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18.07.2014
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LARKIN POE

Tote Elefanten mit brennenden Kronen

Larkin Poe
Auch wenn sie - wie z.B. jetzt beim Glastonbury Festival - immer noch hin und wieder als "beste Newcomer" gefeiert werden: So richtig neu sind Rebecca und Megan Lovell alias Larkin Poe nicht im Geschäft. Bereits als Teenager machten die Damen - zusammen mit ihrer älteren Schwester Jessica, die sich zwischenzeitlich ins Privatleben zurückgezogen hat - als Lovell Sisters insbesondere in Bluegrass-Kreisen auf sich aufmerksam. Nach dem Ausscheiden von Jessica beschlossen Rebecca und Megan unter dem Namen Larkin Poe weiter zu machen. Larkin Poe ist dabei der Name eines rührigen Vorfahren, der gar ein Verwandter von Edgar Allan Poe war.

Unter diesem Namen veröffentlichten Rebecca und Megan fünf eigene EPs und diverse Kollaborationen - etwa mit dem Norweger Thom Hell und dem Briten Blair Dunlop und tourten regelmäßig. Das führte dazu, dass Elvis Costello auf die Gesangskünste der Lovell Sisters aufmerksam wurde, und Larkin Poe als Tourband engagierte. Eine Verbindung, die bis heute besteht - gerade eben erst spielte Costello mit Larkin Poe in den Londoner Kew Gardens.

Kurzum: Als nun die erste "ordentliche" Full-Length Debüt-CD mit Namen "Kin" (was ein weiterer Hinweis auf die Familienverbundenheit der Mädels ist) erschien, hatten Larkin Poe bereits mehr veröffentlicht und erlebt als manche Band in ihrer ganzen Karriere. Wie fühlt man sich denn da? "Nun, das Ganze haben wir natürlich schon absichtlich so gemacht", erklärt Megan, "alle diese EPs (mit insgesamt über 50 Tracks) dienten dazu, uns auf die LP vorzubereiten." - "Im Studio aufzunehmen ist ja eine Kunst für sich", ergänzt Rebecca, "man muss erst lernen, sich im Studio auszudrücken, um dort in der Art performen zu können, wie man es auf der Bühne tut - was unser Ziel war. Das ist eine große Herausforderung. Ein Kritikpunkt an unserer CD und auch den EPs ist der, dass diese etwas zu glatt erscheine. Das ist aber genau das, womit wir auch kämpfen. Wir haben also immer und immer wieder im Studio aufgenommen - einfach um besser und besser zu werden." Nun gut - dennoch sollte darauf hingewiesen werden, dass das Album "Kin" einen ganz anderen Ansatz verfolgt, als die akustischen Bluegrass-Alben der Lovell Sisters und der Folkpop, der sich - unter anderem - auf den EPs und Kollaborationen wieder findet. Unter anderem verzichten Larkin Poe heutzutage auf einen zweiten Gitarristen (Rebecca übernimmt diesen Part als Ergänzung der Lapsteel-Arbeit von Megan) und sogar elektronische Elemente finden sich.

Die Mehrzahl der Tracks wurde in L.A. unter der Regie von Produzent Chris Seefried eingespielt, der vorher u.a. mit Lana Del Rey zusammen arbeitete. Gehört das auch zu dem o.a Lernprozess? "Ja - das hatte aber vor allen Dingen logistische Gründe", erklärt Rebecca, "für uns wäre es eher wichtig gewesen, das Ganze in Atlanta aufnehmen zu können - es war nur so, dass der Produzent, den wir uns ausgesucht hatten, seine Basis in L.A. hatte und es finanziell sinnvoller war, dort zu arbeiten. Wir hatten aber auch die Gelegenheit, zumindest vier der Songs ("Elephant", "We Intertwine", "High Horse" and "Dandelion") in unserer Nachbarschaft aufzunehmen. Ich denke, man kann auch den Unterschied heraushören. In L.A. aufzunehmen war natürlich eine große Herausforderung für uns und es hat zu anderen Vibes geführt - was am Ende natürlich keineswegs schlecht war."

