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07.06.2016
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THE JELLY JAM

Düstere Prognosen

The Jelly Jam
Der Titel des vierten Albums von The Jelly Jam deutet es bereits an: Auf "Profit" setzt sich das All-Star-Trio mit Ty Tabor (King's X), John Myung (Dream Theater) und Rod Morgenstein (Winger, Ex-The Dixie Dregs) nach fünfjähriger Auszeit mit der Gier der Menschheit nach mehr, mehr, mehr auseinander. Musikalisch experimentierten die Amerikaner derweil bei den Aufnahmen munter drauflos und schlagen deshalb auf ihrem neuen Werk einen weiteren Bogen als je zuvor. Dabei unterstreichen sie, dass das Label Prog Rock für sie eigentlich noch nie ausreichte. Bevor die Band nach der Veröffentlichung erstmals in ihrer bis in die späten 90er zurückreichenden Historie auf Welttournee gehen wird, beantwortete Ty Tabor unsere Fragen.

GL.de: Ty, wie geht's?

Ty Tabor: Mir geht es gut, ich arbeite in bisschen im Studio, das ist ein guter Tag! Es macht mir heute mehr Freude denn je zuvor, mit The Jelly Jam zu spielen. Nach all den Jahren sind wie inzwischen echt dicke Freunde, denn wir haben viel Zeit miteinander verbracht und gemeinsam so viel Musik gemacht. Zu sehen, dass die ganze Sache zu einem echten Gesamtwerk heranwächst, macht es einfach besser! Wir sind momentan richtig heiß auf die Band und gehen dieses Mal ja sogar auf Tour!

GL.de: Dagegen habt ihr euch lange gewehrt, oder?

Ty: Nein, gewehrt haben wir uns dagegen eigentlich nie, es war bislang allerdings nie terminlich zu stemmen, weil wir alle einen ganzen Haufen Projekte parallel laufen haben. In der Vergangenheit hatten wir stets so wenig Zeit, dass wir uns entscheiden mussten. Platten machen und danach noch live zu spielen, war einfach nicht drin. Wir haben ständig darüber gesprochen, auf Tour zu gehen, und es mehr als einmal ernsthaft ins Auge gefasst, aber erst jetzt hat es geklappt.

GL.de: Eure ersten Platten seid ihr sehr freigeistig angegangen, mit der letzten, "Shall We Descend" (2011), habt ihr dann gewissermaßen euren Sound gefunden. Wie war das, dieses Mal nicht mit einer weißen Leinwand anzufangen, sondern stattdessen an die letzte Platte anzuknüpfen?

Ty: Wichtig war uns dieses Mal vor allem, mehr aufzunehmen, als wir für die Platte tatsächlich brauchten, um am Ende die besten Stücke auswählen zu können. Das hatte zur Folge, dass wir zunächst in alle erdenklichen Richtungen experimentierten. Wenn wir drei zusammenkommen, fühlt sich das oft gar nicht wie Arbeit an. Natürlich ist es irgendwie harte Arbeit, denn wir investieren viele Stunden und tun alle die Dinge, die notwendig sind, um solch einen Batzen Songs zu schreiben und aufzunehmen. Trotzdem: Wenn es am Ende des Tages Zeit war, Schluss zu machen, hätte ich immer noch gerne weitergespielt, weil es mir so viel Spaß machte. Zwischen uns dreien gibt es nie das Problem, dass wir keine neuen Ideen haben.

GL.de: Was geben dir The Jelly Jam, was du woanders nicht findest?

Ty: Nun, eigentlich finde ich bei Jelly Jam das Gleiche wie etwa bei King's X, aber weil die Mitstreiter andere sind, kommen dabei am Ende andere Sounds und andere Vibes heraus. Ich fühle mich bei Jelly Jam einfach zu Hause. Wenn wir zusammenkommen, müssen wir nie um neue Ideen kämpfen, das Ganze ist stets eine helle Freude. King's X ist auch wie zu Hause, aber es ist eine andere Familie, eine, die ich schon mein ganzes Leben kenne. Bei King's X ist es allerdings schwieriger, Songs zu erarbeiten, weil wir uns gegenseitig so sehr anstacheln. Letzten Endes liebe ich beide, und ich freue mich, dass ich beide Projekte machen kann.

