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05.01.2005
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CRISTINA DONÀ

La ragazza che canta

Cristina Donà
Cristina Donà ist kein Name, der sofort aufhorchen lässt. Und dennoch klingt das gleichnamige Album der Songwriterin, als sei hier jemand am Werk, der bereits seit Jahren im Geschäft ist. Die Auflösung des Rätsels ist relativ einfach: Die CD "Cristina Donà" ist die englische Version ihres letzten, dritten Albums "Dove Sei Tu", das - wie die beiden Vorgänger - in ihrer Muttersprache Italienisch eingesungen wurde. Cristina stammt nämlich aus Milano und ist dort bereits seit Anfang der 90er Jahre als Künstlerin tätig - was auch den erstaunlich ausgereiften Sound ihrer CD erklärt. So richtig los ging es mit Cristinas Karriere indes erst später: "Ja, wie gesagt, ich bin schon seit Anfang der 90er dabei", erklärt Cristina in eher gebrochenem Englisch, "so gegen 1994 / 1995 begann ich, ermutigt von meinem 'Entdecker' und Produzenten Manuel Agnelli, Songs für mein erstes Album, 'Tregua' zu schreiben. Ich weiß leider nicht, was das auf englisch heißt. [Es heißt 'truce' = 'Waffenstillstand' (c/o Babelfish)] Ich habe Manuel auf der Academia di Bella Arte getroffen, die ich Anfang der 90er besuchte. Manuels Band Afterhours war damals sehr erfolgreich und ich habe dann begonnen, Supports für sie zu spielen."

Eine CD von hieß damals zufälligerweise "During Christina's Sleep" (wohlgemerkt: Dieses Mal Christina mit "Ch"). Doch eine andere Begegnung sollte sich noch wichtiger für Cristina erweisen. "Ja, nachdem ich 'Tregua' veröffentlicht hatte, war ich viel unterwegs, bekam einige Preise (u.a. auf dem San Remo Festival) und besuchte einige Symposien. Auf einer Ausstellung in Turin lernte ich Robert Wyatt kennen. Das heißt: Er sprach mich an, weil er eines meiner Konzerte gesehen hatte. Wir kamen ins Gespräch und er hat mich ermutigt, mit ihm zusammen den Song 'Goccia' zu schreiben." Dieser Track findet sich in der Original-Version auch auf der besagten englischen CD. Worum geht's denn da? "'Goccia' heißt 'Tropfen'", erklärt Cristina, "aber es ist ein Tropfen, der nicht fällt. Denn es ist eine Metapher für Hoffnung und Zuversicht. Ich arbeite nämlich gerne mit Metaphern." Was man übrigens auch auf der englischen CD nachempfinden kann. Wie kam es übrigens zu diesem Album? (Denn "Goccia" ist ja auf italienisch geschrieben worden.) "Nun, durch die Robert Wyatt Verbindung wurde ich auch in England bekannt. Mein zweites Album, 'Nido', entstand aber noch ganz auf italienisch. Hier arbeitete ich zum ersten Mal mit einer festen Band. Und es enthielt natürlich 'Goccia'. Es folgten Touren - unter anderem mit Ani DiFranco und einem Auftritt auf dem Meltdown Festival in der Royal Festival Hall in London, das Robert Wyatt auch mit veranstaltete. Hier habe ich - glaube ich - auch Davey Ray Moor zum ersten Mal getroffen." Davey Ray Moor ist der Sänger der schottischen Band Cousteau. Wie er uns einmal im Interview verriet, ist seine Band in Italien ungewöhnlich erfolgreich, so dass dessen Interesse an einer italienischen Songwriterin zumindest erklärlich erscheint. Er schrieb zunächst einmal eine enthusiastische Rezension eines Cristina-Konzertes für die Zeitschrift "Musica!". Nach einem weiteren Treffen mit Moor kamen Cristina und er überein, dass Moor ihr drittes Album "Dove Sei Tu" ("Wo bist Du?" oder wie es auf der englischen Version heißt: "Wherever Finds You") produzieren sollte. "Ja, und er war es dann auch, der mich ermutigte, es überhaupt einmal auf englisch zu versuchen", erinnert sich Cristina. Und somit entstand dann "Cristina Donà", die "internationale Version" von "Dove su tei". "Davey hat mir hierbei sehr geholfen", erläutert Cristina, "es ist nämlich so, dass ich englisch ganz gut verstehe, aber ich habe Schwierigkeiten mich auszudrücken. Mir fehlen einfach die Vokabeln und die Möglichkeiten, mit der Sprache zu spielen. Ich ließ also meine Texte zunächst einmal von einem guten Freund übersetzen. Davey half mir dann dabei, sie auszuformulieren. Dabei hat er etwas sehr interessantes geschafft, indem er versuchte, sowohl Klangbilder, wie auch die Inhalte zu erhalten." Das heißt, dass die Texte auf italienisch ungefähr dasselbe aussagen wie auf englisch? "Ja, genau das ist der Fall", antwortet Cristina, "ich weiß nicht, ob ich einmal Songs direkt auf englisch schreiben werde - weil das italienische Publikum sehr darauf bedacht ist, dass eine italienische Songwriterin auch auf italienisch vorträgt -, aber ich könnte mir vorstellen, eine CD herauszubringen, die halb auf italienisch ist und halb auf englisch."

