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25.07.2005
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BOB MOULD

Der DJ mit der Gitarre

Bob Mould
Es ist erstaunlich einfach, eine Stunde vor Einlass ins altehrwürdige Tower Theatre in Upper Darby vor den Toren Philadelphias zu gelangen. Das Personal steht gelangweilt herum und auch die Macher der NONOCOMM Radio Convention, die den Abend in dem wunderschönen, komplett renovierten 3 000 Sitze-Saal veranstalten, sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um deutsche Medienvertreter aus den Backstageräumen fernzuhalten. Wir sind - im wahrsten Sinne des Wortes - auf der Suche nach Bob Mould, der an diesem Abend einen seiner inzwischen selten gewordenen Soloauftritte absolvieren, in Kürze ein neues Album veröffentlichen und im September nach siebenjähriger Abstinenz wieder auf deutschen Bühnen stehen wird und bei den - von Gaesteliste.de stolz präsentierten - Konzerten in Köln und Hamburg erstmals überhaupt an einem Abend Songs aus all seinen Schaffensphasen des letzten Vierteljahrhunderts - von Hüsker Dü über Sugar bis hin zu seinen Solosachen - mit Band präsentieren wird. Es dauert eine Weile, bis Mould endlich im Treppenhaus auftaucht und den Gaesteliste.de-Vertreter wie einen alten Freund begrüßt - dabei ist dies unsere erste persönliche Begegnung.

Überhaupt macht ihn sein Auftreten - eine Mischung aus wohlwollender Herzlichkeit und freundlichem Professionalimus - sehr sympathisch. Da können wir es also wagen, ihn gleich zu Beginn des Gesprächs danach zu fragen, warum sich denn die Veröffentlichung seines lange angekündigten neuen Gitarrenalbums "Body Of Song", das nun endlich das Licht der Verkaufsregale erblickt, so lange hinausgezogen hat. Schon im Frühjahr 2002, bei unserem letzten Gespräch, hatte er uns von der anstehenden Veröffentlichung des - nach seinen mutigen, aber untypischen Elektronik-Experimenten mit "Modulate" und "Long Playing Grooves" - von vielen eingefleischten Fans sehnlichst erwarteten Rockalbums erzählt.

"Ich wurde abgelenkt", gesteht er. "Im April 2002 habe ich in Athens besagte Aufnahmen gemacht, mit David Barbe von Sugar und Matt Hammon, der auf meiner 1998er Tour getrommelt hatte. Einige der Aufnahmen waren gut, einige wurden nicht fertig, also kehrte ich im Oktober desselben Jahren noch einmal zurück, und wir nahmen drei oder vier weitere Stücke auf. Danach habe ich allerdings völlig das Interesse an der Platte verloren. Das Jahr 2003 habe ich dann größtenteils mit anderen Projekten verbracht. In erster Linie war ich viel als DJ unterwegs, denn 'Blowoff!' ist inzwischen zu einer ziemlich großen Sache geworden, und außerdem habe ich an einer gemeinsamen Platte mit Richard Morel gearbeitet, die hoffentlich Anfang nächsten Jahres erscheint - wenn wir sie dann noch mögen, denn wir werden wohl einiges überarbeiten wollen! Außerdem habe ich viel Zeit damit verbracht, das Remixen zu erlernen, indem ich mich sehr intensiv mit einer Menge Software beschäftigt habe. 2003 habe ich also vor allem mit dem Computer eine Menge Spaß gehabt und 'Body Of Song' erst einmal liegen lassen. Erst 2004 habe ich dann wieder angefangen, auf der Gitarre zu schreiben, vermutlich wegen der 'Blowoff!'-Platte, auf der es viele Gitarren gibt. Plötzlich machte es mir wieder Freude, auf diese Art Songs zu schreiben, und so entstand eine ganze Reihe neuer Stücke. Danach habe ich sie dann als echte Homerecordings aufgenommen. Die Drums kamen aus dem Computer, und alles andere - Gitarre, Bass, Loops und Gesang - habe ich selbst übernommen. Dazu kamen einige Sessions mit Brendan Canty, eine letztes Jahr und weitere Anfang diesen Jahres, bei denen er auf einem Dutzend meiner neuen Songs trommelte. All das führte dann letztlich zu 'Body Of Song'. Eine gute Platte, aber sie hat ihre Zeit gebraucht!"

