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16.06.2003
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THE PRETENDERS

"Darauf zu achten, wie ich in den Augen anderer wirke, gehört nicht zu meinen Zielen"

The Pretenders
Eine Band - eine Legende. Noch dazu eine ziemlich lebendige, wie das neue Album "Loose Screw" beweist. Denn auch wenn die Band seit einem Vierteljahrhundert existiert, gibt's auf der Platte keinesfalls Alte-Leute-Rock, den man zwar irgendwie schätzen, aber dennoch nicht wirklich großartig finden kann, sondern eine wahre Glanzleistung von Chrissie Hynde und ihrer Gang, die "Loose Screw" zu einem der besten Alben der Bandhistorie macht. "Was als Routine-Pflicht-Übung hätte enden können, präsentiert sich hier als gutgelaunte Sammlung effektiver Handwerkskunst mit eben dem gewissen Schuss Inspiration, der das Album ehrlich und wirklich erscheinen lässt", schrieb Kollege Ullrich Maurer unlängst über die eklektische, sehr Groove-orientierte Melange aus Rock, Pop und Reggae und traf damit den Nagel auf den Kopf.


"Ich fühle mich in der Band jetzt wohler als zuvor - und um ganz ehrlich zu sein, das überrascht mich etwas", erzählt die gut gelaunte Chrissie Hynde im Gespräch mit Gaesteliste.de. "Ich habe mir gerade einige Aufnahmen angehört, die wir kürzlich in den Staaten für eine geplante DVD gemacht haben, und das hat mich ziemlich umgehauen, denn auf der Bühne höre ich ja nur meinen speziellen Monitor-Mix: The band plays fucking great! Das hat mich wirklich stolz gemacht." Mit Ur-Schlagzeuger Martin Chambers und den inzwischen auch seit zehn Jahren fest zur Band gehörenden Adam Seymour (Gitarre) und Andy Hobson (Bass), die mehr als nur gleichwertiger Ersatz für die früh verstorbenen Originalmitglieder Pete Frandon und James Honeyman-Scott sind, scheint Chrissie wirklich die ideale Besetzung für ihre Band gefunden zu haben. Eine Platte unter ihrem eigenen Namen, so erzählt sie, komme für sie nicht in Frage, weil sie schon immer den Bandgedanken für sehr wichtig gehalten habe.

So gibt es die Pretenders, die in den letzten 25 Jahren zeitlose Hits wie "Brass In Pocket", "Don't Get Me Wrong" oder "Back On The Chain Gang" ablieferten, bis heute. Übrigens nicht nur auf Platte, sondern auch wieder live in Deutschland. Nachdem auf amerikanischen Bühnen bereits Chrissies Traum in Erfüllung ging, Konzerte mit ihren Idolen, den Rolling Stones, zu bestreiten, luden Jagger, Richards und Co. die Pretenders nun ein, auch in Deutschland ausgewählte Konzerte zu eröffnen. Bereitet sich die Band anders auf diese Shows vor als auf die für den Herbst geplanten Clubkonzerte in Good Old Germany? "Ja, schließlich können wir bei diesen Konzerten ja nur 45 Minuten spielen, das heißt, wir spielen nur eine halbe Show, und für gewöhnlich konzentrieren wir uns dabei auf unsere bekannteren Stücke", erklärt Chrissie. "Allerdings bin ich mir noch nicht hundertprozentig sicher, was wir bei den anstehenden Konzerten mit den Stones spielen werden."

Sind die Pretenders denn in der Regel geneigt, dem Publikum das zu geben, wonach es verlangt? "An diese Sache muss man sehr vorsichtig herangehen. Ich bin schon der Meinung, dass man den Leuten das geben sollte, wonach sie verlangen, aber man darf auch die wahren Fans nicht vergessen. Und die erwarten von uns in erster Linie, dass wir 'wir' sind. Um du selbst zu sein, musst du natürlich das ausdrücken, was du im Moment fühlst. Im Großen und Ganzen ist es allerdings so, dass viele im Publikum zwar ziemlich an uns interessiert sind, aber trotzdem nur unsere bekannteren Songs kennen, und denen wollen wir es natürlich auch recht machen, schließlich gibt es pro Auftritt vielleicht nur zehn Hardcore-Pretenders-Fans im Publikum und 700, die ziemlich interessiert sind." Ans aufhören jedenfalls denkt sie nie? "Nein, ich könnte mir nicht vorstellen, zu Hause zu sitzen und den ganzen Tag zu lesen. So lange die Leute kommen wollen, um uns zu sehen, werden wir da sein für sie spielen."

The Pretenders
So ziemlich jede Frauenband der letzten zwei Jahrzehnte - von Hole über L7 bis zu den Breeders - gibt offen zu, von den Pretenders beeinflusst zu sein. Chrissie selbst findet das geradezu befremdend, schließlich hatte sie mit feministischen Sichtweisen nie etwas am Hut und orientierte sich selbst eher an Größen wie Keith Richards oder Jeff Beck. "Es ist mir ziemlich egal, was andere Leute von mir denken", sagt sie folgerichtig. "Natürlich ist es schön zu wissen, wenn sie eine positive Meinung von dir haben, aber darauf zu achten, wie ich in den Augen anderer wirke, gehört nicht zu meinen Zielen. Bekannt zu sein ist nur ein Nebenprodukt dessen, was ich tue. Ich wollte einfach nur in einer Band Gitarre spielen und Songs schreiben. Sobald ich das erreicht hatte, war mein Werk vollbracht. Ansonsten strebe ich nach höheren Dingen im Leben, als darüber nachzugrübeln, wen ich wohl beeinflusst habe und was die Leute über mich denken. Das wäre reine Eitelkeit, und so tief will ich nicht sinken."

Weitere Infos:
www.pretendersband.com
www.pretendersarchives.com
Interview: -Herbert Viola-
Fotos: -Pressefreigaben-
The Pretenders
Aktueller Tonträger:
Loose Screw
(Eagle Records/edel)
 

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