Larkin Poe
Wenn man sich die einzelnen Tracks des neuen Albums anhört (und zum Beispiel mit den Live-Versionen der älteren Tracks darauf vergleicht), so fällt auf, dass jeder Song sein eigenes, klangliches Mäntelchen besitzt, das sich auch gerne mal von den bislang verfolgten Ansätzen abheben darf. Gab es denn vorher eine Idee, wohin die Sache klanglich führen sollte oder hat sich das im Studio entwickelt? "Wir müssen natürlich den Produzenten in den Aufnahmesituationen unseren Dank aussprechen", führt Rebecca aus, "denn wir hätten gar nicht selbst auf all die Ideen kommen können, die dort an uns herangetragen wurden, wie zum Beispiel die elektronischen Elemente, auf die wir gar nicht gekommen wären. Was aber den Klang der Songs betrifft, hatten wir uns schon überlegt, wie die Songs klingen sollten. Wir haben viel Energie darin investiert, die Songs zu entwickeln, Demos aufzunehmen, diese zu editieren und so weiter. Es ging ja darum, dass wir selbst uns sicher sein mussten, die Songs stimmig ausformuliert zu haben." - "Man sagt ja, dass das Song-Schreiben auch gleich bedeutet, dass man die Songs umschreiben muss", ergänzt Megan, "fast jeder der Songs durchlief mehrere Entwicklungsphasen." - "Wir haben immer wieder an den Texten, den Melodien und Strukturen gearbeitet", berichtet Rebecca, "das hat auch Spaß gemacht - am Ende ist es aber wichtig, dass die Songs - wie ich denke - gut ausformuliert sind."

Musikalisch können die Lovell-Schwestern dabei aus einem breiten Fundus schöpfen, der sich aus den gemeinsamen oder unterschiedlichen Interessen der beteiligten Musiker und nicht zuletzt der musikalischen Historie ergibt. Was ist aber aus dem Folkpop-Ansatz der Vergangenheit geworden? Ist der bis auf weiteres eingemottet worden? "Interessanterweise werden wir oft gefragt, warum wir unseren Sound geändert haben", antwortet Megan, "für uns ist es aber so, dass wir uns eher in Bezug auf die Folk-Sachen verstellen mussten. Im Grunde unseres Herzens sind wir doch ziemlich rockig. Für uns war immer klar, dass wir wieder in diese Richtung wollten." - "Man durchlebt ja immer verschiedene Phasen im Leben - aber am Ende bleibt man sich doch auch selbst treu", fügt Rebecca hinzu. "Einen kommerziellen Hintergedanken darfst du jedenfalls ausschließen", macht Megan noch deutlich. "Es ist auch noch so, dass du einfach mehr Leute erreichst, wenn du lauter spielst", meint Rebecca, "wenn wir z.B. mal auf einer großen Bühne spielen, wie jetzt gerade in Glastonbury, dann hast du eine ganz andere Energie. Es waren auch nur wenige Leute überrascht und dann auch eigentlich nur wegen der Lautstärke. Ansonsten war es schön zu beobachten, wie uns die Fans gefolgt sind." - "Das mag ich an Leuten, wenn sie offen sind und einem die Chance geben, sich weiterzuentwickeln", fügt Megan noch hinzu. Eine der Neuerungen ist Megans erster Lead-Gesang auf "Stubborn Love". Hat ihr das denn gefallen? "Ja, ich denke, es hat ganz gut funktioniert", führt sie aus, "und dann war es ja auch eine Art Call & Response-Situation, so dass die Sache nicht ganz auf meinen Schultern ruhte." - "Ja, aber hat es dir gefallen?", hakt Rebecca nach. "Ja, es hat mir gefallen", zögert Megan, "ich genoss es zwar eher mit meiner Lap-Steel-Gitarre zu singen als mit meiner Stimme, aber auf diesem Album habe ich mich mit meiner Stimme versöhnt. Das fühlt sich dann sehr schön an. Wir werden ja auch oft gebeten, mit anderen Leuten zu singen und das hat meine Stimme auch irgendwie stärker gemacht."

