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21.02.2003
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THE MINUS 5

Pop mit Phantasie

The Minus 5
Über zwanzig Jahre mischt Scott McCaughey schon im Musikbusiness mit, beispielsweise als Sänger und Gitarrist der Young Fresh Fellows, die nicht nur in ihrer Heimat, dem nordwestlichen Zipfel der USA, Kultstatus genießen, oder als Musiker der hochkarätig besetzten Instrumentalband Tuatara und nicht zuletzt auch als Mastermind der Minus 5. Nachdem er so ziemlich alle Höhen und Tiefen des Geschäfts durchgemacht hat wollten wir zunächst einmal wissen, ob er denn noch einen Traumpartner für eine musikalische Kollaboration im Kopf habe. "Das Allergrößte wäre es, wenn Neil Young mal auf einem meiner Songs Gitarre spielen würde", entgegnet McCaughey gut gelaunt, als Gaesteliste.de ihn unlängst in seiner Heimatstadt Seattle anrief.

Ein Wunsch, den sicherlich viele Musiker hegen, doch während die meisten Herrn Young oder Musiker eines ähnlichen Kalibers höchstens aus der Ferne bewundern dürfen, hat McCaughey das Glück, bei The Minus 5 mit einer ganzen Armada an Größen zusammenzuarbeiten. Dem losen Musikerkollektiv haben in der Vergangenheit nicht nur Legenden wie Robert Pollard von Guided By Voices, Pearl Jams Mike McCready, Soft-Boys-Mastermind Robyn Hitchcock, Lee Ranaldo, Mary Lou Lord, Jon Auer von den Posies oder Jason Finn (The Presidents Of The USA) sowie diverse Musiker von den Walkabouts, NRBQ und den High Llamas als Gäste angehört, nein, selbst die Stammbesetzung der Band liest sich wie das Who-Is-Who der amerikanischen Alternative-Rock-Szene. Am Schlagzeug sitzt Bill Rieflin, Drummer auf allen maßgeblichen Ministry-Alben, die Gitarre spielt John Ramberg, beachteter Kopf der Model Rockets und früherer Co-Autor von Neko Case, die Orgel bedient Posie Ken Stringfellow, und den Bass spielt Peter Buck von R.E.M., die McCaughey zudem seit Mitte der 90er als Sessions-Musiker auf sämtlichen Konzerten begleitet hat. Dass er bei den Bridge-School-Auftritten mit R.E.M. Neil Young nicht nur traf, sondern 1998 sogar mit ihm zusammen auf der Bühne stand, sei nur nebenbei erwähnt. Und als wäre das alles noch nicht genug, holte sich McCaughey neben den bereits erwähnten üblichen Verdächtigen für das neue Minus-5-Album die komplette Besetzung von Wilco als Backingband ins Studio. Das durch und durch brillante Ergebnis ist das vierte reguläre Minus-5-Album, passenderweise "Down With Wilco" betitelt.