Cristina Donà
Es ist ja so, dass Cousteau eine unverhohlene Vorliebe für maritime Themen haben. Gleiches ist bei Cristina zu beobachten - zum Beispiel im Opener "Ultramarine" der neuen Scheibe. "Ja, aber das ist eher wirklich ein Zufall", lacht Cristina, "ich habe den Song geschrieben, nachdem ich eine Dokumentation über Cousteau gesehen habe. Also jetzt Jacques Cousteau, den Meeresforscher. Und zwar bevor klar war, dass Davey die Scheibe produzieren würde. Und da ich eben gerne mit Bildern arbeite, hat das ganz gut gepasst." Nun gut - aber auf einem anderem Gebiet hat Davey auch noch seine Spuren hinterlassen: Bei den Arrangements nämlich, die bemerkenswert vielseitig erscheinen und vom Folk bis zum Jazz alles abdecken. "Ich selber komme ja eher von der Rockmusik", räumt Cristina ein, "meine alten Tracks klingen eher wie die lauten Stücke auf 'Cristina Donà'. So etwas mag Davey ja nicht so sehr. Ich musste mit ihm regelrecht für die schnelleren, lauten Stücke wie 'Millie's Song' kämpfen. Ansonsten ließ ich ihm aber freie Hand. Ich denke nämlich, dass es für mich und meine Stimme am besten ist, wenn ich möglichst vielseitige musikalische Begleitungen habe." Was damit zusammenhängen könnte, dass Cristina eine sehr intensive Art zu singen hat. Zu rein akustischer Begleitung wirkt das daher zuweilen ein wenig spröde - im reichhaltigen Kontext der vielseitigen Arrangements kommt ihr Timbre aber so zu voller Geltung. Moor erwies sich hier als sehr umsichtiger Kollaborateur, der dieses erkannte. Ein Rätsel bleibt indes: Cristina tut sich wirklich schwer mit der englischen Sprache, sucht immer wieder nach Worten und weiß einiges überhaupt nicht auszudrücken. Auf ihrer Scheibe hört man das indes überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil: Niemand würde hier eine italienische Sängerin vermuten. "Ich kann mir das auch nicht erklären", gibt Cristina zu, "aber ich singe englisch sehr viel besser als ich es spreche. Ich weiß aber nicht warum. Vielleicht liegt es daran, dass man beim Singen ein wenig mehr Gefühl zeigen muss. Und es ist auch so, dass Davey mich beim Gesang unterstützt und 'gecoached' hat, so dass es sehr natürlich klingt. Ich denke, das ist für mich die beste Art, mit der Sprache zurechtzukommen."

Weitere Infos:
www.cristina-dona.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Cristina Donà
Aktueller Tonträger:
Cristina Donà
(Rykodisc/Rough Trade)
 

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