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01.07.2016
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SHOOK TWINS

Liebeslieder für Küken im Regen

Shook Twins
Im Falle der Shook Twins handelt es sich ausnahmsweise mal um echte Zwillinge, denn Katelyn und Laurie Shook aus Portland, Oregon, sind - anders als manche Musiker, die dieses Idiom bemühen - tatsächlich und sogar eineiige Zwillinge. Musikalisch bedeutet das, dass die Damen, die ihren Mix aus Folk, Country & Bluegrass aber auch psychedelischen Rock-Elementen, Pop und sogar Elektronik, Loops und Samples, "Electric Eerie Folk" nennen, sich selbstredend wie blind verstehen und natürlich auch in Sachen Harmoniegesang punkten können. Zum Glück bedeutet es aber nicht, dass sie beide genau dasselbe machen - oder sagen: Ganz im Gegenteil, auch deswegen, weil es Katelyn und Laurie durchaus bewusst ist, dass es für Außenstehende ein Problem ist, sie auseinander zuhalten, geben sie sich menschlich bewusst unterschiedlich. Das geht dann sogar so weit, dass sie beim Gespräch einleitend immer sagen, wer gerade spricht - als sie mitbekommen, dass das ganze aufgezeichnet wird.

"Wir sind Zwillinge aus Northern Idaho, wo wir in einer schönen kleinen Stadt mit viel Natur drumherum geboren wurden", erzählt Katelyn, "als wir begannen, eigene Songs zu schreiben, ging es also zunächst um die Natur und die Art, in der wir unser Leben leben. Wir sind dann erst im Alter von 25 Jahren nach Portland umgezogen - und dort gibt es ja eine große Indie-Musik-Szene und dort sind wir dann auch mit elektrischen Geräuschen in Kontakt gekommen. Das ist dann in unsere Musik und auch in die Art zu schreiben eingesickert. Das hat unsere Musik dann auch ein wenig in Richtung Indie, Pop und seltsame Elemente verändert." "Wir haben dann auf diesem Weg auch viele Städte und Jungs, die mit uns reisten eingesammelt", ergänzt Laurie, "auch Frauen - aber momentan haben wir eine männliche Besetzung." Bislang haben die Shook Twins drei Studio-Scheiben ("You Can Have The Rest", "Window" und "What We Do") veröffentlicht, die leider hierzulande allesamt nur als Import zu haben sind. Auf diesen Scheiben ist eine Entwicklung zu beobachten - wie Katelyn es auch andeutete - die vom Folk zu jener eklektischen Mixtur führte, die die Shook Twins heutzutage verfolgen. Sehen die Mädels das auch so? "Wir haben eigentlich begonnen, Musik zu machen, indem wir zusammen im Chor gesungen haben", verrät Laurie, "wir hatten also bereits einen Gesangs-Hintergrund, als unser Vater uns ein paar Akkorde auf der Gitarre beibrachte. Als wir im Alter von ungefähr 18 anfingen, gemeinsam zu musizieren, haben wir zunächst damit begonnen, die Beatles oder andere populäre Sachen zu covern. Später haben wir dann auch gelernt, Bluegrass zu spielen - davon halten wir uns jetzt aber eher fern."

Worum geht es den Shook Twins beim Musizieren? "Nun, wir wollen, dass wir und auch die Leute für die wir spielen, etwas fühlen", meint Katelyn, "wir fühlen uns inspiriert von dem, was uns umgibt, auch Umgebungsgeräusche. Wir nennen unsere Musik deswegen auch 'Electric Eerie Folk'." Wie konnte dabei ausgerechnet das Banjo zu so einem wichtigen Bestandteil der Shook Twins Musik werden? "Ich spiele das Banjo auf eine ziemlich seltsame Weise", räumt Laurie denn auch ein, "das hat auch nichts mit Bluegrass zu tun, denn ich habe einfach mein Gitarrenspiel auf das Banjo übertragen. Irgendwann ist mir dann mal aufgefallen, dass ein Banjo eigentlich der Kopf einer Snare-Drum mit einem Stock dran ist. Also spiele ich das Banjo öfters wie eine Trommel." "Sie verwendet manchmal auch Drum-Besen, um damit das Banjo zu spielen", ergänzt Katelyn. "Ja, und das loope ich dann gelegentlich auch", fügt Laurie hinzu, "so dass ich auch als seltsame Perkussionistin einspringen kann, wenn wir keinen Drummer dabei haben." Die Texte der Shook Twins sind auf eine gewisse Weise faszinierend - allerdings wird überhaupt nicht deutlich, wovon oder worüber die Damen singen. Anstatt Geschichten zu erzählen oder Botschaften zu verbreiten, beschreiben sie wohl einfach, was sie sehen und wie sie es sehen. "Ganz genau", bestätigt Katelyn, "denn wir schreiben die Songs so, wie wir unser Leben leben." "Allerdings ist jeder Song verschieden", gibt Laurie zu bedenken, "wir bemühen uns auf jeden Fall, uns von Klischees und gewöhnlichen Themen fernzuhalten. Wir wollen nicht Liebeslied auf Liebeslied schreiben. Natürlich haben wir auch Liebeslieder - weil das ja nun mal die wichtigste Sache der Welt ist -, aber wir möchten unseren Horizont ein wenig erweitern und so haben wir dann ein Liebeslied für ein Küken oder einen für den Regen. Es geht also stets um die Dinge, die sich uns am stärksten aufdrängen. Es gibt aber schon ein paar Songs, die auch eine klare Story haben." Gilt das auch für die Musik? Was streben die Shook Twins diesbezüglich an? "Auch hier gilt: Wir suchen nach etwas, das wir fühlen können", erläutert Katelyn, "wir mögen viel Raum in unseren Songs - deswegen verwenden wir langgezogene Töne und Dinge, die Zeit brauchen. Es also geht nicht darum, möglichst viele Noten und Beats in einen Song zu packen." "Wir mögen auch schöne Melodien", wirft Laurie ein, "und Hooks, die sich einprägen." "Und es geht uns darum, nachhaltige Sachen auszusagen."

