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01.10.1998
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WHALE

Metal- und Disco-Kids

Whale
Whale sind ja schon ein recht komischer Haufen, so auch der Titel der neuen Platte: "All Disco Dance Must End In Broken Bones". Darüber muß natürlich geredet werden - was also verbirgt sich hinter dieser Feststellung? Sängerin Cia stand Rede und Antwort...

"Nun, ich habe letztens wirklich jemanden getroffen, der getanzt hat, bis er sich das Knie gebrochen hat! Aber eigentlich stammt dieser Spruch aus diesem 'Krieg', der bei uns in Schweden in den Diskos zwischen den Metal-Kids und den Disco-Kids herrscht. Außerdem hat eine Metal-Band, die es jetzt nicht mehr gibt, diesen Spruch in einem Song, und wir fanden den so gut, daß wir uns diese Zeile geklaut haben."

Amüsant ist er ja schon irgendwie - eine ähnliche Zeile findet man ja auch bei Morrissey wieder, aber das ist eine andere Story. Gab es denn einen großen Unterschied aufnahme- und schreibtechnisch im Vergleich zu Eurer ersten Platte?

"Ja, diesmal haben wir uns richtig mit der Absicht hingesetzt, einen Song zu schreiben. Das Song-Schreiben haben wir jetzt richtig drauf, weil wir uns sehr damit beschäftigt hatten. Wir wollten es nicht so wie beim ersten Album machen, wo wir uns irgendwann in der Nacht getroffen haben, und ratlos angesehen haben und irgendwie darauf gehofft haben, daß jemand eine Idee hat. Diesmal haben wir also hart an den Songs gearbeitet, man kann diese neuen Songs dann auch mal nur mit Gitarre und Gesang spielen, ohne die ganze Technik. Wir sind also nah dran, den perfekten Popsong zu schreiben! Falls wir nicht wieder daran gehindert werden wie letztens, als wir in einem Studio in Chicago aufnehmen wollten, und es im Studio geregnet hat! Und letztens in London ist der Geist von Freddy Mercury aufgetaucht - er hat zwar nicht zu uns gesprochen, aber die Putzfrau schwört ihn in unserem Studio gesehen zu haben!"

Das ist ja alles sehr seltsam. Egal, laß uns doch mal über Eure neuen Band-Mitglieder reden. Wie habt Ihr Euch denn gefunden?

"Nach der ersten Tour wollten wir eine richtige Band haben - wir hatten ja nur ein paar Session-Musiker für die Bühne mitgenommen. Wir haben immer soviel darüber gelesen, was die Band alles so macht, trinkt und feiert, und Henrik und ich mußten darüber nachdenken, daß Computer und Keyboards keinen Kater haben können und auch nicht saufen können - schließlich war das ja eigentlich die Band, wir beide und die Computer. Das wollten wir ändern und haben uns auf die Suche nach geeigneten Leuten gemacht. Henrik hat dann einen Gitarristen in einem Club getroffen, der wiederum einen Bassisten und einen Drummer kannte. So haben wir uns mal getroffen, und es war von Anfang an klasse, da wir uns auf Anhieb verstanden haben. So haben sich zwar die Aufnahmen zum neuen Album etwas verlängert, da wir uns ja erstmal richtig kennenlernen wollten, aber jetzt fühlen wir uns als komplette Band sehr wohl."

Bands fangen ja häufig damit an, Cover-Songs zu spielen, bevor sie beginnen, eigene Songs zu schreiben. Wie sieht es denn bei Euch aus?

"Ich finde es nicht gut, wenn man einen Cover-Song macht, um in die Charts zu kommen, denn da gibt es schon viel zu viele Cover-Songs. Ich denke, das hat wohl mit Faulheit oder einem Mangel an Fantasie zu tun - man denkt sich wahrscheinlich, daß, wenn es schonmal erfolgreich war, man das doch auch mit demselben erreichen kann! Naja, deswegen finde ich es gut, wenn Bands etwas völlig anderes aus dem Song machen - wir spielen z.B. 'Don't Dream It's Over' von Crowded House bei Konzerten, und es hat etwas 'Armaggeddon'-mäßiges, denn unsere Version ist groß, laut und krachig. Wenn man also eine 1:1 Kopie nachspielt, ist das doch recht sinnlos."

Konzerte von Whale sind ja fast schon legendär, da es immer eine 1-A-Powershow gibt, laute Gitarren und fette Bässe, und dazu natürlich Cia im Mittelpunkt des Geschehens. Kannst Du das Gefühl, was es heißt, auf der Bühne zu sein, beschreiben?

"Das habe ich schon oft versucht, aber noch nicht geschafft. Ich bin eigentlich sehr schüchtern und habe arge Probleme damit, in einem Raum vor vier Leuten zu reden. Dann sehe ich Bands auf der Bühne, und dann fange ich an darüber nachzudenken, warum ich nicht vor vier Leuten sprechen kann, dann aber vor zig Tausenden auf der Bühne ohne Probleme singen kann. Aber bis jetzt habe ich noch keine plausible Antwort gefunden. Es ist irgendwie ein anderes Leben, die Sekunden scheinen länger und alles ist intensiver, alles ist klar und man bekommt jeden einzelnen Moment mit. Der Adrenalin-Rausch ist natürlich auch nicht zu verachten, der einem genau wie beim Alkohol-Rausch Schmerzen nicht so wahrnehmen läßt - man verletzt sich, merkt es aber nicht so sehr. Genau wie damals, als ich mir bei einem Gig zwei Zähne mit dem Mikro rausgeschlagen habe!"

Hm, der Job als Popstar ist also doch gefährlich - habe ich es doch immer schon geahnt. Naja, jedenfalls ist es nicht gefährlich, sich mal das neue Album "All Disco Dance Must End In Broken Bones" reinzutun. Ein gelungener Mix aus alten Whale-Tugenden (laut, krachig, heavy) und neuen Sachen, die sie sich angelernt haben. Konkrete Tourpläne für Deutschland gibt es z.Z. noch nicht, aber das Warten wird sich sicher lohnen.

Wen möchte Cia auf ihrer Gästeliste haben und warum?

Eine gewöhnliches, deutsches Paar, eins in ihren 20ern und eins in ihren 40ern. Warum? Weil ich sie einfach mal kennenlernen will, denn ansonsten lerne ich immer nur Leute kennen, die irgendwie mit Musik zu tun haben.

[Erstveröffentlichung in Gästeliste #2, Oktober 1998]


Interview: -David Bluhm-
Foto: -Pressefreigabe-

Aktueller Tonträger:
All Disco Dance Must End In Broken Bones
(Virgin)
 

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