Fenster schließen
 
24.01.2020
http://www.gaesteliste.de/texte/show.html?_nr=1856
 
OKAY KAYA

Der süße Nektar des Lebens

Okay Kaya
Selbst in Indie-Kreisen ist es ja heutzutage Usus, dass sich die Akteure in ihren eigenen Nischen einrichten und dann das einmal mühsam erarbeitete Image mit Zähnen und Klauen hartnäckig verteidigen. Das sorgt auf der einen Seite für die angestrebte Credibility - behindert aber auf der anderen Seite die Entwicklung. Vielleicht ist das der Grund, warum sich die norwegische Wahl-New-Yorkerin Kaya Wilkins dezidiert nicht für ein bestimmtes Image oder gar eine Nische entschieden hat, sondern stattdessen geradezu auf Ambivalenz, Unberechenbarkeit, Vielschichtigkeit und ständig wechselnden Perspektiven besteht. Und zwar in jedem ihrer Jobs - sei es nun als Model, Schauspielerin, Performance-Künstlerin oder eben als Musikerin.

Das nun vorliegende, aktuelle Album "Watch This Liquid Pour Itself" ist - musikalisch gesehen - demzufolge ein buntes Kaleidoskop aus so ziemlich allen Schattierungen zwischen flockigem Pop und beinharter Avantgarde, die sich ihr als Indie-Musikerin anbieten und inhaltlich ist es eine düstere Vivisektion der weichen Unterseite des menschlichen Daseins und zwischenmenschlicher Beziehungen. In Kayas Welt - so heißt es in ihrer aktuellen Bio - sieht vieles aus, wie in unserer Welt - hat aber gegebenenfalls ein ganz andere, oft düstere, Bedeutung. Das mag daher rühren, dass Kaya ihre Musik nicht alleine von der klanglichen Ebene her betrachtet. "Okay Kaya ist mein Hauptprojekt", beschreibt Kaya ihren Ansatz, "die anderen Sachen sind Kollaborationen, in denen ich als Okay Kaya mit anderen Leuten zusammen arbeite. Und dann ist da natürlich die Person Kaya Wilkins, die alle möglichen Sachen macht - hauptsächlich visuelle." Woher kommt denn das Flüssigkeits-Thema, das die neue Scheibe auszeichnet? (Was auch in den aktuellen Videos zum Ausdruck kommt.) "Ich wollte erforschen, wie 'schwarzer Schleim' - einer der vier Körpersäfte in der altgriechischen Medizin - nach einem Auswurf aussehen könnte. Welche Form würde er wohl annehmen, wenn ich ihn ein paar Tage ruhen ließe und wie ich ihn in etwas anderes, hoffentlich Schönes formen könnte."

"Schwarzer Schleim" ist dabei ja als Galle zu verstehen. Aber mit Medizin hat Kayas Ansatz ja nun wirklich nichts zu tun. Es kommt also offensichtlich immer darauf an, wie man etwas betrachtet. Kein Wunder also, dass Kayas Texte nicht eben selbsterklärend daher kommen. "Meine Texte sind ziemlich grafisch - passieren aber definitiv automatisch", versucht Kaya das für Normalsterbliche zu erklären, "sie werden in dem Sinne 'auto-fiktiv' als dass ich - nachdem ich die Texte/Gefühle/Flüssigkeiten zu Papier gebracht habe - einen Schritt zurücktrete und versuche, diese Gefühle zu verstehen. Vielleicht ist das eine Methode, überwältigende Emotionen zu protokollieren? Dann spiele ich mit verschiedenen Werkzeugen wie Melodie und Humor in Form von Wahrheit, um das Ganze zu formen und dem Song sozusagen seine eigene Persönlichkeit zu geben." Was bedeutet das denn für Songs wie "Ascend & Try Again"? Geht es hier um das Schwimmen - oder ist das eine Metapher? "Was ich interessant fand, als ich 'Ascend And Try Again' schrieb, war der Umstand, dass etwas so Konkretes wie Gerätetauchen als Metapher für Angstzustände zu verwenden ist", überlegt Kaya, "vielleicht gilt also beides?" Und wie konkret wird das Ganze denn? Geht es zum Beispiel um Therapie, Gedankenfutter, Botschaften oder das Unterbewusstsein? "Meine Erfahrungen habe ich auch selbst durchlebt", meint Kaya, "und wenn du alle vier der genannten Komponenten mischst, dann hast du schon einen ordentlichen Eintopf!"

Bemüht sich Kaya, die Erfahrungen aus ihren anderen Jobs beim Musizieren einzubeziehen? "Ich versuche nicht bewusst, Elemente aus meiner Arbeit einzubeziehen", zögert sie, "aber meine Jobs bedingen, dass ich viel herumreise. Das gibt mir Zeit für Beobachtungen, mit Notizen zu machen und darauf zurückzukommen, wenn ich mal zur Ruhe komme." Vieles, was Kaya verwendet, hat eine traumähnliche Qualität. Spielen Träume eine große Rolle in ihrem Wirken? "Ich denke, dass meine klanglichen Befindlichkeiten zuweilen traumähnlich sein können?" ,überlegt sie, "das ist für mich eine interessante Gegenüberstellung zu den Texten. Klänge sind ja Vibrationen - aber es ist nett, Klängen Raum für Assoziationen zuzueignen." Dadurch entsteht ja eine interessante Balance zwischen Klängen und Inhalten. Ist das absichtlich so austariert? "Ja, das mache ich bewusst so", erklärt Kaya, "allerdings kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich mir der spezifischen Inspirationen nicht bewusst bin. Ich muss mal eines Tages eine lange Liste machen. Mein Freund zieht mich immer auf, indem er mich darauf hinweist, dass ich von ungefähr hundert Songs behaupte, dass dieses meine Lieblings-Songs seien." Was macht denn einen guten Song aus? "Boah! Was immer das farbenfrohe Gefühl in meinem Hinterkopf kitzelt, das 'Schööön" brüllt. Dafür gibt es aber meines Wissens kein System. Ich finde es aber ermüdend, mir einen Song anzuhören, den ich subjektiv nicht mag, denn ich versuche immer das zuvor erwähnte Kitzeln zu verspüren - diesen süßen Nektar des Lebens!"

Okay Kaya
Wie wichtig sind Perspektive und Wahrnehmung für Kaya Wilkins? "Ich bestimme ja nicht, wie ich wahrgenommen werde", führt Kaya aus, "aber ich mag es, in meinen Songs verschiedene Ebenen anzubieten. Man kann sie von einer rein klanglichen Ebene wahrnehmen ('Oh, das ist ein netter flotter Song' oder sowas) - oder aber man kann ein wenig tiefer eintauchen." Kurzum: Wer sich auf Okay Kayas Wunderwelt einlässt, der hat damit ordentlich zu tun, kann aber auch einiges Entdecken. Kayas Vielseitigkeit hat aber auch noch andere, profane Auswirkungen: Eine kürzlich angesetzte Tour wurde kurzfristig wieder gecancelled, weil Kaya als Schauspielerin engagiert wurde...

Weitere Infos:
okay-kaya.com
www.facebook.com/okaykayamusic
www.youtube.com/watch?v=bAhAG4jaZws
www.youtube.com/watch?v=dZP6B1ZzzPY
www.youtube.com/watch?v=OHrpUlmplkY
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Okay Kaya
Aktueller Tonträger:
Watch This Liquid Pour Itself
(Jagjaguwar/Cargo)
 

Copyright © 2020 Gaesteliste.de
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Gaesteliste.de