Shook Twins
Dabei kommen die Tracks der Shook Twins immer noch ganz schön ambitioniert daher - zuweilen klingen sie gar, als seien hier die Fragmente verschiedener Songs zusammengesetzt worden. "Ja, das machen wir manchmal", räumt Katelyn ein, "wir mischen manchmal auch einen Coversong in unser eigenes Material. Zuweilen ist auch die Struktur unserer Songs ein wenig seltsam - etwa indem wir drei unterschiedliche Teile zu einem Song zusammensetzen. Wir mögen nicht immer das typische Songformat mit Strophe, Strophe, Refrain, Bridge usw. - obwohl wir sowas auch schon mal machen." "Wir arbeiten auch mit verschiedenen Taktarten innerhalb eines Songs", ergänzt Laurie. Wie kommt sowas denn zustande? Machen sich die Damen keine Gedanken über den Stil eines Songs? "Nein - wir nehmen es, wie es halt kommt", gesteht Katelyn, "wir überlegen uns vielleicht manchmal, einen spezifisch unheimlichen Song zu schreiben. Das kann aber auch schief gehen. Zum Beispiel nehmen wir uns vor, einen lustigen Country-Song zu schreiben und dann kommt Rock'n'Roll dabei heraus." "Man kann auch sagen, dass uns die Musik manchmal leitet", fasst es Laurie zusammen. Was wieder mal bestätigt, dass Musik auch ein Eigenleben hat. Was ist dabei die Herausforderung? "Überhaupt Songs zu schreiben", lacht Katelyn, "so viel wie wir unterwegs sind, haben wir kaum Zeit dafür. Manchmal müssen wir uns einfach für eine Woche in jemandes Haus einschließen und es einfach mal angehen." "Aber die größte Herausforderung, wenn wir denn mal Zeit gefunden haben, ist dann aber auch etwas Einzigartiges zu schreiben", ergänzt Laurie, "denn was wir anstreben, ist keinesfalls als Copy-Cats angesehen zu werden. Natürlich werden wir von diesem und jenem beeinflusst, aber wir achten schon darauf, nichts zu kopieren. Deswegen arbeiten wir auch gerne zusammen, denn so können wir unsere Songs verbessern, indem wir uns darauf aufmerksam machen, wenn etwa etwas zu vertraut klingt." "Dabei ist es manchmal sogar schwierig, sich nicht selbst zu ähnlich zu werden", überlegt Katelyn, "denn es ist ganz schön schwierig, heutzutage noch originell zu sein." Klar - denn alles, was man mit Stimmen und Saiteninstrumenten machen kann, hat garantiert schon mal irgend jemand irgendwo ausprobiert, oder? "Ganz genau", meinen beide zusammen, während Laurie dann noch ergänzt: "Wir haben zuletzt mit einem tollen Pianisten und Produzenten zusammen gearbeitet, der uns dabei geholfen hat, die Bandbreite unsere Stimmen auszuweiten. Das ist für uns insofern wichtig, als dass wir unsere Stimmen als unsere Instrumente betrachten, weil wir auf Gitarre und Banjo nicht wirklich virtuos sind. Wir mögen es aber, unsere Stimmen mehr wie Instrumente einzusetzen. Das ist unser neuestes Ding, weißt du - du du du duuuu - zu singen und dabei interessant zu klingen, Texturen anzuwenden und mit Harmonien zu spielen." Dabei hilft sicherlich, dass Katelyn und Laurie zusammen im Chor gesungen haben? "Ja, und zwar neun Jahre lang", bestätigt Katelyn. Geht es dabei auch um Spirituals oder Gospel? "Wir sind nicht in der Kirche groß geworden", zögert Laurie, "aber ich wünschte, es wäre so gewesen, dann wären wir heute nämlich etwas besser in Sachen Durchsetzungskraft. Und wir lieben ja auch Gospel-Musik, so ist es nicht." Gilt das in etwa auch für die Inhalte? "Ja - zumindest was die natürliche Spiritualität betrifft", überlegt Katelyn, "wie gesagt, sind wir ja nicht religiös, aber wir glauben schon irgendwie an... nun an irgendetwas dort draußen..."

Wie wird es mit den Shook Twins weiter gehen? "Nun, wir möchten uns weiter entwickeln", meint Katelyn, "wir sind ja bisher eine reine Indie Band ohne Label und möchten unseren Radius doch irgendwie erweitern und auf ein anderes Level kommen, wie viele unserer Freunde auch. Vielleicht, indem wir mit anderen zusammen touren oder unsere Musik im Fernsehen platzieren, damit wir nicht nur mit dem Touren unser Geld verdienen müssen - denn das ist sehr ermüdend. Wir arbeiten gerade an einer neuen Scheibe, von der wir denken, dass es das Beste ist, was wir bislang gemacht haben. Und ich möchte unsere Musik dann doch gerne auch irgendwann auf der ganzen Welt herausbringen." Bis es so weit ist, muss man sich halt mal durch die Online-Shops dieser Welt klicken, um die Musik der Shook Twins ausfindig zu machen (oder eines der seltenen Konzerte in unseren Breiten zu besuchen). Es lohnt sich.

Weitere Infos:
www.shooktwins.com
www.facebook.com/ShookTwins
twitter.com/ShookTwins
www.instagram.com/shooktwins
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Shook Twins
Aktueller Tonträger:
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(CDBaby)
 

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