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BOSSE
 
Der Kick
Bosse
Bosse hat ein neues Album. "Wartesaal" ist frisch auf dem Markt und der Grund für ein Treffen. Mitten in Hamburg, in einem kleinen Café in der Schanze treffen wir den Mann, den man mögen muss. Nicht nur, weil er so schöne Lieder macht, sondern weil er auch so furchtbar nett ist. "Möchtest du echt nichts von meinem Burger?" Nein, danke. Aber ist lieb gemeint.
Mit "Taxi" schaffte Bosse vor gut zwei Jahren nicht unbedingt den Durchbruch, dafür hatte er schon zu viel gemacht, aber doch den Sprung in den Blick der großen Öffentlichkeit. Lieder wie "Der Sommer ist noch lang" oder natürlich "3 Millionen" liefen im Fernsehen, wurden erfolgreich und Bosse war jemand. So etwas wie ein Popstar. Ohne das wirklich zu wollen. "Das war ja die erste Platte ohne Major-Anbindung, sondern mit der kleinen eigene Firma", erinnert er sich. "Irgendwie hat sich das dann herumgesprochen. Wir hatten jetzt nicht das volle Promobrett, daran war ja nicht zu denken. Wir haben das eher so gemacht, dass wir grad die Presskosten so hinbekommen. Aber am Ende mussten wir dann immer wieder nachpressen, weil die Nachfrage immer größer wurde. Die Platte verkauft bis heute immer noch 300 Stück die Woche und das ist für den Bereich tierisch." Zwar hat Bosse damit gezeigt, dass es auch ohne große Firma klappen kann, doch so ganz freiwillig ist er diesen Weg nicht gegangen. "Nachdem fast alle Leute, mit denen wir bei der EMI zusammen gearbeitet haben und mit denen wir gut konnten, gefeuert wurden, hatten wir das Gefühl, dass wir da nicht mehr gut aufgehoben sind. Also haben wir den Cut gemacht. Ich hab mich dann ein Jahr zurückgezogen und geschrieben und dann haben wir tatsächlich Demos verschickt. Es gab die Möglichkeit, zu einem Indie zu gehen oder es selber zu machen. Und dazu haben wir uns dann entschieden. Weil wir dachten, dass wäre der neue Weg, wie man Musik raus bringt. Wir haben ein bisschen gespart bzw. sparen müssen und dann in einem kleinen Team ganz ohne Erwartungen gearbeitet. Wir haben uns freie Promoter gesucht, die mit sehr viel gutem Willen mit angepackt haben, und dass dann auch sehr gut hinbekommen haben."

GL.de: Also ist "Taxi" Punkrock?

Bosse: Extremst. Das war eigentlich auch ein richtig schönes Modell, doch es hatte den Nachteil, dass für drei, vier Leute der Tag daraus bestand, Mails zu lesen, mit dem Vertrieb zu sprechen und ich hab am Ende echt gedacht, dass ich ein Schreibtischtäter geworden bin, obwohl ich doch Musiker bin. Je mehr Leute die Platte gekauft haben, je mehr Arbeit hatten wir schließlich. Irgendwann haben wir uns dann gedacht, dass wir das entweder professionalisieren müssen oder den Schritt gehen und ein Label brauchen, das für uns die Arbeit übernimmt. Und haben uns dann am Ende aufgrund des Teams bei der Universal dazu entschieden, das mit denen zu machen.

GL.de: Ihr hattet sicher nicht die schlechteste Verhandlungsposition.

Bosse: Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich kein Demo losschicken musste, sondern dass die Leute schon zur "Taxi"-Zeit meinten, "wenn du noch eines machst, möchten wir gerne dabei sein". Da kannste dir natürlich das Beste aussuchen, mit den Leuten sprechen und das war grad nach der EMI-Erfahrung so wichtig. Denn für uns alle ist so ein Album so wie ein Baby, wir haben da so viel Arbeit rein gesteckt, haben so viel für geackert. Da darf nichts schief gehen.

