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22.03.2004
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THE VINES

Die Rückkehr der Gewinner

The Vines
"Hast du gehört, was ein schelmischer Journalist Thom Yorke von Radiohead gefragt hat? 'Mit all dem Herzschmerz und der Traurigkeit in der Welt - wie schaffst du es, die Dinge so positiv zu sehen?'", sagt The-Vines-Bassist Patrick Matthews beim Treffen mit Gaesteliste.de im Kölner Maritim Hotel bierselig grinsend. Das hat zwar nur sehr wenig mit seiner Band und rein gar nichts mit unserem Interview zu tun, aber nach einer ganzen Menge Kölsch ist ihm das gegen Ende eines langen und anstrengenden Interviewtages anscheinend nicht mehr so wichtig. Gut für uns, dass Drummer Hamish Rosser neben ihm sitzt und sympathisch bemüht ist, alle Fragen zu "Winning Days", dem zweiten Werk des durch Sänger Craig Nicholls und Gitarrist Ryan Griffiths komplettierten australischen Quartetts zu beantworten.

"Wir sind derzeit in Wartestellung und können es kaum erwarten, dass die Platte endlich herauskommt, denn im Moment reden wir die ganze Zeit davon, was wir alles machen wollen, anstatt es zu tun!", sagt der Trommler, bevor Patrick ergänzt: "Derzeit sitzen wir einfach nur herum und reden über... Zeugs!" Zum Beispiel über die Tatsache, dass auch der Nachfolger zum so unglaublich erfolgreichen Debüt "Highly Evolved" wieder mit Rob Schnapf als Produzent entstand, also dem Mann, der auch schon Beck und Elliott Smith bei ihren besten Werken unter die Arme gegriffen hatte. Das Ergebnis ist eine sehr solide Rockplatte mit einigen überraschend ruhigen und auch einigen ungewöhnlich psychedelischen Momenten, die ihre Wurzeln zwar in der Vergangenheit hat und mancherorts sicherlich wieder als "Symbiose aus Nirvana und The Beatles" abgetan werden wird, trotzdem aber für's Hier und Jetzt gemacht ist. "Rob hat uns bei einigen Arrangements wirklich sehr geholfen", weiß Hamish, "vor allem bei 'Winning Days', dem Titelstück. Das Demo hat noch völlig anders geklungen, und das, was Rob hinzugefügt hat, hat etwas viel Besseres aus dem Stück werden lassen. Außerdem hat er uns geholfen, die richtigen elf Songs für das Album auszuwählen. Wir waren viel zu nah an den Songs dran, da war es sehr hilfreich, jemanden mit klarem Blick zu haben, der uns beraten konnten." Aufgenommen wurde die Platte dieses Mal nicht in Los Angeles (wo der erste Drummer der Vines, David Olliffe, während der Sessions zum Debüt entnervt die Band verlassen hatte), sondern in der Wildnis von Upstate New York. "Wir wollten die Platte eigentlich in Australien aufnehmen, da wir auf gar keinen Fall wieder nach L.A. wollten", erinnert sich Hamish. "Da Rob aber Familie hat, war von Anfang an klar, dass wir ihn dazu nicht würden überreden können. Der Kompromiss war das Bearsville Studio in New York, denn wir wollten schon gerne weiter mit ihm zusammenarbeiten." Das nächste Album könnte dann allerdings wirklich in Australien entstehen. "Ob wir unsere nächste Platte dann wirklich zu Hause aufnehmen, darüber haben wir uns bisher keine Gedanken gemacht, aber wenn, dann auf gar keinen Fall in Sydney! Wenn du in deiner Heimatstadt aufnimmst, gehst du doch nur jeden Abend mit deinen Freunden einen saufen. Du musst also einen Ort finden, wo es nichts anderes zu tun gibt und du dich voll auf die Platte konzentrieren kannst." Wovon es in Australien ja eine ganze Menge gibt. "Ja, aber die abgelegenen Orte haben leider zumeist keine guten Studios", sagt Hamish grinsend. "Es gibt allerdings einige gute in Byron Bay, etwa zwei Stunden südlich von Brisbane."

