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21.07.2003
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THE WATERBOYS

Ikarus 2003

The Waterboys
War der Titel des letzten Waterboys-Albums "Too Close To Heaven" vielleicht mehr als der Wink mit dem Zaunpfahl? Hat sich Mike Scott beim Aufstieg in höhere, spirituelle Sphären vielleicht die Flügel angesengt? Fast scheint es so, denn das neue Album, "Universal Hall", erforscht - so scheinbar ganz im Gegensatz zu dem überraschenden Comeback mit "A Rock In A Weary Land" - die lichtdurchfluteten Weiten der kosmischen Liebe, das große intergalaktische "Ommmm", das spirituelle Sein. Die besagte "Universal Hall" ist dabei noch das konkreteste Objekt: Es handelt sich hierbei um die zentrale Versammlungs-Halle der Hippie Kommune im schottischen Findhorn (übrigens keineswegs "Feindhorn" ausgesprochen), wo Scott seit einigen Jahren lebt. Mike hat hier auch Konzerte gegeben.

Seit wann macht man denn Songs - oder CDs über Veranstaltungshallen? "Nun, es ist mehr als das", schmunzelt Scott, "du musst das mit 'Abbey Road' von den Beatles vergleichen. Ich habe auch immer gemeint, U2 sollten mal ein Album namens 'Windmill Lane' machen." Inwieweit war Findhorn denn ausschlaggebend für den Inhalt der neuen Songs? "Es war nicht die physikalische Präsenz, sondern das 'innere Leben' von Findhorn", antwortet Mike nicht eben überraschend, "die Energie von Findhorn kann man auf der Scheibe definitiv wiederfinden. Ich lebe dort, schlafe, lese Bücher, spreche mit meiner Frau etc. Es geht nicht darum, wo ich mich gerade befinde, aber ich meditiere jeden Morgen und versuche, ausgehend von einem spirituellen Zentrum in mir selbst zu leben. Und zwar in jeden Moment meines Lebens. In Findhorn wird dieses Gefühl verstärkt, weil sich dort so viele Leute zusammenfinden, die mit Hingebung einem spirituellen Pfad folgen - auch wenn sie von verschiedenen Backgrounds kommen mögen. Es entsteht dort diese kraftvolle, gemeinsame Energie, von der man zehren kann. Deshalb ist es für mich sehr inspirierend, dort zu leben." Und das ist der Grund, warum das dieses Mal das Thema der Scheibe geworden ist? "Nun ich denke, das war auf allen Scheiben immer schon vorhanden. Bei dieser Scheibe steht es nun im Vordergrund", beschreibt Mike, "während es bei 'Rock In A Weary Land' dahinter war." Wobei es bei "Rock" zudem noch herkömmliche Stories gab, die das Thema "Spiritualität" quasi zudeckten, während es auf der neuen Scheibe so etwas kaum gibt. Hier bestehen die Texte zum Teil aus einer einzelnen, mantra-artig wiederholten Zeile. Z.B.: "You are an eternal being of love". Zuweilen fällt das gar nicht auf, weil Mike diese Zeilen genauso emphatisch singt wie z.B. die wortreichen Epen seiner "Viertel-Stunden-Songs" früherer Werke. "Oh das ist nett", freut er sich über dieses Lob, "es ist aber nicht so, als habe ich die Sache geplant. Es war nur die Art, in der die Songs dieses Mal zu mir gekommen sind. Die Songs diktieren also quasi das Format. Und ich erlaube mir selbst, die Regeln brechen zu dürfen. Es war eine sehr seltsame Situation, plötzlich diese eigenartige Sammlung von Liedern mit jeweils einer einzigen Zeile als Text zu haben. Das war schon etwas anderes als sonst, aber aufregend zugleich."

