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04.10.2011
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SUBSIGNAL

Sisyphus und die Probsteine

Subsignal
Vom Claudius zum Paulus: Als alter Sieges Even-Fan litt unsereiner wohl immer noch an der Band-Auflösung und stellte bei den Produkten der Nachfolgeformation von Arno Menses (voc) und Dr. Markus Steffen (guit) unpassende bis unfaire Vergleiche an. Zeit, all das zu revidieren. Anlass gibt die umwerfend frische, melodische und aktuell stark betourte neue Scheibe "Touchstones" und natürlich das folgende Gespräch mit Markus.

Der gleich einmal gefragt wird, was für ein Doktor er denn ist... "Ich lege nicht wirklich Wert auf die Titelführung... Aber alle anderen finden das wohl sehr lustig und vor allem unser Manager legt Wert darauf, dass der Dr. wenn möglich genannt wird. Ich habe in Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt Mittelalter promoviert. Nebenfach war Musikwissenschaft."

Der Vorgänger "Beautiful And Monstrous" wirkte teilweise wie eine Reduktion des Subsignals auf die 'lieblicheren', AORigen Elemente. Obwohl es weiterhin reichlich starke Melodien auf dem aktuellen Album gibt (vielleicht sogar mehr als vorher), obwohl Arno schon beim Opener mit klassischem Koloraturgesang spielt, wirkt alles dennoch straff und kraftvoll. Woran könnten diese unterschiedlichen Eindrücke liegen? "Eine Entwicklung nachzuvollziehen und das Warum oder Woher zu erklären, ist in der Tat nicht leicht. Zumal wir nach der 'Beautiful' eigentlich nur ein erklärtes Ziel hatte, nämlich ein kurzes, knackiges Album zu schreiben. Ich denke, da haben wir vollkommen versagt" (lacht) "Der große Unterschied zum ersten Album ist wohl, dass wir durch das Touren zu einer richtigen Band gewachsen sind, wir uns jetzt also viel besser kennen und unsere Stärken bündeln konnten. Wenn du dir beispielsweise Roels Arrangements (Roel van Helden, drms; u.a. Sun Caged) anhörst, merkst du einen gewaltigen Unterschied. Sie sind um einiges offensiver und selbstbewusster. Auch David (Bertok, keyb; u.a. Dreamscape) konnte sich viel mehr - sowohl textlich als auch musikalisch - einbringen. Insgesamt aber war das Gesamtkonzept und die Art und Weise, wie die Songs auf 'Touchstones' jetzt klingen, nicht voraus geplant."

Beim Vorgänger war (ganz subjektiv) ein gefühltes Übergewicht an "quietschigen" Keyboard-Sounds aufgefallen. Hat sich hier etwas geändert? In Davids Spiel oder Equipment/Sounds? Oder im Mix? "Das kann ich nicht nachvollziehen. Aber vielleicht liegt es eben daran, dass David jetzt sehr viel eigenständiger agieren konnte. Auf der ersten Scheibe war ja zu Davids Bandeintritt eigentlich schon das komplette Material ausgearbeitet. Für ihn war es sicherlich anfangs nicht einfach: Kurz vor Produktionsbeginn in eine Band kommen und kaum noch Einfluss auf das Songmaterial ausüben können, sind für einen kreativen Geist wie David sicherlich nicht die idealsten Voraussetzungen. Aber wie gesagt: Jetzt können wir uns als Band fühlen und nicht als Two-Man-Show."

Apropos Mix: Den hat abermals Kristian "Kohle" Kohlmannslehner übernommen. Die Referenzen seines Kohlekeller Studios liegen ja sonst mehr im Metal-Bereich (aktuell etwa Traitor Like Judas, Powerwolf, Asaro, Orphan Hate, ...). Warum also diese langjährige Zusammenarbeit? "Wir kennen Kohle ja schon seit der letzten Sieges Even-Studioarbeit 'Paramount'. Von daher wissen wir also, dass er einen sehr weiten und offenen Horizont hat. Und natürlich wollen wir auch nicht nach Weichspüler klingen. Natürlich: Wir haben sehr melodische Parts, AOR-Einflüsse, Harmoniegesänge und dergleichen. Aber ein gewisses Maß an Härte ist eine wichtige Klangfarbe in unseren Songs."

