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12.12.2001
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MAGOO

Sind wir doch mal realistisch...

Magoo
Magoo sind anders als andere Bands. Was bei vielen Acts nur eine Verlegenheitsaussage ist, wenn sie ihre Musik nicht richtig einschätzen können, ist bei Magoo jedoch Lebensphilosophie. Die Band, die sich nach dem Cartoon-Charakter Mr. Magoo benannte, zentriert sich um die beiden Köpfe Andrew Rayner und Owen Turner. Die restlichen Mitspieler wechseln schon mal häufiger. Soeben trennte man sich vom schottischen Chemikal Underground-Label. Warum dieses? "Offiziell begründet wurde es nicht", meint Owen Turner, "es hat aber wohl auch damit zu tun, daß wir nicht so richtig dazu paßten. Wir kommen z.B. ja nicht aus Schottland (sondern aus Norfolk)." Die Band hat schon einiges an Höhen und Tiefen erlebt. Andrew Rayner formuliert das so: "Wir hatten schon oft die Möglichkeit, aufzuhören." Sie haben es nicht getan. Das aktuelle Album erschien auf dem neuen Global Warming Label und heißt "Realist Week" - wieso denn das um Himmels Willen? Sind denn die anderen 51 Wochen eines Jahres etwa unrealistisch? "Das ist eine sehr gute Frage", meint Owen diplomatisch. "Es kommt vom ersten Track", überlegt Andrew, "ich weiß nicht..." Eine gewisse Stille macht sich breit. "Man kann seinen Gedankenzug hören", murmelt Owen, "siehst du jetzt, warum wir so lange brauchen, um eine Scheibe aufzunehmen... Nein, im Grunde bedeutet es gar nichts."

Was uns dann auch gleich zu der Frage bringt, was die kryptischen, assoziativen Texte (und Songtitel) uns sagen wollen. "Ich schreibe diese Texte ohne darüber nachzudenken", gibt Andrew zu, "sie bedeuten nichts besonderes. Bis zu dem Zeitpunkt, wo mich andere Leute drauf ansprechen. Dann macht es 'Klick' und ich denke mir, ja, das könnte dieses und jenes bedeuten." Diese Stream-of-consciousness-Vorgehensweise wird jedoch von konkreten Begriffen aufgelockert: "Motorama", "Powerman", "Nastro Adheviso"... "Eine Menge Worte auf der Scheibe kommen diesmal von Filmen oder Büchern als Inspirationsquellen", erläutert Andrew, "in meinem Kopf geht es nur um Wörter, die gesungen nett klingen. Wörter als Sounds." "Oder als Atmosphäre - wie ein Spaziergang am Strand", ergänzt Bassistin Jenny Heagren. "Nastro Adheviso ist übrigens das beste Beispiel dafür, daß man einen Song über jedes Thema schreiben kann", meint Andrew, "das stand auf einem spanischen Kleestreifen hintendrauf und was anderes bedeutet es auch nicht." Bei dieser angesammelten Bedeutungslosigkeit der Texte fragt man sich ja direkt, warum Magoo sich denn überhaupt mit Texten herumplagen und nicht gleich Instrumentalmusik machen? "Ich liebe es einfach zu singen", sagt Andrew. Und warum sind dann die Texte nicht spezifischer? "Sie sind schon spezifisch", beharrt er, "sie sind halt nur so spezifisch wie DU es zuläßt. In allen Songs gibt es auf jeden Fall immer kleine Passagen, die wirklich etwas bedeuten. Es ist uns jedoch wichtig, daß jeder hereinlesen können soll, was er möchte."

Wie immer geht musikalisch auf der Scheibe alles, was nicht technisch unmöglich ist. Von Schrammelpop bis Art-Rock wird alles verwurstelt, was sich nicht wehrt. Zwei Dinge überraschen dabei: Daß das als Gesamtkunstwerk funktioniert und daß die Scheibe wie aus einem Guß klingt, obwohl - so Owen: "Wir haben über ein Jahr an der Scheibe gearbeitet. Manche Tracks sind sogar noch älter. Da haben wir alles gesammelt, was uns unterkam. Manchmal kam alles aus einem Guß, manchmal gab es Unterbrechungen. Wenn wir z.B. irgendwo ein Orgel-Riff gefunden haben, haben wir es in einen Song umgesetzt. Andrew schreibt dann die Texte dazu." "Wir haben noch ein anderes, 'fließendes' Bandmitglied - der momentan nicht dabei ist, er ist gut auf der Orgel", ergänzt Andrew, "aber: Wenn wir das Geld und die Leute gehabt hätten, hätten wir ALLES auf das Album gepackt, was uns gerade untergekommen wäre." "Keine Limits", bringt Owen es auf den Punkt. Da sei die Frage erlaubt, was die Jungs (und die Bassistin machen), wenn sie nicht an der Scheibe arbeiteten. "Im Grunde ist es das, was wir machen", meint Owen, "sechs Monate schreiben, sechs Monate aufnehmen. Aber wir haben unser eigenes Studio. Außerdem nutzen wir das Studio, um mit anderen Bands zu arbeiten, wenn wir selbst nicht aufnehmen." Wie bringt man denn das ganze gesammelte Material in Form? "Wir hatten über 60 Songs, aus denen wir auswählen konnten", erinnert sich Andrew, "es ergibt sich dann von selbst". Nun ja: Nicht ganz von selbst: "Wir machen natürlich immer wieder Tapes", ergänzt Owen, "die wir uns dann auch daraufhin anhören, was gut zusammen geht. Es ist aber sehr leicht."

Magoo haben - was die Präsentation der Songs betrifft - einen nicht indisputablen Standpunkt: Die Stücke sollen live möglichst nah an den Studiotracks bleiben. Was ist denn hierbei der Gedanke? "Die Stücke sind ja alle recht komplex", erläutert Owen, "wir möchten aber nicht besondere Passagen oder Sounds den Umständen opfern. Deswegen bleiben wir so nah wie möglich an den Originalen. Bei uns wird wenig improvisiert. Andere Band machen das ja auch. Nimm Mogwai z.B.: Die können ja nur deswegen dermaßen intensiv performen, weil sie ihre Tracks minutiös durchstrukturieren." Nun gut: Immerhin haben Magoo ja auf alle Fragen die richtigen Antworten gehabt. Immerhin: Magoo zählen zu den Bands, die sich keinerlei kommerziellen, stilistischen oder marketingtechnischen Normen unterwerfen. Und das ist gut so!

Weitere Infos:
www.thesickroom.co.uk
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Pressefreigabe-
Magoo
Aktueller Tonträger:
Realist Week
(Global Warming/Repertoire)
 

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