Die vielleicht wichtigste Änderung gegenüber des bisherigen Larkin Poe-Kanons ist vielleicht der, dass die Schwestern erstmals als Songwriterinnen zusammen arbeiteten. "Weißt du, die Leute fragen sich immer, ob wir uns als Schwestern bekämpfen", erläutert Rebecca, "natürlich kriegen wir uns schon mal in die Haare - meistens wegen unwichtiger Sachen - aber hauptsächlich ging es dabei um musikalische Sachen, Bislang hatten wir nie zusammen geschrieben und man kann die Unterschiede auch heraushören. Das hat zu Spannungen zwischen uns geführt, weil ich als Lead-Sängerin annahm, dass meine Songs auch bevorzugt gespielt werden müssten. Das hat sich dadurch erledigt, dass wir nun die Songs zusammen schreiben und das macht für uns einen großen Unterschied aus." Wenn man sich die Texte des neuen Albums anhört, dann kann man auf den Gedanken kommen, dass es sich hierbei um eine Sammlung von Trennungs-Dramen handelt. "Ja, das schon - aber interessanterweise haben weder Megan noch ich irgendwelche Trennungen durchlebt. Aber wir sind gerade in einer rebellischen Phase. Wir sind nicht besonders höflich, wenn du weißt, was ich meine." Am Ende gibt es dann aber doch verschiedenste Hintergründe für die einzelnen Songs: "Stubborn Love" ist ein Song über die Schwestern selber, in "We Intertwine" geht es um eine universelle Liebe, in "Dandelion" denkt Rebecca über ihren eigenen Tod und darüber, wie ihre Umwelt diesen wahrnehmen würde nach und schrieb ihren eigenen Nachruf, "Elephant" ist ein Gedankenspiel über Lügen und deren Folgen, "Crown Of Fire" entsprang einem Wortspiel und "Banks Of Allatoona" ist eine Hommage an die Heimat, denn der Allatoona-See ist ein künstlich angelegter, hässlicher See in der Nähe von Rebeccas und Megans Wohnort, mit dem sie spirituelle Kindheitserinnerungen verknüpfen. Mit "Overachiever" schließlich leistete Rebecca sich ein songwriterisches Glanzstück, in dem sie ihre persönlichen Empfindungen als eine Art Brief an sich selbst verfasste und dabei zur lyrischen Größe eines Leonard Cohen aufläuft.

Larkin Poe
Wie geht es denn nun weiter für Larkin Poe? Immerhin kann man LPs wie "Kin" ja nicht in derselben Frequenz ausschütten, wie das bislang mit den EPs der Fall war. "Nun ich denke, dass wir uns im nächsten Jahr mit der Promotion dieses Albums befassen werden", meint Rebecca, "und dann haben wir erstmals ein Radio-Team, so dass wir hoffen auch mal im Radio gespielt zu werden - zum Beispiel mit 'Don’t', unserer ersten Single. Wir sind neugierig, wie das funktioniert. Ich denke aber, dass du uns inzwischen gut genug kennst um erraten zu können, dass wir neue Songs schreiben werden, sobald wir wieder zu Hause sind. Und dann werden wir auch wieder mit Elvis Costello zusammen spielen und dann auch mit Conor Oberst und Bright Eyes und Kristian Bush in den Staaten." Nun - langweilig wird es den Lovell Sisters also so schnell nicht werden. Und das ist auch gut für die Fans, denn allzu lange möchte man schließlich auf neues Larkin Poe-Material nicht warten, nachdem man ein Mal süchtig geworden ist.

Weitere Infos:
www.larkinpoe.com
www.facebook.com/larkinpoe
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Larkin Poe
Aktueller Tonträger:
Kin
(RH/Rough Trade)
 

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