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25.05.2005
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THE HAVENOTS

Nichts ist schwierig

The HaveNots
Dass die "Habenichtse" aus Leicester in England kommen wundert - zumindest was den Namen angeht - ja nicht weiter: Das ist allerschönstes britisches Understatement, gewürzt mit einer Prise Arbeiterklassen-Flair. Musikalisch indes klingt das, was Liam Dullaghan und Sophia Marshall da machen, zunächst mal mehr nach Americana. Nicht umsonst wurde das Duo gleich nach Erscheinen des ersten Tonträgers "Circus 65" in die Brit-Country-Ecke gesteckt. Nicht unbedingt von Vorteil, wenn man sich diese unter "ferner liefen" anzusiedelnde, kränkelnde Szene anschaut. Doch das neue Album, "Never Say Goodnight", ist dann auch gar nicht mehr so Country-lastig. Ganz im Gegenteil: Hier entdeckten die HaveNots ihr Herz für luftige, sommerkompatible Gitarrenpop-Musik, die auf unpenetrante Art geradezu heiter und gelöst wirkt. Jedenfalls musikalisch, denn die Texte sind eher düster und ein wenig morbide.

Aber lassen wir doch mal Liam erklären, wie das alles zusammenhängt. "Nun, Sophie und ich haben bereits vor fünf Jahren angefangen", erzählt er, "wir sind nämlich auf das selbe College gegangen. Da haben wir bereits Songs zusammengeschrieben. Die Art der Musik, die wir machen, entwickelte sich aus dem heraus, was wir selber gerne hörten. Ich habe z.B. in einer Bar gearbeitet, die oft von alten Country-Recken frequentiert wurde. Wenn du jeden Abend solche Leute triffts, dann beeinflusst dich so etwas natürlich. Irgendwann wollte ich dann auch einmal damit versuchen." Wie entstehen denn die Songs, bei denen die Stimmen ja offensichtlich der Dreh- und Angelpunkt sind? "Ja, das stimmt", pflichtet Liam bei, "alle unsere Songs werden um die Gesangsharmonien herum aufgebaut. Wir schreiben die Stücke zusammen. Dabei schließen wir uns mit ein paar Drinks in einem Raum ein und fummeln so lange herum, bis die Songs fertig sind. Viele Leute haben uns gesagt, das sei ziemlich ungewöhnlich..." Womit Liam nicht ganz unrecht hat. Die wenigsten "Songwriter-Duos" schreiben tatsächlich zusammen. "Ja, aber bei uns geht es fast nicht anders, weil wir uns ja auf die Harmonien einigen müssen", gibt Liam zu bedenken. Wenn die Songs dann fertig sind, gibt es offensichtlich eine Aufgabenteilung, denn Liam und Sophia übernehmen wechselseitig den Lead-Gesang. Wie entscheidet sich denn, wer was singt? "Nun, derjenige, der das meiste zum Song beiträgt, singt ihn für gewöhnlich auch - manchmal hängt es auch davon ab, wer das Stück besser singen kann." Nun ist es - besonders auf der neuen Scheibe - so, dass Sophia die langsameren Stücke singt - die zudem auch ein wenig anders arrangiert sind, als die Up-Tempo-Nummern. Fast klingt das, als höre man ein Mix Tape von zwei verschiedenen Scheiben. War das Absicht? "Nein, nein, ganz und gar nicht", lacht Liam, "das war ein Zufall. Es gibt ja nur zwei Personen in der Band. Wenn wir Sachen aufnehmen, frage ich Freunde aus anderen Bands, ob sie uns aushelfen können. Wir arrangieren die Songs zusammen im Studio. Bevor wir ins Studio gehen, wissen wir selber nicht, wie sich die Songs anhören werden. Und am Ende war es so, dass meine Songs immer schneller und lauter und Sophies immer langsamer und leiser wurden. Das war aber nicht geplant." War es denn geplant, dass die Scheibe mit einer Sammlung eher atmosphärischer Songs ausklingen sollte? "Ja, das war schon absichtlich", bestätigt Liam, "denn unser erstes Album haben wir mit langsamen Songs begonnen. Das wollte ich nicht schon wieder machen. Ich möchte mich nicht wiederholen."

