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09.02.2004
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LAMBCHOP

Das doppelte Kurtchen

Lambchop
Was haben Bruce Springsteen, Guns'n'Roses und Lambchop gemeinsam? Nun, mit der Veröffentlichung des neuen Tonträgers des Nashviller Musikantenkonglomerates ist das der Umstand, dass alle o.a. Acts jetzt eine Art zweigeteilter Doppel-CD vorgelegt haben. Im Falle von Lambchop heißt das Werk "Aw C'mon" bzw. "No You C'mon". Zum Zeitpunkt des Interviews stand das Marketing-Konzept noch nicht ganz fest, es sieht aber so aus, als würden die beiden Scheiben - und als solche möchte sie Lambchop-Mastermind Kurt Wagner ausdrücklich verstanden wissen - aus Kostengründen in einem Schuber verpackt en bloc ausgeliefert werden. "Wir hatten viel Material und der Gedanke war zunächst, die Scheiben separat zu veröffentlichen", meint Kurt, "die Idee, eine Scheibe zurückzuhalten, gefiel mir nicht so sehr. Ich wollte sie eigentlich auch nicht zusammenpacken, da nicht der Eindruck entstehen sollte, dass man beide Scheiben zusammen konsumieren müsse."

Wenn man die Entwicklung des Lambchop-Projektes zurückverfolgt, dann darf man ja sagen, dass die "Verpackung" - also das Erscheinungsbild - immer auch ein Faktor ist, der Kurt am Herzen liegt. Wie sieht es denn dieses Mal damit aus? "Das Artwork ist gerade fertig geworden", erklärt Kurt, "wir haben wieder mit Wayne White zusammengearbeitet - der hat die 'Nixon' und 'Thriller' Cover gemalt. Seltsamerweise arbeitete er gerade an Diptychons - das sind zweiteilige Bilder. Das war wirklich witzig. Er schickte mir also Titel, wie gewöhnlich, und ich versuchte anhand dieser herauszufinden, wovon diese Werke dann handeln könnten. Es sind aber Bilder, an denen er sowieso arbeitete - sie sind nicht spezifisch für Lambchop entstanden." Bleiben wir mal bei den Titeln: Nun ist es ja gewissermaßen cool, zwei Scheiben mit Titeln wie "Aw C'mon" und "No You C'mon" zu versehen - läuft man da aber nicht Gefahr sich im Rückblick zu ärgern, gleich zwei CD-Titel für einen solchen Gag verschwendet zu haben? "Einer CD einen Titel zu geben ist vielleicht - außer einer Band einen Namen zu geben - das schwierigste überhaupt", erklärt Kurt, "eine der Sachen, die mir bei diesem Titel gefallen haben - und ja, es ist ein Witz - war der Umstand, wie sich dadurch die beiden Scheiben miteinander verbanden. Es wird so eine Art unterschiedlicher Perspektive assoziiert. Auf diese Weise wollte ich unterschwellig implizieren, dass es da einen Unterschied zwischen diesen beiden Scheiben gibt. Und ehrlich gesagt, werde ich es überhaupt nicht bereuen, die Scheiben so genannt zu haben. Wenn ich etwas bereuen werde, dann vielleicht den Umstand, dass ich's nicht richtig aussprechen kann. Das ist ja das Ding mit Titeln: Wenn sie einmal da sind, sind sie fertig." Auf beiden Scheiben befindet sich ein hoher Prozentsatz an Instrumentals. Auch hier tat sich ja die Notwendigkeit auf, diese mit Titeln zu versehen. Wie ging Kurt denn an diese Aufgabe heran? "Ich denke, dass der Titel ein wichtiger Teil eines Instrumentals ist", überlegt Kurt, "ich denke sowieso, dass Titel sehr bedeutungsvoll sind. Ich hadere immer mit dieser Aufgabe und verbringe viel Zeit damit, mir Titel zu überlegen. Es ist bei Instrumentals ziemlich schwierig: Du musst zum Kern dessen vordringen, was du eigentlich tust und das dann in Worten artikulieren." Waren die Instrumentals denn dieses Mal integraler Bestandteil des Konzeptes? "Ja, durchaus", stimmt Kurt zu, "das Interessante bei dieser Sache war, dass wir also sowieso an Instrumentals arbeiteten und wir dann auch gebeten wurden, eine Filmmusik zu dem F.W. Murnau-Film 'Sunrise' beizusteuern. Das passierte also alles zusammen."

