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05.03.2003
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SONS OF JIM WAYNE

Die Ritter der Kokosnuss

Sons Of Jim Wayne
Das Jim Wayne Swingtett schläft - doch die Sons Of Jim Wayne ziehen hellwach durch die Lande. Ähnlich den Rittern der Kokosnuss tun sie quasi so, als wären sie eine Band und haben beachtlichen Erfolg damit. Und das ist erstaunlich genug, denn die Sons of Jim Wayne sind gerade mal Stefan Kullik und Bernd Uebelhöde - also lediglich die Hälfte des legendären Jim Wayne Swingtetts. Stilistisch tun sie sich aber nicht viel im Vergleich zur Big Band Besetzung: Es gibt immer noch jede Menge freudentrunkener, westfalisierter Roots-Songs und verregneten Country - angereichert mit einem bisserl Bluegrass und Folk.

Für die, die es noch nicht wissen: Was ist unter welchen Umständen und wie und wann mit dem Jim Wayne Swingtett passiert? (Wir erinnern uns kurz: Jim Wayne ist keine real existierende Person, sondern ein unkonkreter Aphorismus für jedwede Interpretationsmöglichkeiten). "Das Konzept der Wayne Familie ist auch auf bis zu 50 Jahre angelegt", erklärt Stefan, "die Sons Of Jim Wayne sind derzeit die Missionare der Wayne Familie, die die Nachricht der guten Hausmusik in die Welt raustragen. Shorti und Tiep Typsen [die andere Hälfte des Swingtetts] schreiben ebenfalls weiterhin Songs und wenn sie etwas veröffentlichen sollten, kann ich die Scheibe jedem nur herzlichst empfehlen. Das Swingtett hat es über Jahre geschafft, vier (teilweise fünf) Songschreiber unter einen Hut zu bringen. Jeder der in einer Band spielt, weiß wie schwer es ist mit zwei Songschreibern einen Konsens zu finden - mit vier Songwritern ist es natürlich noch schwerer. Insgesamt sind es zum Großteil organisatorische Gründe, die zur Swingtett Pause geführt haben. Die Sons Tour im Frühjahr 2002 hat jedenfalls gezeigt, dass es zu zweit nicht nur gut funktioniert, sondern einfach mehr Spaß macht und sehr gut beim Publikum ankam. Nichtsdestotrotz ist es nicht unmöglich, dass das Swingtett in fünf Jahren wieder eine Platte zusammen aufnimmt." Ein angetaner Veranstalter meinte einmal angesichts der unbedarften Spielfreunde des Swingetts: "Klasse, die können besoffen klingen, ohne es zu sein." Und brachte die Sache damit anerkennend auf den Punkt. "Ich denke, dass diese besondere Stimmung durch unsere Unterhaltung mit dem Publikum entsteht", versucht Stefan das zu interpretieren, "wir reden gerne zwischen den Stücken mit der Hörerschaft. Wir spielen zum Großteil auch in Kneipen-ähnlichen Locations. Das kommt uns zu Gute, weil wir Kneipentypen sind und es lieben vor, bei und nach der Show mit den Zuschauern ein (oder mehrere) Bier(e) zu trinken. Für uns ist es wichtig, freundlich gegenüber den Besuchern aufzutreten und sie zu unterhalten. Vielleicht ist es auch unsere Ruhrpottart, die den Eindruck vermittelt. Denn im Allgemeinen ist das Ruhrpottgesicht als Biertrinker bekannt..."