Die Texte der HaveNots scheinen dabei, wie gesagt, immer einen Gutteil düsterer zu sein, als die Musik. Auch wenn Liam findet, dass sie zum Teil doch ganz schön komisch sind. "Nun ja, vielleicht kommt mir das ja nur so vor, weil ich die Texte schreibe", überlegt er, "ich meine, wenn ich z.B. an etwas denke und mich das an etwas ziemlich Dämliches erinnert, was ich dann aber trotzdem verwende. Das ist das, was mir Spaß macht. Es ist ja so, dass unsere Songs fast ausschließlich autobiographisch sind. Da müssen wir zuweilen schon ein wenig übertreiben oder Sachen erfinden, sonst wäre es ja zu langweilig für die Zuhörer." Was ist denn das Wichtigste beim Songschreiben? "Die Texte und die Melodien", antwortet Liam wie aus der Pistole geschossen, "wenn wir unsere Songs schreiben, denken wir gar nicht großartig an die Instrumente, die wir später verwenden werden. Ich kann mich auch zum Beispiel gar nicht hinsetzen und auf Befehl einen Song schreiben. Dazu muss ich müde sein und einen Kater haben. Das gilt auch für Sophia. Wir schreiben auch vorher keine Texte auf oder so etwas. Es passiert alles auf dem Versuch und Irrtum-Prinzip." Liam überlegt einen Moment. "Hm, vielleicht sollten wir doch irgendwann mal anfangen, unsere Ideen in Notizbüchern festzuhalten und einen Song von Anfang bis Ende durchzukomponieren. Irgendwann müssen wir ja mal damit anfangen..." Was ist denn ein guter Song? "Das ist eine schwierige Frage", überlegt Liam, "ich weiß es aber nicht. Es gibt natürlich Songs, die ich aus einem bestimmten Grund mag - den kenne ich aber nicht bzw. ich habe noch nicht drüber nachgedacht. Ich will das auch nicht intellektualisieren. Das nimmt ein wenig den Spaß." Woher wissen denn dann Liam und Sophia, wenn einer ihrer eigenen Songs gut ist? "Nun, wenn es uns Spaß macht, ihn zu spielen", meint er, "wenn ich mich nämlich schon langweile, dann tut das jemand anderes erst recht. Die Songs, die wir also weiter verfolgen, sind die, die uns Spaß bringen - jetzt unabhängig davon, ob sie traurig oder fröhlich sind." Was ist denn am schwersten, beim Songwriting? "Nichts, ehrlich gesagt", antwortet Liam, "es macht ungeheuren Spaß. Natürlich gibt es manchmal Probleme, aber daran arbeitet man dann. Aber ich würde nicht sagen, dass es wirklich schwierig ist." Nun, das wird sich vermutlich spätestens beim ersten "Writer's Block" ändern. "Das kann wohl sein", lacht Liam.

The HaveNots
Was bedeutet denn der Titel des Albums - "Sag niemals 'Gute Nacht'"? "Das hängt mit der Stimmung zusammen, in der wir uns befanden, als wir das Material schrieben", führt Liam aus, "da fühlten wir uns ja, wie gesagt, nicht besonders gut. Wir haben uns dann gesagt, dass wir weiter machen müssten, was aber ein echter Kampf war - weil zum Beispiel kein Geld da war. Die andere Bedeutung liegt darin, dass wir als Musiker ja ständig unterwegs sind - besonders abends. Nicht, dass wir Partylöwen sind, aber unser Beruf bringt es mit sich, dass du niemals dann ins Bett kommst, wenn du es eigentlich solltest." Wenn man den Ausspruch wörtlich nimmt, dann könnte man es ja auch so interpretieren, dass, wer niemals "Gute Nacht" sagt, ja auch ständig weiter macht - was insofern dann eine durchaus positive Aussage wäre. "Ja, da hast du Recht", stimmt Liam zu, "das ist es ja auch, was wir ausdrücken wollen." Die Single, "Flyers", spricht auch das Thema Musikantentum an. Das scheinen also Momente zu sein, die direkt aus dem Alltagsleben der arbeitenden Musikerbevölkerung entnommen sind. "Ja, das stimmt", führt Liam aus, "die Sache beim Verteilen von Flyern kennt jeder Musiker: Man gibt da praktisch einen Teil von sich selber weg - in der sicheren Gewissheit, dass die meisten von den Flyern weggeworfen werden. Aber das gehört dazu und es ist ein Teil dessen, was wir tun. Ansonsten bevorzuge ich Liebes-Lieder - das liegt doch nahe, nicht?" Und was ist musikalisch am wichtigsten? "Nun, so viele Hooklines wie möglich in einem Song unterzubringen. Ich glaube aber doch, dass unsere Songs eher noch ziemlich simpel sind. Ich sehe keinen Sinn darin, Songs unnötig zu verkomplizieren", erläutert Liam, "das ist für uns aber eine ganz natürliche Sache. Wir müssen uns da nicht besonders anstrengen. Wenn wir uns überhaupt anstrengen müssen, dann schon eher damit, einen Song komplexer zu gestalten." Und wie geht es musikalisch weiter für die HaveNots? "Nun, das Lustige ist, dass wir bereits jetzt schon wieder ein paar neue Songs geschrieben haben", freut sich Liam, "und ich denke, dass unsere Texte langsam besser werden. Musikalisch wollen wir auch ein wenig anspruchsvoller werden." Zunächst einmal ist aber noch eine Tour angepeilt, die Liam und Sophia vermutlich aus Kostengründen als Duo bestreiten werden. Vermutlich könnt ihr sie dabei in den Fußgängerzonen eurer Wahl antreffen - natürlich beim Verteilen von Flyern.

Weitere Infos:
www.havenots.co.uk
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
The HaveNots
Aktueller Tonträger:
Never Say Goodnight
(Cooking Vinyl/Indigo)
 

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