Und das ist es dann ja auch nicht. "Wartesaal" ist ein richtig, richtig tolles Bosse-Album geworden. Vielfältig und poppig, eingängig und interessant. Und mit reichlich Hits bestückt. Da gibt es das pompöse "Weit weg" oder den irgendwie typischen Titeltrack, das tanzbare "Roboterbeine" und die Klavierballade "Nach Haus". Alles da, vieles ist gut. Viele werden es gut finden. Was Axel Bosse nur sekundär interessiert. "Ich bin immer schon sehr entspannt gewesen, was Verkaufs- und Zuschauerzahlen angeht", sagt er. "Weil das nie der Grund war, warum ich das so mache. Man kann einfach nur die besten Songs schreiben, die man schreiben kann. Der ganze Rest wird sich dann schon zeigen. Für mich ist nur wichtig, dass das eine Album nicht so klingen soll wie das andere. Das war von Anfang meine Vorstellung von Bosse. Deshalb ist das zweite Album auch ein Live-Rock N Roll-Album nach einem ziemlich poppigen Indie-Album. Und deshalb ging der Weg danach dann zu Jochen Naaf in das kleine Mini-Studio in Köln, wo man gar nicht mit der Band aufnimmt, sondern nur zu zweit arbeitet und ein ganz anderes Album aufnimmt als 'Guten Morgen Spinner'. Und deshalb gibt es jetzt wieder die Weiterentwicklung. Bei 'Wartesaal' haben wir mit Instrumenten gearbeitet, die wir vorher noch nicht hatten: Flügelhorn, Marimba, Bongos, Trompete, Streicher. Auch ist es ein bisschen Beat-lastiger und einen Hauch größer geworden."

GL.de: Bist du ein Perfektionist?

Bosse: Mal so, mal so. Es gibt ein paar sprachliche Fehler auf der Platte, die mir erst später aufgefallen sind. Das ist einfach grammatikalisch falsch, aber wir haben es so gelassen. Was ja auch durchaus seinen Charme hat. Beim Songschreiben aber ist es anders. Da gibt es nur wenige Lieder, die in zehn Minuten geschrieben sind und dann auch so aufgenommen wurden. "Wartesaal", "Nächsten Sommer" und "Nach Haus" sind die Schnellschüsse. Die anderen Songs sind mit einer Menge Arbeit und Suche entstanden, mit Weglegen und Verwerfen. Ich hab mindestens 1,5 Jahre daran geschrieben und 80 bis 100 Tage aufgenommen. Das ist sehr viel. Wir waren schon sehr detailverliebt, haben auch mal einen Tag für einen Basslauf gebraucht. Eine Band wie Wir Sind Helden geht zwar auch drei Monate ins Studio, aber die haben natürlich auch mehr Geld als ich.

GL.de: Macht es dir im Studio Spaß? Oder ist es eher Arbeit?

Bosse: Beides. Es hält sich die Waage. Wobei ich das schon häufig als Arbeit und körperlich anstrengend empfinde. Ich hab zwar keinen Druck, denn das hab ich mir fest vorgenommen, ich bin niemanden etwas schuldig, ich mach was ich will. Aber trotzdem ist man ja perfektionistisch und will, dass das richtig gut wird. Und sobald ich das Gefühl habe, dass es noch nicht reicht, oder dass da noch was fehlt, dann sucht man und versucht und das kann dann schnell sehr krampfig werden. Der Spaß fängt bei uns eigentlich erst an, wenn wir den Rechner ausgemacht haben und in die Kneipe gegangen sind.

GL.de: Hat die Stimmung im Studio Einfluss auf die Stimmung des Songs?

