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13.12.2019
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LAUREN RUTH WARD

Haare und Musik

Lauren Ruth Ward
Eine klassische amerikanische Karriere hat die aus Los Angeles stammende Songwriterin Lauren Ruth Ward nun wirklich nicht durchlaufen. Ihren Traum lebt sie freilich trotzdem: Denn anstatt sich etwa von der Tellerwäschering zur Millionärin hochzuarbeiten, startete sie ihre berufliche Laufbahn als Hair-Stylistin, begann erst relativ spät, professionell Musik zu machen - ist aber heutzutage eine hauptberufliche Indie-Ikone mit allen kreativen Freiheiten und steht in den USA kurz vor dem Durchbruch zu einer veritablen Rockstar-Karriere. Sogar hierzulande hat Lauren Ruth Ward eine treue Fanbasis - nicht zuletzt dank des umtriebigen, deutschen LRW-Fanclubs - und schaffte es, ihre erste Clubtour auf dem deutschen Abschnitt ihrer Europa-Tournee dann auch auf Anhieb auszuverkaufen. 2016 veröffentlichte sie ihre Deüt-EP und 2017 das Debüt-Album "Well, Hell" - damals noch auf einem Plattenlabel, von dem sie sich inzwischen wieder trennte (ohne böses Blut, wie sie sagt), um noch mehr Kontrolle über ihre kreativen Möglichkeiten zu haben.

Dabei ist Lauren zunächst und vor allen Dingen eines: Ein Musikfan. Das wird schon alleine dadurch deutlich, dass sie sich gerne mit Coverversionen beschäftigt. Die Krönung dieser Entwicklung ist ihr letztes Projekt, die EP bzw. Kurz-LP "Happy Birthday Jim", auf der Lauren zum 75. Geburtstag von Jim Morrison immerhin sieben Tracks der Doors coverte. Wie wählt Lauren denn ihre Cover-Versionen aus? "Es ist sehr schwer", räumt Lauren ein, "das ist ein sentimentales Thema. Ich denke, ich suche mir die aus, die mir schon als Kind etwas gesagt haben. Die Doors waren eine Band, die ich - dank meines Vaters - immer schon mochte. Eduardo (Lauren arbeitet mit dem Gitarristen Eduardo Riviera zusammen an ihrer Musik) und ich haben dann 20 mögliche Songs ausgesucht und dann ausgedünnt. Ich habe dabei versucht, offensichtliche Sachen zu vermeiden und stattdessen B-Seiten ausgesucht. Ursprünglich sollte das nur eine akustische Produktion werden, aber dann hatten wir größere Ambitionen und einige Musiker aus Los Angeles eingeladen und dann eine volle Produktion angegangen. Das war sehr berührend, dass so viele Menschen aus Liebe zu den Doors daran mitarbeiten wollten." Was sind denn eigentlich Laurens Roots als Musikerin? Immerhin hat sie sich - weder bei ihren Studioproduktionen, noch auf der Bühne - auf einen bestimmten Stil festgelegt, sondern bietet so ziemlich alles zwischen Folk und Rock. "Das ist das, was ich an unserer Musik mag", erläutert Lauren, "ich werde das auch nicht verändern - aber es ist nicht gekünstelt. Wir setzen uns nicht hin und sagen: Wir arbeiten jetzt mit diesem Gitarrensound oder jener Tonlage oder jener Stimmung. Wir mögen einfach die stilistische Freiheit, die sich so ergibt."

Wie ist Lauren zur Musikerin geworden? "Also bei mir ist das so, dass ich nie eine Musikerin werden wollte", erläutert Lauren, "ich bin einfach eine. Ich bin eine Vokalistin und habe immer gesungen seit ich ein Kind war. Ich bin einfach sehr glücklich, wenn ich singe. Das ist sehr kathartisch für mich. Ich mag es überhaupt gerne, mich auszudrücken und Leute Dinge zu erzählen - aber auch die Geschichten anderer Leute zu hören. Ich bin also eine Musikerin - aber ich gehörte nie zu diesen Kindern, die irgendwann mal beschlossen haben, Musikerin zu werden und dann die Eltern zu bitten, sie auf die Musikschule zu schicken." Und wie kam es dann schließlich dazu, dass Lauren dann doch in die Musikwelt wanderte? "Ich hatte halt mehrere Leidenschaften", erinnert sie sich, "nach der Highschool wollte ich entweder Haar-Stylistin werden oder in die Mode einsteigen, weil ich zu der Zeit viel genäht habe. Die Musik hat mich sozusagen überrumpelt. Es war irgendwie heilsam. Ich hatte angefangen, Songs zu schreiben als ich 14 oder 15 war - und davor waren es Gedichte, die ich so ab 10 oder 11 geschrieben hatte. Aber die sind sowas von schlecht. Wenn ich mir heute mein Tagebuch anschaue, dann winde ich mich immer, weil das so emotional ist." Das bringt uns zu einem interessanten Punkt: Es ist nicht so, dass man Laurens Texte nicht verstehen könne - aber das hilft nicht immer weiter, da sie zuweilen ziemlich verklausuliert daher kommen. "Kryptisch, würde ich sogar sagen", meint sie, "das ist aber meistens keine Absicht. Ich bin einfach so. Ich bin ja jetzt nicht mehr auf einem Label und muss insofern auch niemandem Rechenschaft ablegen und kann machen, was ich will. Ich brauche also nicht darüber nachzudenken, wie ich ins Radio kommen kann, Wenn ich also eine Zeile schreibe, dann kann die so stehen bleiben, wie sie ist und muss auch nicht gut verdaulich sein. Und wenn ich möchte, dass mich die Leute verstehen, dann gebe ich mir auch Mühe und schreibe etwas, was mehr Sinn macht." Und worüber singt Lauren Ruth Ward dann heutzutage? "Immer über das, was mich selbst betrifft. Ich bin ja gerade in meinen 30ern angekommen und was mir bewusst ist, ist dass das politische Klima in unserem Land zumindest faulig ist. Ich habe da eine Menge zu sagen - speziell, wie mich das als lesbische Frau beeinträchtigt; vor allem in einer Industrie, die hauptsächlich männlich geprägt ist. Mag sein, dass ich dabei Sachen sage, die schon mal gesagt worden sind - aber sie sind wahrhaftig und es gibt ja noch viel zu sagen und es muss noch viel geändert werden." Dass Lauren nach ihrem Coming-Out dann auch gleich zu einer Leitfigur in der LGBT-Szene geworden ist, hängt ja sicher auch damit zusammen. "Also ich habe lange gebraucht, mich mit meiner Sexualität zu arrangieren", führt sie aus, "dabei finde ich auch jedes Jahr immer noch etwas Neues über mich selbst heraus. Jede Person, die ich in Los Angeles treffe, die mir dann ihre Geschichte erzählt, hilft auch mir. Kurzum: In meinen Songs geht es um Selbstheilung - auch um Selbstheilung durch die Geschichten anderer." Das heißt also, Musik ist eine Therapie, oder? "100 %", bestätigt Lauren, "es geht auch darum, sich selbst zu finden. Allerdings bin ich der Meinung, dass man sich gar nicht selbst finden kann, da wir uns alle ja ständig weiterentwickeln. Es geht also tatsächlich eher darum, zu akzeptieren, wie man sich entwickelt."

