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09.09.2011
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DOWNPILOT

Allein auf der Insel

Downpilot
Als wir vor rund anderthalb Jahren zum letzten Mal mit Downpilot-Mastermind Paul Hiraga zusammentrafen, war der US-Singer/Songwriter, der seit Jahren mit schöner Regelmäßigkeit ausgezeichnete, tief emotionale, Americana-beseelte Platten auf dem deutschen Tapete-Label veröffentlicht und auf ausgedehnten Deutschland-Tourneen wundervolle Konzerte spielt, kurz davor, alles hinzuwerfen. Zum Glück hat sich Hiraga trotz einer völlig verkorksten Tour und eines unverständlicherweise abnehmenden Medienechos eines Besseren besonnen und veröffentlicht dieser Tage "New Great Lakes", seine bisher ruhigste und vielleicht auch schönste Platte, die einem echten Soloalbum näherkommt als all seine vorangegangenen Werke. Aufgenommen wurde das Album teilweise auf einer Insel unweit von Seattle, da mag man doch kaum an Zufall glauben, dass im Rahmen der kommenden Downpilot-Deutschland-Gastspielreise u.a. Konzerte auf Norderney und Sylt auf dem Programm stehen. Bei ausgewählten Shows der Tour sind dann auch wieder Drummer Lars Plogschtieß und Pedal-Steelerin Maggie Björklund mit auf der Bühne, doch bevor es so weit ist, stand uns Paul Rede und Antwort.

Gaesteliste.de: Während der für dich so enttäuschenden Tournee als Support von Sebastian Krumbiegel hast du angedeutet, dass du die Musik, zumindest aber die Konzertreisen in Deutschland und die Plattenveröffentlichungen hierzulande aufgeben willst. Wie kam es zum Sinneswandel?

Paul: Ich möchte nicht schlecht von Sebastian sprechen, denn er ist einer der nettesten Menschen, die man sich vorstellen kann, aber diese Tournee war wirklich hart. Die wenigen Leute, die die Konzerte überhaupt besucht haben, wollten nur ihn sehen. Der Opener, also ich, interessierte sie einen Scheiß, und das konnte ich auf der Bühne wirklich fühlen. Zudem war das Wetter saukalt und die wirtschaftliche Situation furchtbar. Als ich von der Tour nach Hause zurückkehrte, hatte ich wirklich das Gefühl, dass es das gewesen sein könnte. Das Musikbusiness ist ja in einem ziemlich desolaten Zustand, und ich war mir nicht sicher, ob ich diese Art von Stress und Enttäuschung wirklich weiter in meinem Leben haben wollte. Davon abgesehen liebe ich es immer noch, Musik aufzunehmen. Über die Jahre hat mein Interesse an der Studioarbeit zugenommen und ich kann einfach nicht damit aufhören. Also habe ich all die verstreuten Versatzstücke, die sich in den letzten zwei Jahren angesammelt hatten, zusammengesucht und mir letzten Sommer eine Woche gegeben, um herauszufinden, ob daraus ein weiteres Album werden könnte. Ich hatte das Gefühl, dass dem so war, also bat ich mein Label um eine Deadline, damit ich einen Ansporn hatte, es zu vollenden. Und hey, ich hab's getan!

Gaesteliste.de: Obwohl du in den letzten Jahren viel Zeit damit verbracht hast, dir ein eigenes Studio einzurichten, entstand das Gerüst der neuen Platte in der Abgeschiedenheit eines fremden Studios...

Paul: Das Studio, das ein Freund von mir auf der nahe gelegenen Insel Vashon besitzt, ist vollgestopft mit alten Keyboards, auf die alle neidisch sind. Ich wusste, dass ich die Aufnahmen für dieses Album am Klavier beginnen wollte, und sein alter Steinway-Flügel kam mir da gerade recht. Außerdem war es gut, dass ich den Grundstein für das Album abseits meines normalen Lebens und in einem dafür reservierten Zeitabschnitt legen konnte. Nach dieser Session habe ich den Rest dann in meinem Heimstudio, Toy Camera House, aufgenommen.

Gaesteliste.de: Obwohl deine vorherigen Platten keinesfalls als "happy rock music" zu klassifizieren sind, fällt die betont gedämpfte, leicht düstere Stimmung des neuen Albums dennoch sofort auf. Haben die Songs diese Richtung vorgegeben, oder schwebte dir eine solche Platte vor und du hast dafür gesorgt, dass die Songs dazu passen?

Paul: Ich wollte schon seit geraumer Zeit eine "Solo"-Platte machen. Ich dachte sogar daran, sie unter dem Namen Paul Hiraga und nicht als Downpilot zu veröffentlichen. Aber wo ist da noch der Unterschied? Downpilot ist ja praktisch seit dem zweiten Album ein Soloprojekt. Dennoch habe ich mit Absicht alles sehr intim und spartanisch gehalten. Das entsprach einfach meinem damaligen Gemütszustand.

Gaesteliste.de: Bei unserem letzten Interview hast du erwähnt, dass du keine Demos magst, weil man den ursprünglichen Funken später nie wieder einfangen kann. Sind die betont spartanisch gehaltenen neuen Songs also praktisch first takes?

Paul: Ja und nein, denn es ist letztlich schwieriger, eine gute Aufnahme hinzubekommen, wenn du so bloßgestellt bist, wenn du alleine spielst und die Rhythmik und Tiefe, für die gewöhnlich eine Band sorgt, alleine vermitteln willst. Bei Songs wie "Rustbelt" und "Rosebud Of The Plain" brauchte ich eine Zeit, um mich wirklich einzufinden. Der Song "New Great Lakes" dagegen war wie eine göttliche Eingebung. Ich wachte auf, ging zum Piano, und der Song floss mir einfach aus den Händen. Manchmal, wenn das Gefühl, das du vermitteln willst, klar ist, entsteht die Musik auf ganz einfache Weise. Nach ein, zwei Durchläufen hatte ich das Arrangement ausgetüftelt, drückte "Aufnahme" und fertig war das Stück. Das sind die Momente, für die du als Songwriter lebst. "So I'll Try" habe ich eigentlich nur gespielt, weil ich ein neues Mikrofon ausprobieren wollte, doch als ich mir die Aufnahme anhörte, wusste ich, dass es besser nicht geht! Akustikgitarre und Stimme bei diesem Track sind first take, aufgenommen mit einem einzigen Mikro.

Gaesteliste.de: Geografische Referenzen in deinen Texten sind kein Neuland für dich, dennoch häufen sich mit "New Great Lakes", "NY Storms" und "Rustbelt" auf dem neuen Album die Anspielungen und Bezugnahmen auf eine sehr bestimmte Region in den USA...

Paul: Es besteht in der Tat eine wenngleich lose Verbindung zwischen diesen Songs. Ich stamme ursprünglich aus Michigan und habe dann jahrelang in Minneapolis gelebt, meine Wurzeln habe ich also in der Great Lakes-Region. Der südliche Teil von Michigan grenzt ja an die östlichen Ausläufer des Mittelwestens, oft auch Rustbelt genannt. Ich denke, dieses Album ist eine kleine Rückschau für mich, ich hatte das Gefühl, dass die Verbindung mit den Menschen und Orten meiner Vergangenheit neu auflebte.

Weitere Infos:
www.downpilot.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carrie Robinson-
Downpilot
Aktueller Tonträger:
New Great Lakes
(Tapete Records/Universal)
 

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