Bosse: Nein, eigentlich nicht, außer beim Singen. Denn der Song entsteht ja bei mir zu Hause, und die Stimmung, die da ist, ist die wichtige. Und wir schaffen es auch jedes Mal, die richtige Stimmung einzufangen, ganz egal, wie wir drauf sind, ob wir gestritten haben oder nicht. Studio hat für mich ganz viel mit Abarbeiten zu tun. Es ist schon kreativ, weil man nach Wegen sucht, aber der Song ist ja schon da. Das heißt, man muss ihn eigentlich nur mit den richtigen Mitteln bestücken und welche das sind, weiß ich meistens auch schon vorher. 90 Prozent der Arbeit, also wie wirkt was, warum ist das gut, schlecht, traurig oder so, ist im Grunde schon vorher erledigt.

GL.de: Kannst du dich an den Ursprung von jedem Song erinnern?

Bosse: Ich kann mich meistens an die Wörter erinnern, mit denen es losging und die den Gedanken angeschoben haben, um den es gehen soll. Bei "Wartesaal" zum Beispiel habe ich nur mit dem Wort angefangen und mit dem Gedanken, warum es zwei Menschen nicht schaffen, glücklich zu werden und über ihren Schatten zu springen oder mutig zu sein. Das kam alles über das Wort Wartesaal. Meine Tochter benutzt total oft das Wort Diskopalme, weil ich ihr manchmal eine mache und wir dann lustig sind und dann denke ich mir, ich bin jetzt cool und versuche daraus ein Lied zu machen und daraus ist dann "Nächster Sommer" entstanden.

Bosse
GL.de: Wie entwickeln sich die Songs dann? Passiert es, dass ihre Stimmungen kippen?

Bosse: Ja, absolut. Und das liegt bei mir vor allem daran, dass ich mein Leben lang nur mit dem Vierspurgerät oder einem Kassettenrecorder gearbeitet habe, weil ich Computer gar nicht bedienen konnte. Jetzt kann ich aber Logic und hab mir das gekauft und hab ein E-Drum zu Hause. Und plötzlich hab ich gemerkt wie krass das ist, wenn ich was spiele, aber einen Synthie dazu packe oder so. Dann klingt das plötzlich ganz anders als vorher. Ich bin aber echt lahm was so was angeht. Ich hab auch gerade erst "Star Wars" gesehen und dann bin ich gekickt, obwohl ich vermutlich der einzige Mensch bin, der es noch nie gesehen hat. Aber ich kann es sogar in chronologischer Reihenfolge sehen. So ähnlich war es auch bei Logic und plötzlich hat sich eine neue Welt eröffnet. Ich hab gemerkt, wenn du das und das tust, dann kann so ein Song kippen und die sind voll oft gekippt. "Roboterbeine" ist so ein Lied, das vorher ganz anders war, aber irgendwann tanzbar wurde. Wobei ich manchmal auch echt über das Ziel hinaus geschossen bin. Aber so ist das wohl, wenn man was neu hat. Ich hab auch eine Menge gemacht, was nicht zu gebrauchen ist. Aber danach, wenn man die Technik kennt, ist es super.

GL.de: Und was ist es am Ende geworden?

Bosse: Ein trauriges, hoffnungsvolles Album.

GL.de: Auf dem die neue Version von "Frankfurt Oder" sicher besonders auffällt. Nicht nur, weil du sie mit Anna Loos von Silly aufgenommen hast, sondern weil sie komplett anders klingt.

