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08.03.2019
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STELLA DONNELLY

Kein Zufall

Stella Donnelly
Die Australierin Stella Donnelly hat etwas zu sagen. Das bezieht sich nicht nur auf ihre endlose Facebook-Seite, sondern natürlich auch auf ihre Songs, in denen sie sich mehr oder minder unverblümt, aber durchaus charmant und humorvoll hauptsächlich um die zwischengeschlechtlichen Themen kümmert, denen sich junge Frauen nicht nur heutzutage ausgesetzt sehen. Das passt alles ganz gut zur #MeToo-Debatte (und kommentiert diese auch in Songs wie "Old Man") - doch Stella ist schon länger an dem Thema dran. Auch auf ihrer ersten EP "Thrush Metal", auf der sich auch ihr Signature Song "Boys Will Be Boys" befindet, in dem es um falsch verstandene Rollenverständnisse und sexuelle Übergriffe geht, wurde sie schon recht deutlich. Dabei geht es der jungen Dame weniger darum, provozieren zu wollen, sondern ihre Rolle als selbstbewusste junge Frau selbstbestimmt zu definieren und dabei auch anderen Mut zuzusprechen, es ihr gleich zu tun. Dass sie dabei zuweilen zu drastischen Mitteln greifen muss, ist ihr selbst schon klar. Das demonstriert sie auch auf dem Cover ihrer LP "Beware Of The Dogs" - auch wenn man das Bild erst ein Mal entschlüsseln muss, denn es geht hier nicht etwa um Eier.

"Nein - aber du bist nicht der einzige, der glaubt, mir würde hier ein Ei hingehalten", erklärt Stella, "es ist aber ein Stück Seife. Denn ich habe mir aufgrund meines frechen Mundwerks immer schon anhören müssen, dass man mir mal den Mund mit Seife waschen müsse, weil ich so viel fluche. Ich wollte etwas machen, das ein wenig nach einer Szene aus einem B-Horror-Film aussieht - deswegen sieht die Schrift auf dem Cover auch wie ein Untertitel aus. Es sollte ein Witz sein und sich gleichzeitig etwas unbehaglich anfühlen." Warum das denn? "Nun, weil das auch für die Songs gilt", erklärt Stella, "man sollte beim Hören das Gefühl bekommen, dass hier etwas nicht stimmt." So wie bei den Videos - zum Beispiel "Boys Will Be Boys", "Mechanical Bull" oder "Tricks"? Diese sind zwar in quietschbunten Bonbonfarben gehalten, erzählen dann aber doch eher verstörende Geschichten, die nicht immer direkt mit denen der zugrunde liegenden Songs korrespondieren. "Ja, genau", erklärt Stella, "ich habe für jedes Video mit professionellen Regisseuren zusammengearbeitet - wie z.B. Fiona Burgess für 'Old Man'. Manchmal spielen Freunde mit, manchmal Schauspieler. Es kommt dann immer auf das Video an, was wir machen. Manchmal erfinden wir einfach etwas vor Ort und manchmal wird es konzipiert. Es gibt aber einen roten Faden - nämlich indem ich Untertitel für die neuen Videos verwenden werde, um diese Verbindung herzustellen und dieses unbehagliche B-Film-Feeling herzustellen."

Wie ging es denn eigentlich los mit Stella Donnelly - denn den geschickt konstruierten und empathisch dargebotenen Songs merkt man schon an, dass Stella das alles erst nicht seit gestern macht. "Ich komme aus einem kleinen Ort namens Freemantle in West-Australien", berichtet Stella, "ich wuchs teilweise dort auf - aber auch in Großbritannien, weil meine Mama walisisch ist. Musik war stets ein Teil meiner Jugend, weil meine Eltern immer Musik gemacht haben. Das hat sich auf mich übertragen, indem ich regelrecht abhängig vom Gitarre spielen wurde, als ich älter wurde. Ich hatte auch mal Klavierstunden als ich jung war - aber abgesehen davon habe ich mir alles selber beigebracht. Ich habe nämlich eine seltsame Gitarrentechnik und spiele manchmal Akkorde, von denen meine Freunde sagen, dass sie auch seltsam seien. Ich habe dann im Alter von 15 angefangen, Songs zu schreiben. Ich denke, ich bin dann langsam besser darin geworden, denn je mehr Lebenserfahrung man hat, desto besser kann man sich auch ausdrücken. Ich habe mich dann verschiedenen Bands angeschlossen - eine Covers-Band, eine Punk-Band, eine Psychedelia-Band und dann war ich langsam selbstbewusst genug, es mal solo zu versuchen. Dazu brauchte ich allerdings sieben Jahre, so dass ich meine EP 'Thrush Metal' mit 25 Jahren veröffentlichte. Man kann also sagen, dass meine Ausbildung darin bestand, viel alleine zu Hause zu verbringen und dann viel mit anderen aufzutreten. Ich habe es auch mal mit einem Musik-College versucht, bin dann aber nach einem Jahr wieder ausgestiegen."