Im Info heißt es ja, dass der eigentliche Sinn der Jim Waynes im Live-Spielen besteht. Warum gibt es denn nicht mal einen ordentlichen Live-Mitschnitt anstatt einer mit beschränkten Mitteln aufgenommenen LowFi-Platte - müsste doch kostentechnisch auf's selbe rauskommen, oder? "Wir machen nach Möglichkeit immer einen Live-Mitschnitt unserer Konzerte und bieten diese über unsere Internetsite an. So kann sich jeder Besucher sein Andenken an die Show sichern. Wir haben 'Sweet Madonna' im Homerecording Modus aufgenommen, weil wir so die Möglichkeit hatten, unsere Freunde mitmachen zu lassen. Ob Yoshinos Geige oder Thomas Ostermanns Dobro Solos - all diese Sachen können wir live nicht immer präsentieren und dennoch gibt es diese Ideen in unseren Köpfen wie der Song 'in Perfektion' klingen soll. Diese Vorstellungen lassen sich besser im privaten Kreis mit etwas Zeit besser verwirklichen." Was denken denn eigentlich erfolgreiche Profis wie die Sons Of Jim Wayne von solchen Veranstaltungen wie "Deutschland sucht den Superstar"? "Es gibt mehrere Dinge, die ich an 'Deutschland sucht den Superstar' schätze", holt Stefan aus, "der größte Pluspunkt dieser Sendung ist ganz klar der Livefaktor. Ich finde es super, dass der ganzen Playback-Kacke die Stirn geboten wird und die Kandidaten WIRKLICH live singen. Der zweite Punkt ist, dass den Zuschauern klar wird, dass es auch in Deutschland gute Sänger & Sängerinnen gibt. Deutschland unterschätzt seine eigenen Künstler im Allgemeinen zu sehr. Auch die Sons haben oft damit zu kämpfen, dass das Vorurteil Country-Bluegrass kann nur von Amis gut gebracht werden, immer noch greift. Das ist Quatsch. Die ganze Bewegung, die mit dem Cajun startete, wurde stark von europäischen Einwanderern geprägt. Nun schwingt das Pendel zurück und warum sollen nicht deutsche Bands ihre Interpretationen des Country abgeben?" Wie handhaben die Sons denn den Bluegrass als solchen? Ist doch schwierig, oder? "Der Bluegrass ist so schwierig wie er auch einfach ist. Natürlich können wir uns in keinster Weise mit so großartigen Künstlern wie Gillian Welch, Alison Krauss & Union Station und / oder den Stanley Brothers vergleichen, aber die eigentliche Grundstimmung des ganz eng miteinander Spielens und die Simplizität der Songstrukturen treffen den Geist der Wayne Familie. Die meisten Bluegrassklassiker sind so offensichtlich arrangiert, dass jeder, der fünf Akkorde spielen kann, jederzeit mitspielen kann. Das ist auch das Ziel der Sons: Es sollte zu jeder Zeit möglich sein, einen Gastmusiker auf die Bühne einzuladen und ihm zu sagen: 'Die Griffe sind G-C und D und los geht's.' Du hast natürlich recht, dass Bluegrass dahingehend schwierig ist, sich mit einem 75jährigen Banjoplayer zu messen, der seit 70 Jahren Musik macht, aber was wir technisch nicht erreichen können, machen wir mit Herzblut wieder wett."

Sons Of Jim Wayne
Wer ist denn eigentlich "Sweet Madonna"? "Da steckt kein großer Background dahinter. Wir hatten ein gutes Foto, auf dem eine Madonna abgebildet war und einen Song der den Namen trug. So kam alles zueinander. Bernd und ich sind zwar Madonna Fans (ich rede jetzt von DER Madonna), aber diese ist in diesem Fall nicht gemeint." Die Songs der Sons sind ja schon zuweilen schon irgendwie White-Trash-Redneck in der bestmöglichen Auslegung. Ist es irgendwie wichtig, sich eine gesunde Naivität bewahrt zu haben, wenn man Musik wie diese macht? "Die Wayne Familie war nie politisch oder hat sich durch große Statements gegenüber der Welt ausgezeichnet. Es geht in unseren Songs einfach darum, nette Geschichten in schönen Melodien zu verarbeiten. Sie sind alle Traditional-artig angelegt, um zeitlos zu bleiben. Zuviel 'kopflastige' Songs, die das aktuelle Zeitgeschehen beleuchten, sind nicht unser Ding. Wir wollen unterhalten und dem Zuhörer eine gute Zeit bescheren. Persönlich möchte ich niemandem erklären, was und wie er zu denken hat. Bei den Sons Shows sollte nicht so viel gedacht werden, sondern die Leute sollen bei einem Bier den Alltag vergessen und sich eine gedankliche Auszeit gönnen. Von daher würde ich schon zustimmen, dass wir die Songs bewusst naiv halten. Schließlich besuchen sie ein Konzert und keine Podiumsdiskussion." Die Tracks auf der Scheibe scheinen ja wieder fragmentarischer zu sein (so ähnlich wie auf der ersten CD). Und in der Info heißt es ja auch, dass der Auswahlprozess schwierig war. Mal ehrlich: Wäre esdenn nicht vernünftiger, an weniger Songs länger zu arbeiten, als so viel wie möglich in so wenig Zeit wie möglich zu machen. (Offensichtlich ja nicht - also: Was ist der Beweggrund, so zu verfahren, wie ihr es tut. Ani DiFranco kann sich ja zumindest auf militante Anhängerinnen verlassen). "Im Gegensatz zur Studioarbeit unterliegt man beim Homerecorden keinem Zeitdruck", wehrt Stefan diesen versteckten Vorwurf ab, "So haben wir uns bei den Aufnahmen zu 'Sweet Madonna' gedacht einfach 5-6 Sessions zu machen bei denen wir im Schnitt vier Songs aufnehmen. Dazu haben wir uns recht gute Mikros etc. ausgeliehen. Ansonsten nehmen wir das ganze Jahr über Songs mit unserem normalen Equipment auf. Wir standen also zu keiner Zeit unter Zeitdruck. Länger an Songs zu arbeiten, birgt die Gefahr, die Songs überproduziert klingen zu lassen und die eigentliche Idee des Songs zu entstellen. Am Ende einer Aufnahme findet man immer noch irgendwas, was man hätte besser machen können. Da auch Fehler oder fehlende Elemente den Charakter eines Songs positiv beeinflussen, sehen wir die Aufnahmen nur als Momentaufnahme oder die Seite eines musikalischen Tagebuchs, die lediglich das Jetzt beschreibt. Wir hätten auch 36 Songs auf 'Sweet Madonna' packen können. Doch wir haben uns für 18 Songs in 45 Minuten entschieden. Alles weitere würde den Hörer überfordern und einzelne Songs schwächen."