The Vines
The Vines verspüren zwar auch kurz vor der Veröffentlichung ihres zweiten Albums viel Druck, trotzdem ist es eine andere Art der Anspannung als noch beim Debüt. "Damals hatten wir keinen Schimmer, was uns erwarten würde. Jetzt wissen wir's: Du gehst endlos auf, Tour und je nachdem, wie populär du bist, spielst du in kleineren oder größeren Hallen", sagt Hamish. "Beim ersten Mal war das alles neu für uns. Ich war zuvor noch nie in einem Tourbus gewesen!" Die kurze Aufwärm-Tour, mit der die Band im Februar auch im Gebäude 9 in Köln Station machte, ist ein gutes Stichwort: Anders als viele andere Bands sind The Vines nicht nur für Interviews herüber gekommen, sondern spielten schon Wochen vor der Album-Veröffentlichung einige kleine Clubkonzerte. "Mann, das wäre so langweilig, nur zu quasseln und nicht auch zu spielen", entfährt es Hamish. "Schließlich ist das Spielen das, was uns am meisten Spaß macht. Wir haben sogar noch eine weitere Show in Oslo drangehängt, die eigentlich gar nicht geplant war!" Dabei wissen The Vines aus eigener Erfahrung nur zu gut, wie hart eine mehrwöchige Tournee mit zu wenigen freien Tagen sein kann. Da sehnt man sich doch vielleicht manchmal zurück nach den Interview-Tagen in schicken Hotels mit kostenlosem Kölsch in rauen Mengen, oder? "We're so up against it", sagt Patrick. "In Amerika gibt es all diese regional unterschiedlichen 'Märkte', die in Konkurrenz zueinander stehen. Wenn es nach denen ginge, würden wir doppelt so lange dort bleiben, wir uns das recht ist." Und Hamish ergänzt: "Wir haben mal eine Tournee im Nordosten der USA gespielt, in den Städten, die sie 'sekundärerer Markt' nennen. Columbus, Cincinnati in Ohio, Rhode Island und so. All diese Orte, von denen wir noch nie etwas gehört hatten. Aber wir versuchen natürlich, es allen recht zu machen. Und wenn du selbst in Milwaukee vor 1 500 Leuten spielst, ist das natürlich immer noch eine ganz ansehnliche Menge!"

The Vines
Im Mai stehen weitere Deutschland-Konzerte der Vines an, und dieses Mal sind die vier Australier bei ihren Tourvorbereitungen etwas anders vorgegangen als gewohnt. "Ryan spielt jetzt auf viel mehr Songs Gitarre, deshalb hatten wir vor der Tournee erstmals richtige Proben", erläutert Hamish. "Wir haben im Dezember drei Shows in Australien gespielt und davor ungefähr zehnmal geprobt. Das war also schon anders, aber sobald wir einmal unterwegs sind, sind die einzigen Proben die Soundchecks!" Manchen Bands reicht der Soundcheck vor dem ersten Konzert als Vorbereitung - haben The Vines den Mehraufwand denn genossen? "Ja, es war schon ziemlich Klasse, uns wirklich gut spielen zu hören und festzustellen, dass wir das draufhaben", weiß Hamish und lacht. "Die Proben waren allerdings nicht nur für uns, schließlich würde ich mir auch keine Band anschauen wollen, die nur eine durchschnittliche Show abliefert. Es ist zwar nicht so, dass wir in der Vergangenheit kritisiert worden wären, aber einige Konzerte waren definitiv besser als andere. Da waren doch einige dabei, die ich lieber aus meinem Gedächtnis streichen würde." Nach der Headline-Tournee stehen auch wieder viele, viele Festivals auf dem Programm des Quartetts. "Festivals sind schon etwas anderes", sagt Hamish. "Als wir vor einigen Tagen in Paris in einem kleinen Club gespielt haben, rief jemand nach 'Country Yard'. Das war zwar nicht auf der Setlist, aber wir haben es natürlich dann trotzdem gespielt, ganz einfach, weil es die Art von Show war, wo du einen einzelnen Zwischenrufer überhaupt wahrnimmst. Die großen Shows können schon ziemlich anstrengend sein, vor allem, wenn du bei Tageslicht spielst und viele der Leute nicht da sind, um dich zu sehen, sondern Metallica oder Radiohead sehen wollen!" Auch Patrick hat so seine Probleme mit den Open-Airs. "Mein Problem bei Festivals ist, dass ich - und für Craig gilt das auch - immer das Gefühl habe, dass meine Stimme so dünn klingt. Die Energie verfliegt einfach, und du kriegst durch die Menschenmassen beim Singen manchmal richtig Angst, anstatt dich auf den Song zu konzentrieren. Festivals sind nur dann ein richtiger Spaß, wenn du die Vibes aus dem Publikum spürst. In Glastonbury oder Reading zum Beispiel. In Australien haben wir allerdings einige gespielt, die ziemlich miserabel waren." Okay, zum Schluss noch irgendwelche berühmten letzten Worte? "Ich finde, Franz Ferdinand sind eine großartige Band! Sie haben diesen europäischen Artrock-Touch... I fuckin' love 'em", sagt Patrick, bevor Hamish breit grinsend den Schlusspunkt setzt: "Was soll ich sagen: Sabbath - good, Ozzy - bad!"

Weitere Infos:
www.thevines.com
www.the-vines.net
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
The Vines
Aktueller Tonträger:
Winning Days
(Capitol/EMI)
 

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