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04.04.2005
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THE THERMALS VS. QUASI

"Bei unseren beiden Bands wird noch richtig gespielt"

The Thermals vs. Quasi
Die Ankündigung der (größtenteils) gemeinsamen Deutschland-Tournee von zwei der besten und liebenswertesten Bands aus Portland, Oregon, war eine Überraschung. Eine sehr willkommene zwar, aber dennoch eine Überraschung. Schließlich haben weder The Thermals noch Quasi eine neue Platte veröffentlicht, und in Zeiten, in denen viele andere Bands ständig davon sprechen, dass sie in erster Linie auf Tour gehen, um die Verkäufe ihrer Platten anzukurbeln, scheint das Timing von Quasi und The Thermals zumindest ungewöhnlich zu sein. Wenige Tage vor dem Auftritt der beiden Bands beim "Monsters Of Spex"-Minifestival in Köln am 6. April 2005 im Kölner Gebäude 9 traf Gaesteliste.de Sam Coomes von Quasi und Hutch Harris von The Thermals zu einem gemeinsamen Gespräch beim Konzert im Münsteraner Gleis 22.

"Wir verkaufen nie Platten - egal, ob wir auf Tour sind oder nicht. Das Argument, auf Tour zu gehen, um die Verkäufe anzuheizen, zieht also bei uns nicht", ist Sams Reaktion auf unsere Verwunderung über die Tournee zu diesem Zeitpunkt. "Daheim in den USA verdienen wir mit unseren Konzertreisen unseren Lebensunterhalt, nur um dann alles wieder zu verlieren, wenn wir in Europa auf Tour gehen." - "Ich würde mich nicht gut dabei fühlen zu sagen, dass wir auf Tour gehen, um unsere Platten zu verticken", sagt auch Hutch. "Wäre dann die gesamte Show nur darauf zugeschnitten, anschließend das Album zu verkaufen? Wir wollen eher ein paar Platten verkaufen, um damit die Leute zu unseren Konzerten zu locken. Bei uns ist es übrigens anders herum als bei Quasi: Wir verlieren in den Staaten Geld auf unseren Tourneen, hier in Europa dagegen verdienen wir inzwischen ganz gut." Warum wir die Tour gerade jetzt machen? Weil wir nicht wissen, was wir sonst machen sollen - außer vielleicht im Coffeeshop arbeiten."

Na ja, eine Alternative wäre immerhin, zu Hause an neuen Songs zu basteln. "Ja, das ist das, was wir eigentlich machen sollten, aber im Moment habe ich einen kleinen Durchhänger, und es geht nur langsam vorwärts", gesteht Hutch, und Sam sagt: "Man kann ja auch versuchen, neue Songs auf Tour zu schreiben. Ich glaube nicht, dass das Unterwegssein zwangsläufig schlecht für das Songwriting ist." - "Ich kann keine Songs auf Tour schreiben", verrät Hutch. "Die Konzerte sind aber ein guter Weg, deiner alten Songs überdrüssig zu werden. Das wiederum inspiriert mich dann, darüber nachzudenken, wie man die Dinge etwas anders angehen könnte und wie die neuen Songs klingen sollten." - "Ach, die Songs sind eh egal!", glaubt Sam. "Wenn du jeden Abend auf der Bühne stehst, spielst du zusammen als Band, und der Song ist dabei nur eine Art Rezept, das keine Bedeutung hat ohne das Spielen. Darum geht es, um das Zusammenspielen und das Musikmachen! Trotzdem sind die Liveauftritte nicht wichtiger als die Arbeit im Studio, denn beides ist gar nicht so verschieden. Auch im Studio musst du deine Songs erst einmal spielen. Natürlich programmieren manche Künstler alles am Computer, aber bei unseren beiden Bands wird noch richtig gespielt: Du stellst die Bandmaschine an, und dann geht es los."

The Thermals vs. Quasi
Während sich The Thermals auch live sehr nah an den Arrangements ihrer Platten bewegen, sehen sich Quasi als Duo gezwungen, einige Songs für das Liveset komplett umzukrempeln. Zwar haben Sam und Janet darüber nachgedacht, weitere Musiker für die Konzerte zu engagieren - auf der 1998er Tournee spielte ja Elliott Smith allabendlich bei einigen Songs Bass -, doch letzten Endes macht es ihnen mehr Freunde, die Studioversionen nur als Vorlage für eine neue Liveversion zu sehen. Und manchmal ist es sogar umgekehrt: "Ungefähr die Hälfte unseres Programms sind neue, bisher unveröffentlichte Songs, einfach deshalb, weil wir so lange keine neue Platte mehr gemacht haben. Dass die Leute das abschrecken könnte, befürchte ich dennoch nicht. Schließlich haben die meisten sowieso noch keinen Ton von uns gehört und merken den Unterschied gar nicht. Bei den Thermals ist das natürlich etwas anderes." Dass all die neuen Songs, die Quasi derzeit im Repertoire haben, auf Platte erscheinen, ist deshalb allerdings noch nicht gesagt. "Nee, wir haben schon einiges verworfen. Wenn ein Song neu ist, bist du natürlich ganz aufgeregt und hältst ihn für unglaublich gut, aber nach einiger Zeit, wenn der Charme des Neuen verschwunden ist, stellst du manchmal fest, dass er gar nicht so toll war. Die guten Stellen aus diesen Songs tauchen dann häufig in anderen Stücken wieder auf. Noch nicht einmal absichtlich, das passiert einfach. Wir haben eine Peel-Session aufgenommen, und dafür haben wir ein, vielleicht sogar zwei Songs aufgenommen, die wir danach nie wieder angerührt haben!" - "Das ist großartig", fällt ihm Hutch fast ins Wort. "Wir haben nie genug Songs, deshalb sind unsere Platten auch nur 26 Minuten lang! Ich fänd' es wahnsinnig gut, wenn wir für solche Gelegenheiten neue Songs hätten!"

Ein Dilemma, für das der alte Hase Sam eine Lösung parat hat: "Nehmt einfach den Zwei-Minuten-Song, teilt ihn in der Mitte, jammt an der Stelle für zwei Minuten, und schon habt ihr ein Vier-Minuten-Stück!" Natürlich sind es gerade die konzisen Songs, die kein Gramm zu viel haben, weshalb viele Leute die Thermals so schätzen, aber wäre dieser augenzwinkernde Vorschlag eine Überlegung wert? "Unsere neuen Songs sind länger, einfach deshalb, weil sie langsamer sind", erklärt Hutch, und Sam wirft ein: "Das wäre mein zweiter Vorschlag gewesen! Nehmt einen schnellen Song und spiel ihn so langsam wie 'When The Levee Breaks' oder so, und schon habt ihr im Handumdrehen ein Epos!" - "Über so etwas habe ich wirklich nachgedacht", gibt Hutch zu. "Als wir anfingen, dachte ich mir, wir machen einfach immer so weiter, aber inzwischen kann ich mir nicht mehr vorstellen, weiterhin immer nur schnelle Songs zu schreiben. Wohin genau die Reise gehen wird, weiß ich allerdings noch nicht."

Weitere Infos:
www.thethermals.com
www.theequasi.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
The Thermals vs. Quasi
Aktueller Tonträger:
Fuckin A'
(Sub Pop/Cargo)
 

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