The Minus 5
"Ich bin ganz einfach ziemlich glücklich, dass ich diese Platte mit Wilco machen konnte", erzählt McCaughey. "Die Songs klingen jetzt viel besser, als wenn ich sie alleine so aufgenommen hätte, wie ich sie für mich in meinem Kopf gehört habe!" Obwohl Scott und Wilco-Mainman Jeff Tweedy seit vielen Jahren befreundet sind, schien eine Zusammenarbeit lange unwahrscheinlich. Dass es im Herbst 2001 doch klappte, verdanken wir der fehlenden Weitsicht des früheren Wilco-Labels Reprise, das die vier samt ihrem Klassiker "Yankee Hotel Foxtrot" kurzerhand vor die Tür setzte. "Wilco waren, kurz bevor wir mit den Aufnahmen begannen, von ihrem Label gefeuert worden. Das war ein guter Ansporn, denn so konnten wir zusammen ins Studio gehen, ohne dass ihre Plattenfirma hätte Einwände haben können", erklärt McCaughey. "Anfangs wussten wir noch nicht einmal, ob daraus eine Minus-5-Platte werden würde. Ich bin einfach nach Chicago gefahren und habe mit Wilco angefangen. Als ich wieder zu Hause in Seattle war, hat dann Peter Buck noch auf alle Songs draufgespielt, und Ken Stringfellow kam auch noch für eine ganze Reihe Stücke dazu, und so wurde die Platte dann von einem Scott McCaughey-With-Wilco- zu einem Minus-5-Album." Und abschließend ergänzt Scott noch lachend: "Ich wollte auch niemand mit einem weiteren neuen Bandnamen konfus machen!" Dass dabei eine herrlich altmodische, aber keinesfalls altbackene Pop-Platte herausgekommen ist, dürfte kaum verwundern. Ein Album, das McCaugheys Hang zu psychedelisch angehauchten 60s-Sounds genauso Rechnung trägt wie der todsicheren Pop-Sensibilität Bucks und der countryesk-melodiösen Querdenker-Mentalität von Wilco. "Down With Wilco" ist ein Album, dessen Inspirationsquellen zwar ohne Zweifel in der Vergangenheit liegen, aber mit viel Gefühl und unendlich viel Können gelingt es den Protagonisten spielend, aus dem Sound von gestern den von heute, ach, was sag ich, den von morgen zu machen. Pop mit Phantasie, ganz wie er sein sollte!

The Minus 5 - The History so far...

* "Old Liquidator" (Glitterhouse, 1995)

McCaughey: "Das war unsere erste Platte, und deshalb hatte ich eine sehr genaue Vorstellung davon, wie die Platte sein sollte. The Minus 5 sollten psychedelische Folkmusik spielen. Es sollten Songs sein, die ich nur mit Akustikgitarre und Gesang aufnehmen würde. Aber danach sollten dann alle möglichen Leute verrückte Sachen draufspielen! Ich hatte nicht geplant, dass aus The Minus 5 eine Rockband werden sollte."

* "The Lonesome Death Of Buck McCoy" (Malt/Hollywood, 1997)

McCaughey: "Das Konzept bei dieser Platte war, dass Peter und ich die Songs zusammen schreiben würden. Es war also von vorne herein als Kollaboration gedacht, und wir hatten als Ziel, das Feeling von Platten wie 'Rubber Soul' [von den Beatles] oder 'The Notorious Byrd Brothers' [von The Byrds] zurückzubringen. Die Songs sollten Country- und Folk-Einflüsse haben, aber dennoch Pop/Rock sein, mit einem Schuss Psychedelia. [Und auf den Hinweis, dass er mit dem inneren Coverdesign nebenbei auch noch "Beggar's Banquet" von den Rolling Stones zurückgebracht hätte] Oh, das ist dir aufgefallen, was? Aber es stimmt. Ich hab mir 'Beggars Banquet' geschnappt und bin damit zu meinem Bekannten gegangen, der das Cover gestaltete - ich geb's zu, ich leihe mir hier und da einige Ideen!"

* "Let The War Against Music Begin" (Malt/Mammoth, 2001)

McCaughey: "Das eigentliche Konzept für diese Platte war, dass auf ihr nur Depri-Songs erscheinen, aber letztendlich nahm ich Material für gleich zwei Platten auf, von denen allerdings nur eine auf Mammoth erschien. Die Leute beim Label waren ganz scharf darauf, möglichst viele poppige Songs auf dem Album zu haben, so sind die meisten der sehr langsamen, komplett verrückten Songs unter den Tisch gefallen. Diese Stücke werde ich vielleicht irgendwann mal als Kollektion veröffentlichen. Letztendlich ist die Mammoth-Platte also viel poppiger, als sie ursprünglich hätte sein sollen. Den Titel hatte sich Peter gleich zu Beginn der Aufnahmen ausgedacht, weil die Platte eben ziemlich depressiv hätte sein sollen, was sie textlich ja auch immer noch ist."

Weitere Infos:
www.cookingvinyl.com/minus5/index.php
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigabe-
The Minus 5
Aktueller Tonträger:
Down With Wilco
(Cooking Vinyl/Indigo)
 

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