Nun ja: Songs wie jene, die Stella Donnelly schreibt, lernt man ja auch gewiss nicht auf dem College zu schreiben. "Nein - das war auch nicht mein Ding", bestätigt Stella, "ich denke, ich musste einfach mich selber ausbilden. Meine Art zu musizieren kommt eher davon, wie ich selbst Musik wahrnehme. Ich weiß, was sich gut anfühlt, weil ich weiß, was ich gefühlt habe, als ich z.B. Billy Bragg oder ELO angehört habe, die Mom sehr gemocht hat. Das ist die Musik, mit der ich aufgewachsen bin und von der ich Gänsehaut bekommen habe. Das ist für mich auch heute noch der Maßstab: Ich bekomme Gänsehaut? Okay - dann ist das gut, was ich mache." Auf der LP gibt es erstaunlicherweise auch E-Pop-Stücke. "Ja - das habe ich gemacht, um Erwartungshaltungen zu unterlaufen", meint Stella, "das war total aufregend für mich, weil ich sowas zuvor noch nicht versucht hatte. Ich war sogar ziemlich nervös - denke aber, dass ich einen guten Job gemacht habe."

Stella Donnelly
Obwohl Stellas Songs von oft regelrecht witzigen Elementen durchzogen sind, geht es oft um ernste Themen. "Ja klar", meint sie bestimmt, "es ist ja auch wichtig, über diese Themen zu reden und nicht davor wegzulaufen - etwa weil sie vielleicht furchteinflößend sind. Erlaube es dir einfach, Angst zu haben - spreche aber darüber." Und wenn man seine Ängste und Neurosen in den Songtexten verarbeitet, dann kann man sich im richtigen Leben ja auch auf andere Dinge konzentrieren. "Ganz genau", pflichtet Stella bei, "die Texte nehmen die zornigen Elemente in Anspruch und deswegen kann ich mich zum Beispiel in der Musik um die fröhlichen und süßen Elemente kümmern und unbekümmerter zu Sache gehen. Nimm z.B. 'Old Man'. Während der Text ja ziemlich vernichtend ist, habe ich das Ganze als Indie-Pop-Song angelegt. Es reicht ja, wenn der Text zornig ist." Geht es darum, mit Extremen zu arbeiten? "Jaaa", pflichtet Stella bei, "dadurch bekommt man ja auch die gewünschte Aufmerksamkeit. Die Texte sind mir schon am Wichtigsten - und egal, was ich mit der Band mache und was ich musikalisch versuche, ist es mir wichtig, dass die Texte sehr klar, prägnant und artikuliert sind."

Nun sind aber doch hoffentlich nicht alle Stücke auf der Scheibe autobiographisch, oder? "Nein", bestätigt Stella, "wonach ich aber immer suche, sind 'Spannung' und 'Auflösung'. So habe ich in Songs wie 'Seasons Greetings' diese Geschichte um ein Weihnachtsfest im Kreise der Familie erfunden. Es geht um dieses unangenehme Gefühl, das es auf Weihnachtsfeiern geben kann, wo alle Leute zusammenkommen, die sich gar nicht leiden können. Man kann ja seine Familie nicht aussuchen. Ich versuche also eine Situation wie diese zu beschreiben und dabei die Motivation dieser Personen und auch mich selbst in Frage zu stellen und mich über mich selbst lustig zu machen. Es ist dabei aber nicht so, dass ich selbst diese Situation durchlebe, sondern ich benutze den Song, um mir die Situation auszumalen." Ist Stellas Mama denn eine Punkerin, wie sie es in dem Song darstellt? "Ja", bestätigt Stella, "aber auf eine sehr spezielle Art. Sie hat keine Piercings oder geht zu Punk-Konzerten, denn sie ist eine Krankenschwester. Aber hat immer das große Ganze gesehen und meine Schwester und mich zu Frauenmärschen mitgenommen, als wir noch Kinder waren und war uns in diesem Sinne immer ein gutes Vorbild. Sie hat immer einen globalen Überblick - was mir nicht auffiel, bis ich älter war. Aber warum fragst du das?" Weil das ein gutes Beispiel für das vermischen von Fakten und Fiktion in einem Song ist. "Ach so - ja genau. Das ist der Gedanke dabei. Ich versuche immer zu analysieren, was um mich herum vorgeht und wie mich das innerlich berührt." Gehören dazu auch Allergien? Stella singt - nicht nur in dem gleichnamigen Song - des Öfteren von Allergien. "Das ist ein Zufall", erläutert sie, "und dann auch wieder nicht, weil es ja keine Zufälle gibt. Ich denke, der Song richtet sich an dieselbe Person, an die sich auch der Song 'Mosquito' richtet. Es ist ein Trennung-Song und diesen Song schrieb ich am Abend bevor ich ihn aufnahm, weil ich die Trennung durchlebte, als ich an der Scheibe arbeitete. Ich höre da diese Spannung in meiner Stimme, weil das eine schwierige Zeit für mich war. Ich verarbeite auf diese Weise die Sachen, die ich erlebe und reflektiere dann darüber."

Mit "Beware Of The Dogs" (übrigens eine verklausulierte Warnung vor den sozialen und politischen Stimmungen ihres Heimatlandes Australien) gelingt es Stella Donnelly, so etwas wie den persönlichen Agitprop-Song - ohne predigenden Zeigefinger - auf eine charmante Weise für die Jetztzeit und ihre Generation attraktiv zu machen.

Weitere Infos:
www.stelladonnelly.com
www.instagram.com/stelladonnelly
www.facebook.com/stellamusicband
www.youtube.com/watch?v=VcD9EKeCtIY
www.youtube.com/watch?v=b5rug_Z5BWA
www.youtube.com/watch?v=T5qZXr-csY4
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pooneh Ghana-
Stella Donnelly
Aktueller Tonträger:
Beware Of The Dogs
(Secretly Canadian/Cargo)
 

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