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01.06.2012
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SIGUR ROS

Spiel mit der Zeit

Sigur Ros
Dass in Island die Uhren und die Köpfe anders ticken als anderswo, sollte nicht nur durch die Musik von Sigur Ros bekannt sein. Man muss wohl dort leben, um diese melancholischen, zum Sterben schöne Lieder kreieren zu können. Oder sich einfach mal keine Grenzen setzen. Das kann auch mal die zeitliche Einheit betreffen, denn immerhin sind satte vier Jahre zwischen dem neuen Werk "Valtari" und dem Vorgänger "Með Suð I Eyrum Við Spilum Endalaust" vergangen. Zeit, darüber zu reden.

"Zusammen Musik zu machen und Platten aufzunehmen, ist uns nie schwergefallen", sagt Keyboarder Kjarri beim Treffen mit Gaesteliste.de. "Was es manchmal schwer macht, ist all der ganze andere Scheiß um uns herum, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, der uns aber bisweilen langweilt." Auch wenn die Auszeit letztlich nicht von allzu langer Dauer war - zwischenzeitlich schwang in den Ankündigungen der Band doch etwas Endgültiges mit. So machte irgendwann die Nachricht die Runde, die Band hätte nach den abgebrochenen Sessions des Frühjahrs 2009 ihr Studio, respektive ihren Proberaum verkauft, womöglich, weil die vier dachten: Vielleicht brauchen wir es nie wieder? "Nein, so dramatisch war das alles nicht", dämpft Kjarri, und Drummer Orri ergänzt: "Es ist ein großes Studio mit jeder Menge gutem Equipment und verlangte einfach danach, wie ein kommerzielles Geschäft geführt zu werden. Wir haben das nicht getan, unser Handling war schlicht und ergreifend nicht richtig." Trotzdem blieb das Studio sozusagen in der Familie. Kjarri und der langjährige Tontechniker der Band, Bigir Jon Birgisson, erwarben das Studio und machen es nun auch in Zeiten nutzbar, in denen Sigur Rós es nicht selbst benötigen - und das offenbar erfolgreich, denn als gälte es, seine geschäftlichen Interessen zu unterstreichen, beugt sich der Keyboarder über unser Aufnahmegerät und sagt lachend: "Die Preise sind... Unsere Telefonummer lautet..."

Rückblickend sind Sigur Ros froh, sich die Pause gegönnt zu haben. Entstanden ist so eine Platte, die vollkommen anders klingt als ihre beiden Vorgänger. "'Takk...' und 'Með Suð I Eyrum Við Spilum Endalaust' waren ziemlich üppig, eine weitere Platte in dieser Art zu machen, wäre womöglich langweilig geworden oder zumindest nicht besonders interessant", sagt Orri. Als sich die Band letztes Jahr dem 2009 entstandenen Material erneut zuwandte und es zu den Songs ausarbeitete, die nun auf "Valtari" erscheinen, konnte sie dies mit neuem Elan und mit dem Abstand tun, der zuvor einfach gefehlt hatte. "Hätten wir die Pause nicht eingelegt, wäre sicherlich eine völlig andere Platte dabei herausgekommen", ist sich Orri sicher, und Kjarri ergänzt: "Es war ein Riesenspaß, diese neue Platte aufzunehmen. In der Vergangenheit haben wir zumeist sehr intensiv ein Jahr lang an einer Platte gearbeitet, dieses Mal gab es viele Pausen, nach ein paar Wochen Arbeit haben wir uns immer mal wieder zwei Monate Pause gegönnt."

Doch nicht nur der Zeitrahmen war dieses Mal ein anderer. Anstatt die Stücke auf gemeinsamen Ideen aus Jam-Sessions aufzubauen, sorgten dieses Mal einzelne Parts, eine Gitarrenspur, eine Piano-Figur für die Initialzündung. Mehr als je zuvor nahm dieses Mal das Nachbearbeiten eine wichtige Rolle ein. "Die Platte hat sich bis zum letzten Moment immer wieder verändert", verrät Orri. "Selbst während des finalen Mixings haben wir noch Sachen hinzugefügt." Während manch andere Band durchaus Probleme damit hat, den Schritt vom manuellen Musikmachen zur Arbeit am Computer zu vollziehen, war dies für Sigur Ros nie ein Problem. "Ich habe noch nie verstanden, was es mit der Kategorisierung in akustische und elektronische Instrumente auf sich hat", gesteht Orri. "Letztlich ist es doch völlig egal, ob du für deine Musik Strom oder Saiten und Felle benutzt. Dieses Mal sind zum Beispiel auch oft iPad und sogar iPhone zum Einsatz gekommen."

Sigur Ros
Keine Frage, auch dieses Mal sind Sigur Ros der Konkurrenz (mindestens) eine Nasenspitze voraus. Deshalb abschließend die Frage, ob die Musiker denn des Öfteren Musik in Funk und Fernsehen hören, die offensichtlich von Sigur Ros beeinflusst wurde. "Manchmal sehe ich Werbung im Fernsehen, deren Untermalung wie ein kompletter Rip-off unserer Musik klingt", sagt Orri. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Absicht ist. Ich finde das ehrlich gesagt ziemlich witzig, vor allem, weil es meistens ziemlich schlecht gemacht ist." Er hält einen Moment inne, grinst und sagt dann: "Wenn ich es mir genau überlege, ist es eigentlich sogar immer schlecht gemacht!"

Weitere Infos:
www.sigur-ros.co.uk
www.emimusic.de/sigurros
www.facebook.com/sigurros
twitter.com/#!/sigurros
Interview: -Martin Nowak-
Fotos: -Pressefreigaben-
Sigur Ros
Aktueller Tonträger:
Valtari
(Parlophone/EMI)
 

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