The Waterboys
Einige der Tracks weichen ein wenig von dem Schema ab und werden wortreicher. Z.B. "Peace Of Iona", in dem es um die schottische Insel Iona geht - ein (wie könnte es anders sein) spirituelles Zentrum. "Iona ist eine Insel, ein heiliger Ort", erklärt Mike, "anders als Findhorn, das von Menschen geschaffen wurde. Iona ist ein Zentrum der Erd-Kraft. Es war schon ein solcher Ort, bevor es Menschen gab. Die ersten Menschen nahmen wahr, dass dies ein heiliger Ort ist und die Druiden und die Christen folgten diesem Beispiel. St. Christopherus errichtete die erste christiliche Siedlung auf Iona. Es war immer schon ein Ort der Wallfahrten und der Verehrung. Ich weiß jetzt auch warum, seit ich nämlich dort war. Ich weiß nicht warum es so ist, aber es ist leichter, mit deinem spirituellen Zentrum in Einklang zu kommen, wenn du dort bist. Es gibt dort eine Kraft, die man diesbezüglich nutzen kann. Das ist fühlbar - vielleicht nicht immer, und auch nicht sofort, aber es gibt dort definitiv eine spirituelle Präsenz." Übrigens ist es Mike wichtig darauf hinzuweisen, dass er in den Songs nicht etwa predigen will: "Es ist nicht ausdrücklich eine Botschaft", formuliert er es - nur um dann energisch hinzuzufügen: "Aber wenn jemand etwas damit anfangen kann, dann ist mir das recht." Wenn man Songs dieser Art schreibt, ist das Problem freilich, dass sich die Songs dem Zuhörer nur dann erschließen, wenn er sich ihnen öffnet. Überhaupt erscheint die Scheibe aufgrund der fehlenden Gerbrauchsanweisung in Form elaborierter Texte zunächst einmal eher belanglos - wächst dann jedoch bei mehrmaligem Hören deutlich. Wie sieht Mike denn dieses Problem? (Wenn es denn eines für ihn ist). "Nun zunächst mal muss ich sagen, dass ich mir die Scheibe nicht mehr anhöre, wenn sie fertig ist", erläutert Scott, "ich mache die Scheibe und dann fange ich an die Songs live zu spielen. Diese Songs waren z.B. vor den Aufnahmen nicht live gespielt worden. Es ist so: Während ich die Scheibe mache, höre ich sie mir ja hunderte Male an. Wenn ich sie dann live spiele, beginnen sie sich zu verändern." Verändern? Wie ist das denn zu verstehen? "Nun, zunächst Mal ist es etwas anderes, wenn du die Stücke mit Musikern vor einem Publikum spielst", überlegt Mike, "und dann ist da noch diese Sache, die aus dem Inneren kommt und quasi verlangt, dass ich die Sachen ändere. Meine Beziehung zu dem Song entwickelt sich also kontinuierlich. Auf eine kleine, subtilen Art. Wenn du dir z.B. einen Song bei einer Show anhörst und dann - sagen wir mal 20 Shows später - dann wirst du feststellen, dass er anders klingt. Und zudem nehme ich mir die Freiheit, sie auch jederzeit bewusst zu ändern."

The Waterboys
Die neuen Tracks sind - abgesehen von "Seek The Light", das auf einer überarbeiteten Version eines Instrumentals der "This Is The Sea"-Sessions basiert -gewissermaßen sparsam und subtil arrangiert (besonders wenn man sie mit den wuchtigen Monstern von "Rock In A Weary Land" vergleicht). Ging es darum, dieses Mal alles in einem kontrollierten Umfeld zu halten? (Mike ist auch der Produzent dieses Albums). "Ich glaube schon, ja", stimmt er zu, "wir haben in dem sehr kleinen Studio im Keller der Universal Hall gearbeitet und ich wollte es in dieser Umgebung dort belassen. Ich hatte aber eigentlich keinen bestimmten Plan, als ich mit den Aufnahmen begann. Es geht ungefähr so: Wenn wir aufnehmen, nehmen wir ungefähr fünf bis sechs Takes von einem Song auf. Für gewöhnlich ist dann der zweite der beste. Ich höre auch auf meine Musiker - z.B. 'The Fiddler' Steve Wickham oder Keyboarder Richard Naiff. Aber ich bin der Produzent, und es ist meine Verantwortung, was auf die Scheibe kommt. Ich habe dann die Intuition eines Produzenten, das zu nehmen, was am meisten nach einer Platte klingt." Auf der Scheibe befindet sich ein Track namens "I've Lived Here Before", den Mike vor einigen Jahren mit dem Hothouse Flowers Sänger Liam O'Maonlai schrieb, und einer, bei dem Steve Wickham Credits bekam. Wie sieht es denn mit Kollaborationen aus? "Nun 'I've Lived Here Before' ist aus 1991 und für 'Universal Hall' gab ich Steve die Credits für seine schönen ungewöhnlichen Geigen-Motive. Ich bin generell niemand der gerne mit anderen zusammen schreibt. Ich bin ein Eremit, wenn es darum geht, Songs zu schreiben. Ich arbeite in einer bestimmten Art, die keinen Raum für Kollaborationen lässt." Wenn man sich das Publikum der Waterboys anschaut, so kann man nicht umhin festzustellen, dass sich dieses mit der Zeit doch auch verjüngt hat. Eine Tatsache, die im Vergleich mit anderen "Überlebenden" der 80er keineswegs so ist. "Das ist mir noch gar nicht aufgefallen", wundert sich Mike, "es kann aber sein, weil es doch so ist, dass wir uns so oft geändert haben, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass uns noch jemand aus den Anfangstagen kennt. Das soll natürlich ein Witz sein. Die Sache ist die, dass du nie weißt, was du von den Waterboys bekommst. Wir verändern und entwickeln uns ständig weiter und ich denke es ist das, was und frisch und interessant macht." Was die neue Scheibe wieder einmal anschaulich illustriert.

Weitere Infos:
www.mikescottwaterboys.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
The Waterboys
Aktueller Tonträger:
Universal Hall
(Puck Productions/Alive)
 

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