Die Produktion lag diesmal in den Händen von unserem Gesprächspartner, von Arno und David - warum? "Weil wir künstlerisch genau wussten, in welche Richtung das Album gehen sollte. Wir haben ja auch in unterschiedlichen Studios aufgenommen - da wollten wir einfach auch die Koordination zusammen und gebündelt übernehmen. "

Thema Wandel: Sieges Even hatte zuletzt auf InsideOut/SPV veröffentlicht. Subsignal erscheint auf Goldencore/Zyx. Wie kam nun solche Wandlung und welche Vor- und Nachteile ergeben sich? "Bislang sehe ich nur Vorteile. Das, was Zyx momentan für uns machen und das Engagement, das beispielsweise unser zuständiger A&R an den Tag legt, gab es bei InsideOut definitiv nicht. Sieges Even waren eine Bands von vielen, und von der Firmenleitung nicht einmal sonderlich geschätzt. Das ist keine gute Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Bei Zyx sind wir die einzige Band, die im weitesten Sinne progressive Musik macht. Wir sind also Neuland für sie, aber das finde ich, ehrlich gesagt, erfrischend."

Wandel No. 2 - Markus war Gitarrist der deutschen Prog-Legende Sieges Even. Für deren Comeback nach einer von 1999-2004 währenden Pause stieß (nach einem kurzfristigen Versuch mit André Matos; Ex-Angra) Arno (Menses) zur Band. Obwohl Besetzungswechsel bei Sieges E. die Regel waren, gab es erst einen neuen Namen (Val'Paraiso) und danach wurde zur Sieges-Marke zurück gewechselt. 2007 wurde dann wohl endgültig, mit der Marke gebrochen und Subsignal ausgerufen. Warum? Welche Vor- und Nachteile hat es, einen "großen Namen" zu tragen - mit allem an Fanbase, aber auch Erwartungshaltungen, das daran hängt? "2007 wurden die persönlichen Schwierigkeiten zwischen den Holzwarth-Brüdern auf der einen und Arno und mir auf der anderen Seite zu massiv. Es hätte keinen Sinn gemacht, die Band weiter künstlich am Leben zu halten. Das war zwar schade, da wir mit Sieges Even damals gerade auf einem guten Weg waren, aber letztlich war es für alle Beteiligten das Beste. Subsignal hatten Arno und ich ja schon vor dem Split ins Leben gerufen, allerdings mit der Zielsetzung, dieses Projekt als Spielwiese für Songs zu nutzen, die nicht in den Sieges Even-Kontext gepasst haben. Aber nach der Trennung war es für uns beide klar, dass wir das als vollwertige Band weiterführen wollen. Subsignal hat also nichts direkt mit dem Split zu tun. Was den 'großen' Namen angeht: Einerseits öffnet uns das schon einige Türen, andererseits nervt es langsam, ständig Sieges Even als Referenz in den Reviews lesen zu müssen. Aber ich verstehe das natürlich. Wir haben lange in dieser Band gespielt (ich war ja Gründungsmitglied) und auch einiges erreicht. Wenn allerdings jemand mit der Erwartungshaltung, ein zweites Sieges Even zu bekommen, an Subsignal herangeht, wird sicherlich enttäuscht werden."

Die Subsignal-Besetzung hätte sich auf dem ProgPower Europe-Festival 2007 zusammengerauft haben können. Jedenfalls treiben sich Sun Caged dort immer rum und Dreamscape spielten im selben Billing wie Sieges Even. Gibt es da einen Zusammenhang oder kannten sich alle schon vorher? "Klar, Ralf und Dave kannten wir von der 'Paramount'-Tour. Dreamscape haben ja die komplette Tour im Vorprogramm gespielt. Von daher wussten wir, dass die beiden menschlich und musikalisch zu uns passen würden. Aber Roel hatte sich bei uns über unsere (jetzt nicht mehr existente) MySpace-Seite beworben."

