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27.05.2005
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KEN

Danke für den Fisch!

Ken
Kleine Rückblende ins Jahr 2002: Blackmail hatten gerade ihre Aktivitäten zur "Bliss, Please"-Platte hinter sich gebracht, und man erwartete eigentlich eine kleine Pause, bis es die nächste Veröffentlichung aus Koblenz geben würde. Die hat es auch gegeben, allerdings nicht unter dem Namen Blackmail, sondern Ken, dem damals neuen Projekt von Sänger Aydo Abay. Der Plan hinter Ken: Den Spaß aufrecht erhalten und sich für jede Platte eine wechselnde Musikantenschaft aus verschiedenen Bands zusammenzusuchen. Bei der ersten Ken-Platte waren noch größtenteils vertraute Gesichter aus dem engeren Umfeld am Start. Jetzt sind Musiker von Urlaub in Polen, Jelly Planet und Scumbucket mit dabei - und herausgekommen sind dabei direkt zwei Alben. Eine Cover-Platte namens "I Am Thief" und die andere, "Stop! Look! Sing Songs Of Revolutions!", mit neuen Ken-Songs.

"Sehr unsicher - die Platten sind gerade mal eine Woche raus, und da ist man immer so emotional sehr aufgerieben", beantwortet Aydo Abay die Frage nach dem werten Befinden vor dem dritten Gig der Tour in Dortmund. "Die Platte kommt ja auch sehr gut an, ich weiß auch gar nicht, was ich will - ich bin einfach nur nervös. Wir waren jetzt fast zwei Jahre mit Blackmail auf Tour, und eigentlich vermisse ich das Umfeld, denn das ist alles immer so schön safe und gut koordiniert. Jetzt mit Ken habe ich ja auch wieder eine neue Band, mal gucken, wie die so sind nach zehn Tagen. Abwarten." Nachdem das erste Ken-Album noch auf dem Major Warner Music erschienen ist, und man dort auch aufgrund der personellen und finanziellen Umstrukturierungen mit einem großzügigen Angebot vor die Tür gesetzt wurde, fand man bei Strange Ways ein neues Zuhause. Und wie beim Debüt, so war der Plan auch diesmal, innerhalb kurzer Zeit ein Album einzuspielen - "Stop!" wurde in gerade mal zehn Tagen eingespielt. Ken 2005 setzt sich im Studio zusammen aus Aydo Abay, Guido Lucas, Oliver Fries, Georg Brenner (Urlaub in Polen), Marcel von der Weiden und Jens Küchenthal (Jelly Planet), live auf der Bühne wurde Guido Lucas vom Jelly Planet-Bassisten Felix Gutierrez vertreten. Vom Papier her kann schon in etwa grob erahnen, wohin die musikalische Reise gehen wird - Space-Rock, Indie-Rock, Pop. Und obwohl hier unterschiedliche Musikstile aufeinander treffen, wirkt die Platte doch sehr homogen, es passt alles hervorragend zusammen.

"Wir hatten noch Prince, Bauhaus und was von Grandaddy - dieses Stück ist zwar sehr, sehr gut geworden, aber es war einfach zu nah am Original", gibt Aydo Auskunft über die Cover-Platte "I Am Thief". "Ich hatte ungefähr 25 Songs auf dem Plan, darunter auch 'Fuzzy' von Grant-Lee Buffalo und 'Toxic' von Britney Spears - das wollte ich unbedingt machen, gerne in einer sehr lässigen Version, nicht unbedingt Country, aber so in die Richtung." Wie war denn überhaupt die Herangehensweise an das Cover-Album? "Ich mag Cover-Versionen, wenn sie originell sind. Ich finde, das haben wir auch ganz gut hinbekommen, die sind zwar nicht alle jedermanns Sache, die Songs greifen musikalisch recht große Bögen auf - seltsamerweise funktioniert es dennoch als Album, ich habe mir sagen lassen, dass man die Platte durchhören kann ohne genervt zu sein, und es war auch eher wie ein selbst eingespieltes Mixtape. Früher war ich ein akribischer Mixtape-Gestalter - leider habe ich heutzutage nicht mehr so die Zeit und die Muße dazu, welche zu machen. Aber das war schon ein phantastisches Hobby, vor allem, wenn du vor dem CD-Berg sitzt und sagst: 'Jetzt drehe ich ab!' Das war auch der Leitfaden für die Cover-Platte." Als Single wurde dann auch zunächst ein Cover-Song ausgewählt - "Stronger" von den Sugababes. "Ich wollte eigentlich den Überraschungs-Moment damit ausnutzen - zum einen hätte niemand mit 'Stronger' gerechnet, zum anderen nicht mit dieser Version und schon gar nicht mit diesem Ballett-Video. Es sollte auch eine direkte Abgrenzung zum Blackmail-Zeug sein, es sollte schon deutlich machen, dass Ken und Blackmail zwei verschiedene Sachen sind." Im Ken-Gästebuch hatte jemand die Musik als Blackmail meets Dazerdoreal goes poppig beschrieben. "Hm, wahrscheinlich kriegt man diese Assoziation durch die Stimme, aber wenn man sich musikalisch damit auseinandersetzt, ist das schon ein ganz anderer Fisch. Vielleicht einer der stinkt, aber es ist ein anderer Fisch."