GL.de: Was muss ein Song haben, damit er eine Jelly-Jam-Nummer ist?

Ty: Der gemeinsame Nenner ist, dass wir alle drei sagen müssen: "Ich mag den Song!" Da spielt es dann keine Rolle, ob es eine Akustikballade ohne Schlagzeug oder ein episches musikalisches Abenteuer ist. Wir haben keine Regeln, abgesehen von: "Liebe das, was du tust!" Unsere Entscheidungen sind auch praktisch nie erzwungen. Für gewöhnlich sagen wir alle im gleichen Moment: "Oh, das ist gut!" Wenn es darum geht zu merken, ob der Song funktioniert oder nicht, sind wir fast immer auf der gleichen Wellenlänge. Oft müssen wir das noch nicht einmal aussprechen, das ist schon sehr cool!

GL.de: "Profit" ist fast ein Konzeptalbum, aber das war nicht gewollt, richtig?

Ty: Ja! Die Wahrheit ist, auch das passierte ganz natürlich. Weder als wir mit den Aufnahmen anfingen, noch als ich mit dem Textschreiben begann, stand ein Konzeptalbum zur Debatte. Doch plötzlich hatte ich zwei, drei Texte, die klangen, als seien sie Teil einer größeren Geschichte. Die Story schälte sich einfach heraus. Als ich mir die dazugehörigen Songs dann in chronologischer Reihenfolge der Geschichte anhörte, hatten sie einen Flow, der einfach perfekt war. Das war vielleicht eine Überraschung!

GL.de: Konzeptalben sind für manche immer noch ein rotes Tuch...

Ty: Ich musste einfach ehrlich sein! Ich habe über das Thema schon mein ganzes Leben geschrieben - ohne dass mir das wirklich bewusst war! Gestern erwähnte jemand das erste King's X-Album und ich hörte kurz rein. Eher zufällig klickte ich auf den Song "Far Far Away", und als ich den Text hörte, war ich wie vom Donner gerührt. Ich habe über das Thema wirklich schon damals geschrieben! Denn auch in "Far Far away" geht es um die Erde. Die Verantwortungslosigkeit der Menschen gegenüber unserem Planeten hat mich schon damals bewegt. Wir fahren geradewegs auf eine Mauer zu, und es wird schlimme Folgen haben, wenn irgendwann die Nachfrage größer ist als das Angebot.

GL.de: Siehst du einen Ausweg?

Ty: Natürlich gibt es Auswege, aber keine leichten. Es geht immer nur in eine Richtung, Konsum, Konsum, schneller, schneller, billiger, billiger. Mich treibt das schon mein ganzes Leben als Erwachsener in den Wahnsinn. Am liebsten möchte ich die Menschen schütteln und ihnen ins Gesicht brüllen: Wacht zur Hölle noch mal auf!"

GL.de: Trotz dieser düsteren Prognose - was macht dich derzeit am glücklichsten?

Ty: Die Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung, meine Familie. Die Lady, mit der ich mein Leben gemeinsam verbringe, meine Eltern und meine Geschwister und mein Sohn mit seiner Familie. Persönliche Interaktion bringt mir Freude, dazu zählt auch die Freundschaft mit meinen Bandkollegen, ich liebe sie alle! Das sind die Dinge, die mir ein Lächeln ins Gesicht zaubern und mich glücklich machen.

Weitere Infos:
www.thejellyjam.com
www.facebook.com/TheJellyJam
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Pressefreigabe-
The Jelly Jam
Aktueller Tonträger:
Profit
(Mascot/Rough Trade)
 

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