Das Interessante bei diesem Ansatz ist ja, dass dabei eine Portion Mystik ins Spiel kommt. "Manchmal ist das so", pflichtet Lauren bei, "manchmal habe ich zwar vollständig ausformulierte Ideen über das, was und wie ich etwas sagen will. Das nehme ich dann zu Eduardo und der schreibt dann Gitarrenparts dazu. Manchmal habe ich aber auch nur generelle Ideen und sortiere diese erst, wenn wir zusammen an der Musik arbeiten. Wenn das passiert, muss ich auch Dinge nachträglich ändern und anpassen. Aber ich habe immer eine Idee, über was ich schreiben will." Geht das Ganze vielleicht auch manchmal in die spirituelle Richtung? Nehmen wir mal den Song "Valhalla", in dem es heißt: "They'll memorize my name on the list at the door at Valhalla - I'll tell them how I died In the battle of Madonna." Hier hantiert Lauren ja gleichermaßen mit Bildern aus der nordischen Mythologie und der christlichen Religion. "Na ja, das soll jeder so verstehen, wie er es möchte", überlegt Lauren, "denn wenn ich einen Song veröffentliche, dann gehört er ja nicht länger mir, sondern uns - richtig? Meine Meinung ist also genauso relevant wie Deine. Aber um dir eine bessere Antwort zu geben: Das Bild von Madonna als Frau mit Kind repräsentiert meine Anstrengungen, mit einer heterosexuellen Beziehung klarzukommen und wie ich mich dabei abmühte, aber alles in die Richtung der Madonnen-Idee deutete. Ich bin in einer Vorort-Gemeinde in Maryland aufgewachsen und versuchte, mich den dort gültigen Konventionen anzupassen und fand dann heraus, dass das nichts für mich ist. Diese Erkenntnis war für mich ein langer Prozess - wie das langsame Abziehen eines Pflasters. Und dann schrieb ich meinen Namen an die Tür von Valhalla. Kennst du dich mit nordischer Mythologie aus? Es geht da um das Bild eines Kriegers, der im Kampf stirbt und immer wieder geboren wird. Auch das ein Sinnbild meines Kampfes. Das sind natürlich auch spirituelle Elemente - sicherlich."

Lauren Ruth Ward
Lauren arbeitet ja an einer Menge verschiedener musikalischer Projekte. Was kommt denn als Nächstes? "Also Eduardo und ich haben ja eine vollständige Band mit wechselnder Rhythmusgruppe. Darauf richte ich hauptsächlich meinen Fokus", listet Lauren auf, "ich bin dann auch noch in einer Band namens Aging Actress - einem Projekt mit einem Herrn namens Chris Hess von der Band Swimm und wir werden demnächst unsere ersten Aufnahmen veröffentlichen. Ich habe auch ein Solo-Projekt, was ich einfach Ruth nenne - unter dem ich auch bald etwas veröffentlichen werde. Als Erstes kommt aber eine Band-Produktion mit Eduardo im nächsten Jahr." Nebenher arbeitet Lauren auch noch als Gastmusikerin bei Elektronik-Projekten wie Polarcode oder Eliogramm - das aber nur am Rande. Ebenfalls für das nächste Jahr ist bereits eine weitere Tour angekündigt. Wir werden der Sache nachgehen.

Weitere Infos:
laurenruthwardmusic.com
www.facebook.com/laurenruthwardmusic
www.instagram.com/laurenruthward
youtu.be/pN-OLc-Gwkk
www.youtube.com/watch?v=0OGAuoO6efs
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Lauren Ruth Ward
Aktueller Tonträger:
Well, Hell
(Weekday)
 

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