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10.02.2003
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SUCH A SURGE

Fünf Freunde müsst ihr sein

Such A Surge
Such A Surge ist eine Band wie jede andere. Manche mögen sie, manche lieben sie und manche finden sie eher weniger gut. Doch eines ist bei ihnen anders: Es gibt kaum eine Band, die von wohl wirklichen allen, von Fans, Nicht-Fans, Musiker-Kollegen und Journalisten dermaßen respektiert wird, wie eben Such A Surge. Doch dieser Respekt kommt nicht von irgendwo her. Die fünf Braunschweiger haben ihn sich erarbeitet, indem sie seit über zehn Jahren konsequent ihr Ding durchziehen und sich dabei von Platte zu Platte weiter entwickeln und verbessern.

"Wir haben uns nie orientieren lassen, sondern immer nur das gemacht haben, was wir sind und was uns rauskommt. Mal hat's in die Zeit gepasst, mal hat's nicht gepasst", so Axel Horn. "Wir haben uns, trotz Major-Business, nie verführen lassen. Hätten wir das getan, dann würde ich heute hier nicht sitzen." Seit 1993 sitzt er da nun schon, als Bassist und inzwischen auch Manager von Such A Surge. Das nennt man dann wohl einen alten Hasen. "Es ist komisch. Im Laufe dieser Jahre fängt man an zu reflektieren. In den ersten Jahren hat man es ja nie so mitgenommen, weil man einfach drin war. Über die Frage, wie man sich als alter Hase fühlt, habe ich mir häufig Gedanken gemacht. Aber man muss aufpassen, dass nicht zu anzunehmen, denn am Ende des Tages bin ich 28 Jahre alt und das ist ja eigentlich nicht so alt."

Wir treffen Axel Horn in einem kleinen Hotel mitten auf der Hamburger Reeperbahn. Er trinkt Cola und wirkt sehr relaxt und gut gelaunt. Während sich seine Bandkollegen Olli (Gesang), Michel (Gesang), Antek (Schlagzeug) und Dennis (Gitarre) vom Aufnahme-Stress erholen, geht Axel auf Interview-Tour. Denn einer muss ja das neue Album "Rotlicht" promoten. "Ich bin verdammt stolz drauf. Weil wir es wieder geschafft haben, uns weiter zu entwickeln, uns neu zu positionieren. Es ist nicht der 'Surge-Effekt'-Teil 2, sondern man merkt uns an, dass wir noch mal älter geworden und auch musikalisch gewachsen sind. Wir haben es selbst produziert und auch darauf sind wir sehr stolz. Weil es vom Sound her sehr old schooly ist, sehr reduziert. Also nicht diesen heutigen Nu-Metal-Zeiten entsprechend, alles over the top zu produzieren. Ich hatte ein Interview, da wurde ich gefragt: 'Mensch, wie viele Gitarren habt ihr denn da gedoppelt? Dass hat so einen Punch!', und ich meinte nur 'Alter, das ist 'ne 50er Jahre Produktion, da ist ne Rhythmus-Gitarre und da ist 'ne Solo-Gitarre!' Darum puncht das vielleicht mehr, als da hier ne Spur und da noch ne Spur. In dem Sinne ist es eben ein Album alter Schule, so wie man früher Gitarrenmusik verstanden hat." Entstanden ist "Rotlicht" komplett in Köln. Drei Wochen lang ging die Band dort ins Studio. "Diesmal haben wir unseren Arbeitsprozess komplett umgestellt", so Axel. "Wir haben nicht in Braunschweig unsere Songs geschrieben, sondern haben drei Wochen in diesem Studio, in dem wir sonst auch immer aufnehmen, gejammt. Darum ist es auch unsere homogenste Platte, die echt nach einer Band klingt." Es ist sicherlich das persönlichste, reifste und auch düsterste Werk der Braunschweiger. Zwar ist jeder Song sofort als Surge-Nummer zu identifizieren und doch sind sie nicht typisch Surge. "Es gibt zwei Unterschiede zu den letzten Platten", erklärt Axel. "Sie ist von der Stilistik her homogener. Bei der letzten hattest du ja immer mal einen Hardcore-Song neben einem Punk-Song neben einem HipHop-Song neben einem Pop-Song. Diesmal hast du eben mehr eine Ausrichtung. Das zweite sind die Texte. Die ersten vier Platten sind sehr über die Außenwelt, dadurch haben uns ja auch den Ruf als sozialkritische Band erspielt. 'Rotlicht' ist das mit Abstand persönlichste Album. Die Texte sind persönlicher. Ich bewundere Oliver, der hat schon ganz schön die Hosen runtergelassen." Dass Olli diesmal nahezu komplett für die Vocals zuständig ist, liegt allein an dessen Kreativität. "Er hat einfach einen höheren Output als Michel. Michel ist eher der Lust- und Laune-Schreiber und Olli hört zum Beispiel oft ein Instrumental und hat sofort textliche Eingebungen und setzt sich hin und schreibt los. Das war aber nicht geplant", lüftet Axel das Geheimnis.