Ken
Auch wenn die beiden Scheiben gerade erst veröffentlicht worden sind, denkt Aydo schon an die Zukunft. "Ich werde das wie bei der letzten Platte machen, dass ich mir diverse Musiker zu so einer Session einlade, und gucke, ob das Grundverständnis für Musik da ist, und dann werde ich diese Leute wieder zusammen in einen Raum führen und dann werden wir musizieren. Und ich kann jetzt schon sagen, dass das nächste Mal wieder der Hammer für mich werden wird - es ist immer der neue Charakter, der es interessant macht, für mich und für die Leute." Ist es auf der anderen Seite denn nicht auch schwierig, sich für jede Platte auf neue Leute einstellen zu müssen - schließlich gibt es nicht von Anfang an die Garantie, dass im Studio alles passt. "Da habe ich keine Bedenken", mein Aydo selbstsicher dazu. "Und auch was die Studio-Zeit betrifft - das eine Studio gehört eh uns, das andere gehört dem Guido, und wenn ich nach drei Tagen zu ihm gehe und sage, dass es nicht klappt, dann berechnet er die Zeit auch nicht." Es ist immer von Vorteil als Band, ein eigenes Studio zu besitzen und nicht mittellos zu sein. "Ich bin mittellos! Ich glaube, ich stehe kurz vor dem finanziellen Ruin - also kauft bitte die Platte! Es ist jetzt zwar erst das dritte Konzert, aber auch die Tour läuft katastrophal - es kommt keine Sau. Es ist aber jetzt nicht nur bei uns so, z.B. bei Scumbucket ist es auch ähnlich. Die haben auch eine Hammer-Presse bekommen, Kurt und die anderen aus der Band sind ja auch durch andere Projekte bekannt, aber das scheint die Leute überhaupt nicht zu interessieren! Die wissen gar nicht, was sie an uns haben, glaube ich manchmal. Die strömen dann immer zu den neuesten amerikanischen und englischen Hypes, der deutsche Scheiß interessiert die überhaupt nicht, und wir reißen uns hier den Arsch auf. Das finde ich affig... Ich meine, ich freue mich über jeden, der da kommt, und dann hast du ja auch dieses Zusammengehörigkeits-Gefühl, es verbindet einen dann auch sehr viel mit diesen Leuten, man ist ja im selben Boot zu der Zeit, aber das lohnt sich finanziell dann halt nicht. Und ich muss meine Band ja auch entsprechend bezahlen, und das kann ich mir dann irgendwann auch nicht mehr leisten. Vielleicht sollte ich mal etwas anderes machen..." Zur Kassen-Aufbesserung würde es doch momentan wohl reichen, eine Sängerin zu engagieren und Deutsch-Pop zu machen. "Da müsste ich mir leider erst zwei Arme abschneiden! Sängerin gerne, aber ich kann nicht auf Trends aufspringen. Das muss schon aus dem Bauch kommen. Ich glaube, das Interesse an uns ist einfach nicht da - ich weiß auch nicht, was wir jetzt falsch machen. Man wirft uns ja immer wieder Arroganz vor. Oasis sind auch arrogant, und hier in Deutschland finden alle Oasis gut, eben weil sie so arrogant sind - nicht dass wir das jetzt kopiert oder konzipiert hätten, dass wir auch arrogant sind, wir machen einfach nur das, was wir wollen, und dann hagelt es in den Gästebüchern 'Arrogante Schweine!', 'Wichser!' etc. Vielleicht sollten wir auswandern - in Japan läuft es sehr gut, vielleicht sollten wir nur noch dort touren. So wie alle Bands, die es in Deutschland nicht geschafft haben", sagt Aydo abschließend mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Dann wurde es aber auch höchste Zeit für den ersten Jägermeister des Abends.

Weitere Infos:
www.ken-band.com
Interview: -David Bluhm-
Fotos: -Kay Müller-
Ken
Aktueller Tonträger:
I Am Thief / Stop! Look! Sing Songs Of Revolutions!
(Strange Ways/Indigo)
 

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