Woher kam denn eigentlich das Bedürfnis, dieses Mal so viele Stücke schreiben zu möchten? "Ich muss einfach viele Songs schreiben, weil das Songwriting für mich sehr schwierig ist", erklärt Kurt, "dazu gehören auch schlechte Songs, die genauso geschrieben werden müssen, wie die guten. Ich bin nicht so begabt, dass mir jeder Song gelingt. Ich habe mir also selbst die Aufgabe gestellt, mehr Songs zu schreiben, um ein besserer Songwriter zu werden." Einer der Umstände, der zu dieser Arbeitsweise führen konnte, ist ja auch der, dass Kurt seit "Is A Woman" vollberuflicher Musikant ist. Den Job als Fliesenleger - der ihm u.a. ein Rückenleiden einbrachte - hat er ja an den Nagel gehängt. "Ja, das Songwriting ist jetzt genauso ein Teil meines Lebens geworden, etwa wie abends den Müll herauszutragen", meint Kurt, "der Trick dabei ist, täglich einen Song zu schreiben - was mir ja erst jetzt möglich ist." Einer der Effekte, die diese neue Arbeitsweise mit sich bringt, ist sicherlich, dass man so auch musikalisch wesentlich mehr ausprobieren kann. Und so gibt es auf beiden neuen Scheiben - mehr noch auf "No You C'mon" - auch erstmals Passagen, die eher an die legendären Live-Performances von Lambchop erinnern; was bedeutet, dass es auch einmal ein wenig lauter und / oder schneller werden darf. "Nun, auf dieser Scheibe ging es mir zunächst mal darum klarzustellen, dass Lambchop eine Band ist - und nicht Kurt Wagner und seine Jungs - und dies herauszustellen", führt Kurt aus, "der Unterschied der beiden Scheiben für mich ist der, dass ich 'Aw C'mon' eher als Album - mit Einleitung, Mittelteil und Ende - sehe. Ein Album, das ich gerne auch in einem durchhöre. 'No You C'mon" ist hingegen für mich eher eine Sammlung von Songs, die keinen Zusammenhang haben, außer dem, dass ich sie für gute Songs halte. Dass die zweite Scheibe mehr nach unseren Live-Konzerten klingt, ist eine gute Beobachtung. Einige dieser Songs stammen nämlich aus dieser Zeit der Live-Auftritte... das ist auch der Grund, warum dieses Mal William Tylers Gitarre mehr in den Vordergrund gestellt wird. Er ist ja sehr talentiert und noch sehr jung und es brauchte eine ganze Zeit, bis er seinen Platz in der Band gefunden hatte. Das war übrigens kein bewusster Prozess, sondern stellte sich im Nachhinein als das Beste heraus, da ich so das ehrlichste Ergebnis erhielt... Es war sehr schwer, die Alben so ausbalanciert wie möglich, aber dennoch konzeptuell unterschiedlich zu machen. Wichtig ist, dass du nicht alles auf einmal hören musst."

Lambchop
Noch ein Unterschied, der im Gegensatz zu früher auffällt, ist Kurts Gesangsstil, der immer lakonischer zu werden scheint. "Nun, ich hoffe, dass ich manchmal noch ein wenig zulegen kann", lacht Kurt, "aber die Tiefe meiner Stimme - eine natürliche Folge des Rauchens - fördert diesen Stil. Mir wurde aber auch bewusst, dass ich dieses durch den Einsatz eines Background-Sängers, George Woods, noch unterstützen könnte. Er singt noch tiefer als ich und ich setzte ihn ein, um diesen Aspekt noch zu unterstreichen." Es scheint also, als überlasse Kurt nichts dem Zufall. Wie sieht das denn mit seinen Stücken aus? Während man ja noch nachvollziehen kann, dass ein Stück "Steve McQueen" heißt, fällt es doch schon schwer, sich vorzustellen, woher die Idee stammen könnte, dem Eagles Drummer Timothy B. Schmidt ein Stück zu widmen? "Nun, ich sah ihn ja eher immer als den Bassisten von Poco", lacht Kurt, "das Stück klang für mich ein wenig nach diesem Eagles-Country-Sound und offen gestanden: Es passte einfach." Ein ganz anderer Track - "Nothing But A Blur From A Bullet Train" - hat auch einen sehr interessanten Titel. "Ich mag diesen Song sehr", schwärmt Kurt, "hoffentlich scheint mein Gedanke eines musikalischen Reiseberichtes hier durch. Das Reisen ist ja in etwa auch so etwas wie eine Metapher für das Leben - eine Odyssee. Es ist ja manchmal auch so, dass du auf Reisen so eine Art körperlose Erfahrung durchläufst. Besonders in einem Hochgeschwindigkeitszug." Auf "No You C'mon" ragt ja besonders das Stück "Low Ambition" heraus - weil dieses eine sehr konkrete Songstruktur hat, die Kurt ja ansonsten eher vermeidet. "Ja, das ist sehr selten für mich", stimmt er zu, "das entstand aus einer Zusammenarbeit heraus. Es ist eine dieser Zufallsbegegnungen, wo mir Leute Material schicken und um eine Zusammenarbeit bitten. So wie z.B. mit Morcheeba, wo ich etwas mache, was ich für gewöhnlich nicht mache. Das endet dann meist auf den Scheiben anderer Leute. In diesem Fall ist es auf meiner gelandet." Fazit: Mit "Aw C'mon" und "No You C'mon" erhalten Lambchop Fans sicherlich die ultimative Vollbedienung - obwohl eigentlich auf diesen beiden Scheiben für jeden etwas dabei sein sollte. Jedenfalls hat Kurt Wagner mit diesem Doppelschlag die Messlatte für sich selbst (und natürlich auch für die Band) ganz schön hochgelegt. Mal sehen, was als nächstes kommt...

Weitere Infos:
www.lambchop.net
lambchop.info
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Lambchop
Aktueller Tonträger:
Aw C'mon / No You C'mon
(CitySlang/EMI)
 

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