Such A Surge
Ein weiteres Geheimnis war der Titel. In einem Online-Interview wollte Olli nicht verraten, was es mit "Rotlicht" auf sich hat. Axel ist da schon auskunftsfreudiger: "Bei Surge erwartet jeder immer die große Erwartung hinter allem. 'Rotlicht' ist diesmal eigentlich einfach nur ein Albumtitel. Jeder von uns hat 'ne andere Interpretation und wir stehen auf Sachen, die man weit interpretieren kann. Wir haben uns wochelang den Kopf zermartert, wie wir das Album nennen. Wir wollten unbedingt einen warmen Titel, weil wir ein warmes Empfinden bei dem Album hatten. Wir gaben unserem Kumpel, der die ganzen Artworks macht, Kai, den Auftrag, ein Bild fürs Frontcover zu malen, aber ohne die Musik zu hören. Also einfach: 'Du kennst uns, male mal ein schönes Bild!'. Und dann hat er uns dieses Bild geschickt, das er 'Red Light' genannt hatte. Und dann haben wir es im Studio gesehen, und alle fünf, was schon außergewöhnlich ist, haben sofort gesagt: 'Alter, das ist das Albumcover'. Red Light - Rotlicht, cooler Name, das passt. Ist frei interpretierbar und warm. Also heißt es 'Rotlicht', so einfach ist das."

Weniger einfach war es, sich für die Songs zu entscheiden, die letztendlich auf's Album kommen sollten. 13 Stücke waren fertig, doch die Band entschloss sich, nur zehn auf "Rotlicht" zu packen. "Wir haben es dann Grand Prix de Eurovision genannt. Jeder hat Punkte vergeben und die Songs, die am wenigsten Punkte bekamen, sind dann im Endeffekt rausgeflogen und die Top Ten sind aufs Album gekommen. So einfach ist das in der Basis-Demokratie." Genau diese Demokratie ist es auch, die Surge seit so langer Zeit zusammen hält. Jeder hat das gleiche Recht, einen Boss gibt es nicht. Das führt natürlich schon zu Diskussionen. "Man streitet sich mal und am nächsten Morgen liebt man sich wieder, weil man einfach das gleiche Blut hat. Ich vergleich es immer mit einer Familie. Ich hab zu den Jungs ein Verhältnis wie zu meinen Geschwistern."