Arno und Roel sind Niederländer. Der kleinere westliche Nachbar scheint fast eine teils größere, zumindest aber aktivere Prog-Szene als wir zu haben... "Das kann ich schlecht beurteilen. Aber es gibt in Holland definitiv zahlreich leidenschaftlich Progfans und Musiker. Wir haben dort eigentlich immer nur positive Erfahrungen gemacht. Umso mehr freut es mich, dass wir Ende September wieder auf dem Progpower Europe in Barloo spielen konnten." Wie lassen sich Proben und Auftritte bei der räumlichen Entfernung und den teils konkurrierenden Jobs organisieren? "Wir proben eigentlich nur vor einer Tournee. Vor der jetzt startenden Tour werden wir einen Tag in Mannheim proben. Aber viel mehr ist nicht möglich. Die Songs muss ohnehin jeder beherrschen. Das, auf was es beim Livespielen ankommt, lässt sich in einer Probensituation ohnehin kaum simulieren. Auftritte und Tourneen sind kein Problem. Wir treffen uns irgendwo zentral und starten dann von dort. Terminkollisionen gab es bislang keine."

Wer bei Subsignal kann nur von Musik leben und wovon leben die anderen? "Roel, Dave und ich verdienen unseren Lebensunterhalt mit dem Unterrichten. Ralf und Arno haben noch 'normale' Jobs. Es ist heutzutage kaum noch möglich, alle Bandmitglieder durch eine Band zu ernähren. Aber man sollte das nicht zu negativ sehen. Ich profitiere durch die Erfahrungen und den Ruf, den ich mir mittels einer Band wie Subsignal erspielen kann. Und ich habe viele Schüler, die nur aufgrund der Band überhaupt auf mich gekommen sind. Ich sehe das als Einheit."

Wie steht es um die "Touchstones"-Tour? Ist Subsignal bei allen Live Dates Headliner? Wer macht Support, wie wurden die Bands ausgesucht und wird "Pay to play" praktiziert? "Die meisten Shows sind Headlinershows, und dann gibt es noch die drei Festivals (Generation Prog, ProgPower Europe, Progressive Promotion Festival). Support wird die italienische Band Soul Secret sein. Arno hat einen Song auf ihrem neuen Album eingesungen. Und ja: Das ist eine Buy On-Geschichte, allerdings im Rahmen. D.h. die Band bekommt auch etwas für ihr Geld: Catering, Equipment, unseren FOH-Techniker etc. Es ist also nicht so, dass die uns Geld reinstecken, nur damit sie spielen dürfen."

Wie war es, mit Jane zu touren? Welche Jane-Splittergruppe war das? Auf welchen Support-Slot bist du selbst am meisten stolz? Saga? Journey? "Jane waren extrem nett und zuvorkommend. Sie haben uns alle Freiheiten gelassen. Es war die Jane-Version um Charly Maucher und Klaus Walz. Sie haben natürlich auch jeden Abend ordentlich Leute gezogen, die uns überhaupt nicht kannten, was für uns hervorragend war. Stolz war ich sowohl über den Saga als auch den Journey Slot, wobei ich aber sagen muss, dass wir auf der Saga-Tour einen wesentlich größeren Erfolg (ablesbar in CD-Verkäufen und Merchandise) verbuchen konnten. Journey war selbstverständlich eine tolle Erfahrung, und Neal Schon mal die Hand schütteln zu dürfen, war schon Erlebnis genug."

Was für Probsteine sind die Touchstones aus dem Titelsong? Hat das Album einen roten Faden (Konzept)? "Zunächst: 'Touchstones' ist kein Konzeptalbum. Der Titelsong greift das antike Sisyphus-Motiv auf, was auch das Cover von Thomas Ewerhard vermitteln will. Die Prüfsteine, um die es geht, sind - vereinfacht gesprochen - die Steine, die wir im täglichen Leben wälzen müssen, die tägliche Konfrontation mit den Absurditäten unseres Daseins. Aber auch das Streben nach dem Höchsten, dem Besten - ohne sich die Frage nach dem Warum zu stellen."