Bosse: "Frankfurt Oder" ist auf "Guten Morgen Spinner" und damit auf dem EMI-Album, das nie richtig stattgefunden hat. Aber live ist es einer der wichtigsten Songs, die wir so spielen. Was mich damals geärgert hat war, dass ich das Gefühl hatte, dass der Song zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat. Bei der Trennung habe ich mir diesen Song rausgekauft, weil im Vertrag stand, dass ich ihn sonst sieben Jahre nicht mehr hätte aufnehmen dürfte. Aber ich wusste, dass ich irgendwann Bock haben werde, diesen Song noch mal aufzunehmen. Dann saß ich irgendwann mit Jochen in Köln und es fehlte uns ein Song. Und dann hat ein Kumpel von ihm Minimal House aufgelegt und wir dachten "geil, wir machen einen Techno-Track zusammen." Und am nächsten Tag sind wir drauf gekommen, dass das "Frankfurt Oder" ist. Denn wenn man diesen Song noch einmal macht, dann nicht in der gleichen Fraktion, sondern im Remix, vielleicht mit einem kleinen Augenzwinkern. Und dann kam ich eben auf Anna Loos, weil das für mich das I-Tüpfelchen wäre. Ich habe sie vor zwei Jahren kennen gelernt und wir fanden uns supernett. Sie ist eine außergewöhnliche Frau und unfassbare Erscheinung. Wir haben verabredet, irgendwann was gemeinsam zu machen. Nun, und dann stand ich im alten Studio von Silly und die haben netter Weise den Gesang von Anna aufgenommen. Jetzt ist der Song so geworden, wie es ist. Es gibt aber auch Leute wie meine Frau, die mich dafür verteufelt haben, es aber mittlerweile verstehen. Ich bin gespannt, was die Leute sagen.

GL.de: Kannst du dir inzwischen eigentlich alles erlauben oder hast du Grenzen? "Metropole" zum Beispiel ist schon unglaublich eingängig und kratzt am Kitsch oder?

Bosse: Ich muss mich manchmal wirklich bremsen. Ich merke mit zunehmendem Alter, dass ich immer Pop-affiner werde. Ich hatte bei diesem Album sogar hier und da mal Schiss, dass es nicht mehr kernig und kantig genug wäre, was dann aber auch häufig durch den Mix kommt. Denn das, was wir aufnehmen, ist immer dreckiger, verzerrter. Aber "Metropole" ist schon einer der poppigsten Songs, die ich je geschrieben habe, das stimmt. "Weit Weg" ist zwar nicht viel unpoppiger, aber hat glaube ich eine andere Wirkung. Für mich ist es eigentlich ganz einfach: Die Entscheidung liegt nicht darin, ob es zu poppig ist, sondern kickt es mich oder hab ich mich verbogen? War ich ehrlich oder hab ich was konstruiert? Das hab ich bei manchen Songs, die hab ich dann direkt wieder weggeschmissen, weil ich "3 Millionen" noch mal schreiben wollte. Und auch bei "Metropole" hab ich überlegt, ob das nicht zu viel ist, der stand echt auf der Kippe, aber Jochen meinte, den machen wir noch schön kaputt und dann funktioniert der. Aber ich schreib eben Popmusik, doch noch weiter möchte ich nicht gehen. Wobei "Metropole" eigentlich ein gutes Beispiel ist. Da ist ja ein wenig der Orient hörbar. Ich war lange in der Türkei und hab da auch mit vielen Leuten Musik gemacht und könnte mir in meiner Zukunft vorstellen, dass ich noch mehr anders instrumentiere. Ich steh im Moment voll auf Percussions, auf ne Sitar, auf Trompeten und Bläser und das haben wir dieses Mal viel zu wenig eingesetzt. Das wird alles wichtig werden, sich weiter zu verändern, um mich wieder zu kicken.

GL.de: Denkst du schon an das neue Album?

Bosse: Ja, immer. Es ist schon so, dass es irgendwann vorbei ist. Dann habe ich so lange an den Liedern gearbeitet, dann kann ich von Musik erstmal nichts mehr hören. Zum Cover kann ich grad noch sagen, dass das Foto nicht ganz so scheiße aussieht. Aber irgendwann fängt es wieder an zu jucken, dann geht es wieder los, ich geh wieder in den Keller, spiele Schlagzeug und weiß dann irgendwann, wie das nächste klingen könnte. Wenn es denn planbar wäre...

Weitere Infos:
www.axelbosse.de
www.myspace.com/axelbosse
www.facebook.com/bossemusik
Interview: -Mathias Frank-
Fotos: -Pressefreigaben-
Bosse
Aktueller Tonträger:
Wartesaal
(Vertigo/Universal)
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