Axel ist nicht nur Manager, Bassist und Bruder von Surge, er ist auch der Kopf hinter Surge Music. "Das ist kein Label, sondern eine kleine Produktionsfirma, die sich darum kümmert, wenn wir oder einer von meinen Jungs solotechnisch eine Platte macht. Das heißt also, wo Surge Music drauf steht, dass alles auch von Surge Music ist. Wir geben der Plattenfirma das Finished Product und die sorgt eigentlich nur noch dafür, dass unsere Platte auf den Markt kommt. Für alles andere sorgen wir. Selbst juristisch hat die Sony inzwischen kein Mitspracherecht mehr. Sie sind einfach ein Instrument für uns, das unsere Kunst unters Volk bringt." Was natürlich nicht bedeutet, dass man sich in einigen Fällen nicht abspricht. Wie bei der Entscheidung zum Beispiel, der Presse statt einer Promo-CD ein Vorab-Tape zu schicken. "Der Tape-Gedanke kommt natürlich durch die ganzen eBays und die CD-Brennerei. Was uns jetzt nicht wirklich belastet ist, dass sich Kids das brennen. Aber es hat uns schon traurig gestimmt, dass es Alben schon vier Wochen vorher bei eBay gibt", erklärt Axel die Entscheidung. "Bei Korn war es jetzt so, dass Sachen im Netz existierten, die noch nicht mal fertig gemischt waren. Und das ist ja nicht der Sinn, ein Künstler will ja seine Kunst auch erst mal fertig zu Ende führen. Die Sony wollte dann, dass wir eine Fade-Version auf CD machen, also dass die Songs nur angefadet sind. Aber da haben wir gesagt, das können wir nicht machen, weil gerade dieses Album musst du in der Gesamtheit hören, um es zu verstehen. Es ist scheiße, wenn es nach dem ersten Riff einfach runtergefadet wird. Dann haben wir vorgeschlagen, ein Tape machen. Das kannst du nicht brennen, es ist Old School und wir alle haben früher Tapes gehört."

Ab dem 10. Februar steht das Album in den Läden. Und für die ganz schnellen Käufer haben sich die Surger was ganz besonderes ausgedacht. Wer sich nämlich in der ersten Erscheinungswoche "Rotlicht" besorgt und seinen Kassenbon an Surge Music schickt, bekommt mit etwas Glück eine streng limitierte DVD geschenkt, auf der sich die Videos zu "Koma 2002" und zur neuen Single "Hypochonder" befinden! Mit dieser Aktion sollen die belohnt werden, die die Band seit Jahren unterstützen und noch wert auf eine Original-CD legen. Also fix die Quittung an: Surge Music, Stichwort: Hypochonder, Comeniusstr. 4, 38102 Braunschweig. Schöne Sache, das!

Such A Surge
Nicht weniger schön dürfte die am 19. März beginnende SAS-Tour werden. Schließlich gehören die Braunschweiger zu den wohl besten Live-Bands der Republik. Ganz egal ob auf großen Festival-Bühnen oder in kleinen Clubs, der Spaß ist garantiert. "Klischeemäßig müsste ich als Rocker jetzt sagen, Clubshows sind geiler als Festivals. Aber ich glaube das nicht", lacht der Bassist. "Natürlich flasht es, wenn in 300er-Clubs der Schweiß von der Decke tropft. Aber es ist auch beeindruckend, wenn bei Rock Am Ring 50.000 Leute vor der Bühne stehen und 20.000 singen 'Jetzt ist gut'. Da kriegt man schon eine Gänsehaut oder mal 'ne Träne in den Augen. Überhaupt ist es das Live-Spielen, was mir an dem Job wohl am meisten Spaß macht." Eine andere Leidenschaft von Axel ist der Fußball. Wenn zum Beispiel Olli oder Antek grafische Geschichten am Computer machen oder Dennis malt, zieht es den Basser auf den Bolzplatz. "Weil ich durch die ganze Management-Geschichte viel am Schreibtisch sitze, ist das einzige, wo ich mich noch kreativ ausdrücke, wenn ich den Ball jeden Samstag rechts oben ins Dreieck schlenze. Ich bin ein absoluter Fußball-Fanatiker und war vor Surge eigentlich auch Fußballer. Außer ins Tor kannst du mich überall hinsetzen. Aus Lokalpatriotismus bin ich natürlich auch Eintracht Braunschweig-Fan, aber eigentlich bin ich HSVer. Das ist als Rock'n'Roller nicht immer einfach. Auch in unserer Crew sind viele St. Pauli-Fans und die können das nicht verstehen." Auch wenn sie es nicht verstehen, respektieren tun sie es. Natürlich.

Weitere Infos:
www.suchasurge.de
www.surgenet.de
Interview: -Mathias Frank-
Fotos: -Pressefreigaben / Mathias Frank-
Such A Surge
Aktueller Tonträger:
Rotlicht
(Columbia/Sony Music)
 

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