Ist das eine echte Oboe eingangs vom Titelstück? Dieser herrliche Part, bis zum Einsatz des O.S.I.-Riffs, könnte auch auf einem Eleni Karaindrou-Album stehen... "Ja, die Oboe ist echt und von einer Freundin von mir, Katarina Grubic, eingespielt worden. Das Intro und die darin vorkommenden Themen sind wichtig für den Song und halten ihn zusammen. Das Thema des Anfangs taucht übrigens in dem ruhigen Endteil nochmals auf, und Die Hard-Sieges Even-Fans können im Text einige Verweise auf das 'A Sense of Change'-Album aus dem Jahr 1991 entdecken."

"Finisterre" kennt u.a. wunderschön filigrane Akustik-Gitarrenparts. Arno kann ohnehin in Richtung Jon Anderson klingen, wenn er das will. Was hält der Subsignal-Gitarrist von Steve Howe (dem Yes-Gitarristen)? "Steve Howe ist ein großartiger Gitarrist. Mir gefällt er vor allem auf der E-Gitarre. Seine klassischen Sachen - ich habe da eine DVD von ihm - gefallen mir allerdings nicht ganz so gut. Was die akustische/klassische Gitarre angeht, bin ich eher von Leuten wie Julian Bream beeinflusst."

Nach den Loops, mit denen "Feeding Utopia" anfängt, mischt sich fettes Riffing, das auch von Fates Warning stammen könnte, mit viel Yes-Flair. Was hältst du von Fates Warning, was vom aktuellen Arch/Matheos-Opus? "Ich bin mit den alten Fates Warning-Sachen groß geworden. Die Ära mit John Arch war fabelhaft, dann habe ich ein wenig das Interesse verloren. Klar ist die Band toll, aber das Besondere waren die Scheiben bis 'Awaken The Guardian'. Deshalb war ich sehr neugierig auf die Arch/Matheos-CD. Leider hat sie bislang bei mir noch nicht gezündet - und ich kann den ganzen Hype um die Platte noch nicht ganz nachvollziehen. Aber vielleicht brauche ich einfach noch ein paar Durchgänge, denn gespielt ist das Ganze natürlich fabelhaft."

Vorab war zu erfahren, dass die schöne Frauenstimme, die dem ja ansonsten recht heftigen "The Lifespan Of A Glimpse" spannende Kontraste verleiht, Isabel Flössel gehört. Wie ist hier die Verbindung? "Isabel ist eine Freundin von Arno. Sie ist ja eher in der Musicalszene zuhause. Arno hatte sie einmal live gesehen und war von ihrer Präsenz und Power beeindruckt, so dass er sie spontan eingeladen hat, auf 'Lifespan' zu singen. Und ich finde, sie hat das ganz hervorragend gemacht. Sie wird übrigens die anstehenden Tour begleiten, natürlich den Song mit Arno performen und auch einige Backing Vocals beitragen!"

Embers Part 1 ist eine wundervoll traurige Piano-Ballade. Wird Part 2 für ein Folgealbum zurück gehalten? Sind die Streicher echt? Die sehr leise gemischten Vocal Samples zu Beginn auf dem linken Kanal sind kaum zu verstehen - gehört das so? "Ja, 'Embers' soll auf den nächsten Alben fortgesetzt werden. Und irgendwann werden wir die Teile dann zusammen live aufführen - so jedenfalls der Plan. Das Streichertrio ist übrigens echt! Ich habe es geschrieben, Dave hat es dann mit einigen Musikerinnen in München aufgenommen. Ja, die Vocal-Samples sollen so undeutlich sein. Aber die Stimme wiederholt ständig: Your Secret Is Safe With Me."

Weitere Infos:
www.subsignalband.com
de.wikipedia.org/wiki/Subsignal
de.wikipedia.org/wiki/Sieges_Even
www.markussteffen.com
www.myspace.com/arno_01
www.myspace.com/davidbertok
www.roelvanhelden.com
www.dreamscape.de
www.kohlekeller.de
www.soulsecret.net
Interview: -Klaus Reckert-
Foto: -Stephan Lagerwisch-
Subsignal
Aktueller Tonträger:
Touchstones
(Golden Core/Zyx)
 

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