Gaesteliste.de-Korrespondent Carsten Wohlfeld machte in seinem Live Review darauf aufmerksam, dass bei den Sons Konzerten viele Mädels anwesend sind (und löste dabei doch ziemliche Diskussionen aus). Wie erreicht man denn so etwas mit ansonsten als typischem 'Männermusik' verschrienem Material? "Da muss ich widersprechen. Es gibt jede Menge Frauen in der Country & Bluegrass-Szene", meint Stefan (Hier liegt indes ein Missverständnis vor: Dass es jede Menge Künstlerinnen in der Szene gibt, die von allen relevanten Labels hierzulande konsequent und sträflich ignoriert werden, weiß kaum jemand besser als der Verfasser dieses Artikels). "Warum derzeit mehr und mehr Frauen zu unseren Konzerten kommen, ist schwer zu sagen. Vielleicht liegt es daran, dass diese Art der Musik immer mehr ins öffentliche Leben tritt. Es gibt in verschiedenen Werbespots traditionelle Musik im Hintergrund und 'O Brother Where Art Thou'?' hat einige Ohren geöffnet. Glücklicherweise scheint dadurch das Vorurteil - diese Art von Musik sei Männermusik - zu bröckeln. Ich sehe auch, dass bei unseren Konzerten zunehmend 'alternative Rocker' oder 'Grunger', bei denen es auch immer einen großen Frauenanteil gab, zu finden sind. Die Parallelen sind klar - beides ist Gitarrenmusik, die handgemacht ist und live ihren eigentliche Charakter entwickelt." Wie geht's denn weiter? So wie das aussieht, wird das ja so schnell nichts mit der Hochglanzproduktion. "Wir haben kein Geld für ein großes Studio und fühlen uns in der Homerecording Situation auf hohem Standard gut aufgehoben. Wenn uns mal jemand für drei Monate in ein Studio einladen will, so darf er das gerne tun. Meistens werden dann aber immer irgendwelche Ansprüchen an einen gestellt. In der jetzigen Situation haben wir eine totale Freiheit, die wir nicht missen wollen." Hätten die Sons nicht mal Lust, ein paar Songs beiseite zu legen, und die mit den vielen Freunden aus dem Business zusammen einzuspielen? "Genau das haben wir uns für Beginn des nächsten Jahres vorgenommen. Es gibt schon einige Tracks (u.a. mit Jason Loewenstein), die vorliegen, aber wir wollen erst einmal sammeln und am Ende des Jahres eine Auswahl treffen. Es könnte also sehr gut sein, dass es Anfang 2004 zu einem 'Sons Of Jim Wayne & Friends' Album kommt. Aber über ungelegte Eier soll man nicht soviel reden..." Doch, doch - das ist doch das Salz in der Suppe. Wird es denn jetzt beim Homespun-Sound bleiben oder gibt's auch mal wieder eine Rhythmusgruppe? "Prinzipiell sind wir für alles zu haben. Eine Rhythmusgruppe ist vielleicht ein wenig zuviel, aber ein dritter Mann als Ergänzung ist durchaus möglich. Das könnte auch ein Rhythmusmann sein. Allerdings ist die erste Voraussetzung, dass er oder sie kein Streßfaktor ist. Daher besteht die Idee, auf unseren Shows verschiedene Musiker mitzunehmen. Nach München einen Dobrospieler und nächste Woche in Frankfurt einen Geiger. Der Pool der Musiker ist die Wayne Familie. Ein festes drittes oder gar viertes Mitglied sehe ich in naher Zukunft nicht." Die Sons of Jim Wayne haben ja den Vorteil, dass man sie nicht einfach schlecht finden kann, weil man sich selbst dann als oberuncool darstellte. Wie gehen sie dann mit dieser Position verantwortungsvoll um? "Wir sind Jungs aussem Ruhrpott. Bernd ist Borusse und ich bin Schalker. Somit sind wir Kämpferherzen und geben immer unser Bestes. Mehr an Verantwortung können wir nicht übernehmen." Die Sons Of Jim Wayne sind schwer in Worte zu kleiden (was nicht heißen soll, dass sie nackt rumlaufen). Es nützt auch nicht viel, sich alleine die CD anzuhören. Die beste Gebrauchsanweisung ist die, sich ein Jim Wayne Konzert anzusehen - dann kauft man sich die CD schon von alleine. Denn - wie gesagt - liegt da auch der eigentliche Sinn des Jim Wayne Konzeptes.

Weitere Infos:
www.sonsofjimwayne.com
www.jimwayneswingtett.yi.org
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Tanja Zülch-
Sons Of Jim Wayne
Aktueller Tonträger:
Sweet Madonna
(Warehouse/Indigo)
 

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