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30.06.2003
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ELECTRIC SIX

Die wollen doch nur spielen

Electric Six
Die Welt hat eine neue Schwulen-Ikone: Abraham Lincoln. Der ehrwürdige Ex-Präsident der USA hat die wüste Gay-Party überhaupt erst erfunden. So zumindest erzählt es das Video zu "Gay Bar", der zweiten Single von Electric Six. Dass das Detroiter Quintett nicht viel von Blümchensex-Romantik hält, hatte es zuvor bereits mit ihrem Video zur ersten Single "Danger! High Voltage!" bewiesen, in dem Sänger Dick Valentine wild mit einer viel älteren Frau herumknutscht und sein überdimensioniertes Suspensorium aufleuchten lässt.

Wer sind diese Typen? Man könnte es so sagen: sie waren in Detroit als "The Wildbunch" eine leidlich bekannte Lokalband. Dann drehten sie vollends durch, benannten sich um und gelangten zu internationaler Bekanntheit, indem sie einfach alles taten, um von den einschlägigen Videosendern nicht gespielt zu werden. In den USA hatten sie damit Erfolg, hier fand sich allerdings ein Sender, der ihre Filmchen trotzdem zeigt. Oder, in den Worten von Sänger Dick Valentine: "Wir sind fünf Typen aus Detroit. Wir spielen Rockmusik mit Dance-Flair, oder Dancemusik mit Rock-Flair, was immer dir besser gefällt. Eben extrem aggressive Dance-Musik für den Alpha-Mann. Wir haben kein Geschlecht. Die Songs sagen alles und nichts. Damit geht's uns gut. Außerdem haben wir sensationelle Frisuren." Ah.

Eigentlich ist schon alles gesagt. Das Statement passt perfekt zur Musik dieser Haudegen. Sie legen es darauf an, jeden noch so müden Hintern zum Tanzen zu bringen, und sie haben Erfolg. Sie erzeugen mit Wonne möglichst rüden Schwachsinn, sind witzig und verspielt. Und ziemlich vieles ist ihnen egal. Muss man so sein, wenn man aus Detroit kommt? "Ja, wir spielen gegen die Wetterdepression an. Michigan besteht vor allem aus Autobahnen und Bäumen, nur Detroit sieht aus, als hätte jemand eine Bombe draufgeworfen. Das Haus neben deinem ist halb zerstört, und die Vegetation ist gerade dabei, die Überbleibsel aufzufressen. Wenn es nicht regnet, ist es entweder brütend heiß oder saukalt. Detroit ist der ideale Nährboden für jede Menge Rock."

Das darf man glauben, schließlich kommen von dort auch die Detroit Cobras, und, viel bekannter, die White Stripes - extrem spielfreudige Bands, genau wie Electric Six. An den Erfolg der Stripes können diese Jungs zwar noch nicht anknüpfen, doch immerhin kletterte "Danger! High Voltage!" in England bis auf Platz 2 der Charts. "Das war ungefähr 100 Plätze höher, als wir uns jemals erträumt hätten", sagt Dick. "Wir wären einfach schon glücklich gewesen, wenn man sich in zehn Jahren an uns erinnert hätte. Wenn, sagen wir mal, ein Junge, der heute drei Jahre alt ist, mit 18 plötzlich denkt: 'Habe ich da nicht einmal ein Video mit sehr vielen Haaren und einer alten Frau gesehen?' So wie man sich heute nur noch an wenige Videos von 1990 erinnert."

Wird man, so lange diese Rabauken so wahnsinnig bleiben, wie sie sind. Als sie vor einem halben Jahr ihr bisher einziges Konzert in Deutschland spielten, coverten sie am Ende mit "Radio Gaga" ausgerechnet den blödesten Song, den Queen je aufgenommen haben. "Die Reaktion darauf hat uns selber überrascht. In den USA ist 'Radio Gaga' einfach nur ein obskurer Queen-Song, der nie in die Charts ging. Hier kamen Leute zu uns und sagten: 'Das war genial, das würde sonst niemand machen! Wie kamt ihr darauf?' Und wir konnten nur sagen: 'Weil alles, was im Radio läuft, eben scheiße ist!' Alles klar?" Ja, doch. Irgendwie.

Weitere Infos:
www.electric6.com
Interview: -Christian Zeiser-
Foto: -Pressefreigabe-
Electric Six
Aktueller Tonträger:
Fire
(XL Recordings/Beggars Group/Zomba)
 

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