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21.03.2005
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ATHLETE

Malen mit Gefühl

Athlete
Groß, größer, Athlete. Zumindest in ihrer englischen Heimat läuft alles wie am Schnürchen für Joel Pott, Carey Willetts, Tim Wanstall und Steve Roberts. Die anstehenden Konzerte sind fast alle ausverkauft, darunter drei Nächte in der Londoner Brixton Academy. Mit ihrem Debüt "Vehicles And Animals" konnten sie schon groß abräumen, sie wurden für den Mercury-Preis nominiert, haben viele erfolgreiche Konzerte gespielt, und und und. Der Nachfolger, "Tourist", hat sich zwar klanglich etwas verändert, doch das hat dem Erfolg keinen Abbruch bereitet. Die Platte belegte prompt die Top Position in den Charts. "Momentan läuft es bei uns noch viel besser als bisher", erzählt Sänger Joel Pott beim Gaesteliste.de-Interview. "Es ist dieses Ding, wo du jeden Tag einen Anruf mit einer weiteren großartigen Neuigkeit bekommst... 'Okay, wir haben noch ein weiteres Konzert in der Brixton Academy eingeplant.' - 'Soeben sind die letzten Tickets dafür weggegangen!' - 'Ihr spielt noch ein weiteres!' - 'Die Single ist auf Nummer 1 in die Airplay-Charts eingestiegen!' Das haut einen ganz schön aus den Schuhen, und es ist alles auch ein wenig surreal."

Auch wenn Athlete in ihrer Heimat die großen Hallen füllen, müssen sie hierzulande quasi von vorne beginnen - aber die Band ist dafür bereit, wie uns Keyboarder Tim Wanstall wissen lässt: "Wir sind uns natürlich darüber im Klaren, dass wir außerhalb Englands eine recht unbekannte und neue Band sind, aber alleine schon die Gelegenheit zu haben, wieder in kleinen Clubs zu spielen und diese rohe Energie zu spüren, ist schon großartig. Das ist auch in etwa der Weg, den wir damals bei der ersten Platte in England genommen hatten - wir haben viele Shows gespielt, bevor eine Platte veröffentlicht haben, und wir waren eben nicht so eine Band, die dieses typisch britische Buzz-Hype-Ding angezogen hat, wir sind durch die Konzerte gewachsen, haben mal hier und da einen Song im Radio gehabt und die Leute sind von selbst auf uns aufmerksam geworden. So etwas noch einmal in einem anderen Land zu machen, ist schon aufregend." Nachdem man bereits mit dem ersten Album die Nummer 1 erreicht hat, könnte man den Nachfolger ja eigentlich viel entspannter angehen - schließlich geht es höher als Nummer 1 normalerweise nicht, es sei denn, man zielt auf einen Lifetime Achievement Award o.ä. ab. Joel: "Unser Label Parlophone hat sich ja zum Ziel gesetzt, eine Band über mehrere Alben aufzubauen, ihnen eine Chance zu geben, sich von Platte zu Platte weiterzuentwickeln, deswegen wussten wir ja schon, dass wir auf jeden Fall ein zweites Album machen können - und von daher hatten wir schon im Hinterkopf, dass wir auf der nächsten Platte mehr experimentieren können und auch entdecken können, was eigentlich an Potenzial in der Band steckt." Tim: "Den einzigen Druck, den wir verspürt haben, war eigentlich nur der, den wir uns selbst gesetzt haben. Man will ja immer bessere Songs schreiben, man will besser mit seinem Instrument umgehen können, solche Dinge. Eine andere gute Sache war, dass wir die Songs für 'Tourist' bereits kurz nach der Veröffentlichung von 'Vehicles And Animals' geschrieben haben, also lange bevor der ganze Rummel losging. Von daher wussten wir schon sehr früh, wie das zweite Album klingen würde und wir brauchten uns nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, einen würdigen Nachfolger erschaffen zu müssen."

Athlete
Auf "Tourist" herrscht ein etwas anderer Sound vor als auf dem Debüt - es klingt größer, episch, die Stimme ist mehr in den Vordergrund getreten und erzählt Geschichten auf ehrliche und persönlich Art und Weise, es klingt nun nach großem, klassischen, melodischen Britpop. Joel: "Wir haben einiges an Selbstvertrauen vor allem durch die Konzerte gewonnen, und natürlich auch dadurch, dass einem bewusst wird, dass die Leute deine Platte kaufen und sie wegen der Musik zu den Gigs kommen. Auf der ersten Platte war es mir schon recht, dass wir bei vielen Songs gemeinsam singen, denn ich habe mir damals noch nicht so viel zugetraut. Und die Band hat mir da im weiteren Verlauf auch viel geholfen - bei manchen Songs meinten die anderen, dass wir nicht unbedingt noch Backing-Vocals im Refrain bräuchten, das würde alleine mit meiner Stimme sehr gut passen. Durch solche Kleinigkeiten steigert man sein Selbstvertrauen ungemein." Tim: "Die Stimmung auf dem Album ist sehr gefühlsgeladen, und ich halte es für wichtig, dass die Songtexte Integrität besitzen, und das kann man eigentlich nur dadurch erreichen, wenn man über das singt, was man selbst erlebt hat. Zum Beispiel der Song 'Wires', der von der Geburt von Joels Tochter handelt [Joels Tochter wurde nach ihrer Geburt mit Herzproblemen auf die Intensivstation verlegt und musste dort behandelt werden]. Dahinter steckt eine wahre Geschichte, und ich denke, man kann dies auch fühlen, alleine schon durch die Art, wie wir diesen Song spielen. Joel durchlebt diese Situation jedesmal von neuem, wenn er den Song singt, und es passt einfach alles zusammen. Wenn man so ein Album machen will, und die Texte nicht auf den eigenen Erfahrungen basieren lässt, kann es sehr leicht passieren, dass man diese klischeebehafteten Phrasen benutzt, nur um den Song mit Inhalt zu füllen. Und so etwas merkt man meiner Meinung nach sehr schnell." Joel: "Man kann das vielleicht auch mit Bildern, Gemälden vergleichen - bei einigen Bildern merkt man einfach, dass der Maler alles dort hineingesteckt hat, seine ganze Leidenschaft. Dann gibt es aber auch garantiert Maler, die bestimmte Dinge einbauen, weil sie wissen, dass man damit das Bild leichter verkaufen kann. Aber die Leute durchschauen das!" Athlete haben mit "Tourist" ein sehr schönes Gemälde in Musikform erschaffen.

Weitere Infos:
www.athlete.mu
www.capitolmusic.de/3251688/info.html
Interview: -David Bluhm-
Fotos: -Nigel Bennett-
Athlete
Aktueller Tonträger:
Tourist
(Parlophone/EMI)
 

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