Interessant ist vor allem, dass Mould, der inzwischen in Washington, DC, eine neue Heimat gefunden hat, nach seiner "elektronischen Phase" dieses Mal nicht nur zum Rocksound, sondern vor allem auch zum "echten" Schlagzeug zurückgekehrt ist. Immerhin hatte er auch schon auf seiner selbstbetitelten 1996er LP bei seinen Gitarrennummern auf programmierte Drums zurückgegriffen. "Na ja, die Rockfans mögen halt den programmierten Schlagzeugsound nicht so. Ich habe zunächst alles mit einem Drumcomputer aufgenommen und erst nachher hat Brendan drübergespielt. Er ist ein großartiger Drummer, denk an all die Fugazi- und Rites Of Spring-Platten! Das Witzige war: Er kam ins Studio und spielte wie immer, und als wir uns die Resultate anhörten, meinte er: 'Oh, das ist zu viel, lass es mich noch mal spielen'. Also tat er das, aber es war immer noch zu viel, und er sagte: 'Ich stehe dem Song im Weg!' Jetzt haben die Texte viel Freiraum, und wenn er loslegt, hat das viel mehr Bedeutung. Brendan ist ein toller Typ, und es macht viel Spaß, mit ihm zusammenzuarbeiten."

Reduktion ist auch das Stichwort für Moulds Equipment. Heute gibt er sein Geld lieber für neue Computer-Software denn für Instrumente im klassischen Sinne aus. "Ich habe schon länger keine Gitarre mehr gekauft, und ich brauche auch keine weiteren mehr. Ich benötige eigentlich nur drei: Die Blaue [deutet auf die Stratocaster, die neben ihm liegt], meine 12-Saitige und meinen Fender Mustang Bass." Die Strat ist übrigens auch alles andere als neu - Mould spielte sie bei sämtlichen Sugar-Konzerten der Jahre 1992-94. "Ja, das ist genau diese Gitarre. Allerdings hat sie inzwischen den dritten Koffer!" Der Verzicht auf neue Instrumente macht Sinn, denn seine Liveauftritte sind mittlerweile nur noch sein zweites Standbein. Sein Hauptaugenmerk liegt ohne Zweifel auf den "Blowoff!"-DJ-Nächten zusammen mit seinem Partner Richard Morel, mit denen er inzwischen an der ganzen US-Ostküste regelmäßig abräumt und noch dazu glänzende Pressekritiken erhält. Ähnlich wie Soulwax, die ihre Konzerte bisweilen als 2 Many DJs mit einem Set an den Plattentellern eröffnen, stellen sich auch Mould und Morel des Öfteren nicht nur an die Decks, sondern auch mit zwei Stromgitarren auf die Bühne. "Wir haben das erst kürzlich wieder im 9:30 Club in DC gemacht, und es sind 600 Leute gekommen", berichtet Mould begeistert. "Wir haben zwei Stunden Platten aufgelegt, haben dann nahtlos das 30-minütige Liveset angeschlossen und uns danach wieder als DJs betätigt. Das Lustige dabei ist: Unser Publikum besteht größtenteils aus Homos. Viele von denen haben bisher kaum Kontakt mit Livemusik gehabt. Sie kommen also, um zur Discomusik zu tanzen und ihr Shirts auszuziehen, und dann spielen plötzlich Richard und ich unsere lauten Gitarrenriffs... woah!" Seine Auftritte an den Plattentellern plant er dabei ähnlich sorgfältig wie seine Konzerte. "Wenn ich eine Stunde auflegen soll, nehme ich für zwei Stunden Platten mit und lege vorher auch grob eine Reihenfolge fest. Das heißt, ich bin jederzeit in der Lage, auf das Publikum zu reagieren", sagt Mould und fügt grinsend hinzu: "Und wenn alles schief geht, spiele ich einfach Stardust - das funktioniert immer." Eine Erfahrung, die auch auf seine Solokonzerte abgefärbt hat, bei denen er zwar auch eine vorher festgelegte Setlist hat, die er aber inzwischen häufiger als früher auch gerne einmal umwirft, wie er lachend gesteht: "Wenn ich merke, dass das Publikum unruhig wird, spiele ich einfach 'Celebrated Summer' - dann sind alle glücklich!"

Weitere Infos:
www.bobmould.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Jim Saah-
Bob Mould
Aktueller Tonträger:
Body Of Song
(Cooking Vinyl/Indigo)
 

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