sie für jeden, der sich mit ihnen befasst, eine Bedeutung bekommen können. Deswegen mag ich auch keine Texte, die keinerlei Interpretationsspielraum lassen. 'Maze Of Fear' steht für so etwas wie Orientierungslosigkeit und Beklommenheit angesichts der eigenen Verunsicherung. Ursprünglich war 'Maze Of Fear' auch der Arbeitstitel des Songs, aber das wollten wir dann doch nicht so lassen, da uns das letztlich viel zu sehr nach den ganz gruseligen Metal-Klischees wie 'Theater of Pain' oder 'Wings Of Destiny' etc. klang. Auch hier kam übrigens Software zum Einsatz, in diesem Fall Ivory."

"Last" zeigt eine Kehrseite der Düsternis bei Stücken, die auch noch so heavy wie dieses sind: Mit dieser Koppelung könnte Dante theoretisch ganz neue Hörer- / Zielgruppen erreichen. Zufall oder Absicht? "Nein, das war kein kalkulierter Versuch, uns neue Hörer zu erschließen! 'Last' war der letzte Song, der noch auf das Album kam, und wir hatten zu diesem Zeitpunkt das Gefühl, dass die Platte bisher etwas zu 'soft' war. Grundsätzlich wollen wir einerseits möglichst gute Songs schreiben, die dann aber andererseits auch ein möglichst gutes und ausgewogenes Album ergeben sollen. Insofern haben wir dann von einem harten Riff ausgehend den Song geschrieben und das Tempo erst mal hochgehalten."

"Never Return" - Wer baut "golden cages of numb complacency"? Aufbau und Einsatz vom Gesang erinnert angenehm an Solitude Aeturnus. "Die 'golden cages' sind natürlich ein bisschen eine westliche Kulturkrankheit, beschreiben aber hier vor allem ein Gefühl. Wir wollen aber in keinster Weise eine politische oder sozialkritische Band sein, wir machen Musik um der Musik willen. Solitude Aeturnus kennt keiner von uns, das Riff samt Gesang hieß intern übrigens immer nur das 'Fates Warning-Riff'.

Diese Band kann nach Dream Theater klingen, nach Sylvan - und klingt doch immer nach sich selbst. Wen bezeichnen Mitglieder des Dante Inner Circle selbst als ihre Vorbilder? "Wenn wir die Schnittmenge der musikalischen Vorlieben der einzelnen Bandmitglieder bilden, so treffen wir uns wohl in etwa bei Dream Theater, Neal Morse und Pink Floyd. Markus (Berger) ist zudem großer Fan der klassischen Metal-Gitarre à la Iron Maiden und der Gitarren-Arbeit von David Gilmour, außerdem Fan von so unterschiedlichen Bands wie Cardigans, U2 oder auch Disturbed, Chris geht stark in Richtung Jazz / Fusion und Filmmusik, Alex kommt vom sehr harten Metal einerseits und vom Singer- / Songwriter-Stil andererseits, Michael (Neumeier, Bass) ist unser Vertreter des Classic Heavy Metal. Ich persönlich bin wohl der klassischste Prog-Fan in der Band, wenn ich persönliche Vorbilder nennen müsste wären das Neal Morse und Jordan Rudess."

"Maybe One Day" - Ist die Violine bei diesem wunderschönen Trostlied wirklich eine? Ist das Trostlied wirklich eines? "Nein, die Violine kommt auch hier von East West's Symphonic Orchestra. Und ja, ein wenig Hoffnung und Trost ist durchaus angelegt in dem Stück."

Abschließend: Was verbirgt sich hinter dem fast zwanzigminütigem Werk "Vanessa"? "Wir lieben Epics! Also wollten wir auf 'Saturnine' auch eines haben! Die Epics sind bei uns bisher auch die Ausnahme davon, dass wir ohne größere Vorüberlegungen arbeiten und erst die Musik machen. Hatten wir auf 'The Inner Circle' als Grundlage die gedichthaften Lyrics (im Wortsinne) von 'The Giving' und 'The Taking' als Ausgangspunkt, war es bei 'Vanessa' eine Geschichte, die uns Michael zugetragen hatte. Wir haben diese genommen und als Grundgerüst für den Songablauf genommen und die Lyrics und die Musik dann so gestaltet, dass, wer die Geschichte kennt (was nicht viele sind), sie durchaus nachvollziehen kann, sie aber auch ohne diesen konkreten Fall miterlebt und mitgefühlt werden kann.

Weitere Infos:
www.danteprog.de
www.myspace.com/danteprog
www.myspace.com/awgphotographs
Interview: -Klaus Reckert-
Foto: -Pressefreigabe-
Dante
Aktueller Tonträger:
Saturnine
(Progrock/H'art)
 

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