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SKINNY PUPPY
 
Unsicherheit, vertont
Skinny Puppy
"hanDover" heißt das neue Werk der kanadischen Electro/Industrial-Vorreiter Skinny Puppy. Musikalisch weniger aggressiv als frühere Werke spiegelt es die kulturelle Unsicherheit der heutigen Zeit wider - und gewissermaßen auch die Unsicherheit der Musikszene, denn ob der Insolvenz ihres Labels verzögerte sich die Veröffentlichung des Albums um fast zwei Jahre. In künstlerischer Hinsicht hat die längere Vorbereitungsphase Skinny Puppy ganz sicher nicht geschadet, und auch sonst sind die beiden Bandgründer cEvin Key und Nivek Ogre sehr glücklich über das, was sie im letzten Vierteljahrhundert erreicht haben, wie sie im Gespräch mit Gaesteliste.de verrieten.
"Ich empfinde große Dankbarkeit den Fans gegenüber, die uns all die Jahre unterstützt haben, denn es ist ganz sicher nicht leichter geworden. Wir haben in einer Zeit angefangen, in der eine Band wie unsere nicht nur überleben, sondern sogar einigermaßen erfolgreich sein konnte. Doch die Zeiten ändern sich. Viele der Bands, die wie wir sind oder es sein könnten, werden es nicht schaffen, weil sich das Umfeld vollkommen verändert hat", sagt cEvin auf die sich rasant veränderte Musikindustrielandschaft anspielend. Nivek sieht das ähnlich, doch auch er verspürt Dankbarkeit. "All die Jahre in dieser Band zu sein, war und ist sehr befriedigend, wenngleich auf sehr düstere, verdrehte Art und Weise. Es gab viele negative Aspekte. Dennoch sehe ich es als großes Privileg an, dass ich die Chance hatte, Skinny Puppy zu machen." Außerdem ist die Band in mancher Hinsicht eine fortgesetzte Therapie für den Frontmann: "Ich bin ein unglaublich düsterer Mensch", gesteht er. "Ich bin eine gespaltene Persönlichkeit und versuche das als Werkzeug einzusetzen für den Charakter, den ich darstelle, der ein wichtiger Teil meiner Psyche, eine Überzeichnung meiner Psyche ist. Letzten Endes kann aber niemand auf ewig in der Dunkelheit leben. Skinny Puppy haben sehr geholfen, meinen Gefühlen Luft zu machen und viel über mich selbst zu lernen. Dabei habe ich auch gelernt, meiner Intuition zu vertrauen. Der Charakter, den ich darstelle, war viel reservierter, als ich jünger war. Er schreckte vor allem zurück. Doch dann habe ich als Performer Fortschritte gemacht, habe neue Facetten entdeckt." Es war seine Zeit auf Tour mit Al Jourgensen und Ministry, die ihm zu einem Durchbruch verhalf. "Weil ich immer schon ein sehr körperlicher Performer war, kam ich irgendwann an den Punkt zu glauben, ich müsse mich selbst verletzen, um den Zuschauern ein Spektakel zu bieten. In meiner verdrehten Philosophie glaubte ich, so an das Gute im Menschen zu appellieren, dass sich die Menschen wünschen würden, dass ich mir nichts antue. Bei einer Show in St. Petersburg, Florida, habe ich mich - mitten im Song - selbst mit einem Eispickel in den Arm gestochen, und er blieb stecken und ließ sich nicht mehr bewegen. Irgendwann riss ich ihn dann raus und verließ die Bühne. Am gleichen Abend bekam ich von Zuschauern der Show einen Anruf in meinem Hotel. Sie sagten: 'Das musst du wirklich nicht für uns tun.' Da wurde mir erst bewusst, dass das Ganze zwei Seiten hat."

Auch das neue Album hat zwei Seiten, allerdings spielt das Album musikalisch eher die unterschiedlichen Interessen der beiden Protagonisten wider. "'hanDover' ist eine interessante Platte, weil sie konzeptionell bereits 2008 geboren wurde", erklärt Nivek. "Die Musik hat sich in der Zeit, in der wir die Insolvenz unseres Labels durchstehen mussten, stark verändert, die eigentliche Intention der Platte ist unverändert geblieben." Dass cEvin von rund drei Dutzend Tracks spricht, aus denen das Album zusammengestellt wurde, löst bei Nivek allerdings nur Verwunderung aus: "Es gab nicht endlos viel Auswahl. Nach jeder Platte zaubert cEvin eine Zahl aus dem Hut und zählt dabei jeden Demo-Track mit, der irgendwo existiert. Natürlich hatten wir 1000 Ideen, aber sie sind bisher nur kleine, unfertige Schnipsel!"

Fest steht dagegen, dass die Platte nach ihrer Metamorphose düsterer ausgefallen ist, als das wohl 2008/09 der Fall gewesen wäre. Nivek führt das nicht zuletzt auf die Weltwirtschaftskrise und ihre Auswirkungen auf die Menschen auf der Straße zurück: "Ich glaube, dass die Menschen derzeit besser auf das Album reagieren, als das vor sechs Monaten der Fall gewesen wäre, einfach wegen der Dinge, die derzeit in der Welt passieren. Das sehe ich als etwas sehr Positives, denn als Künstler möchtest du ja, dass die Menschen auf deine Musik und deine Texte reagieren und vielleicht sogar feststellen, dass andere ähnlich fühlen wie sie. Mit 'Mythmaker' haben wir versucht, gemeinsam und mittels eines strikten Konzepts neue Pfade zu beschreiten. Verglichen damit ist das neue Album lockerer. Vielleicht fangen wir damit das Gefühl ein, das die Menschen in den 80er-Jahren hatten, als die Verunsicherung (auch) allgegenwärtig war." cEvin sieht das ähnlich: "Natürlich weiß ich nicht, was die Zukunft bringen wird, deshalb lebe ich einfach Schritt für Schritt. Ich glaube, wir haben ein Platte gemacht, zu der die Hörer eine emotionale Verbindung aufbauen können, denn die Welt um uns herum ist nicht 'all smiles and cheers and happy', deshalb geht es jetzt wirklich darum, zu sagen: Es ist an der Zeit, sich der Realität zu stellen."

Mit Krisen kennen sich Skinny Puppy aus. Mehr als einmal in ihrer mehr als 25-jährigen Karriere stand die Band am Abgrund. Dieses Mal war es die Insolvenz ihres Labels SPV, die es zu überstehen galt. "Die Geschichte von Skinny Puppy sehe ich gewissermaßen als Jo-Jo-Effekt. Wir sind gleich mehrfach in unserer Karriere um all unser Geld betrogen worden und hatten fürchterliche Beziehungen mit Plattenfirmen, was sich ja leider bis in die Gegenwart fortsetzt", sagt Nivek. "Unsere Laufbahn wurde immer von langen, stagnierenden Perioden heimgesucht, in denen wir die Trümmer der explosiven Situationen aus dem Weg räumen mussten, in die wir immer wieder aufs Neue geraten. Das war zum Beispiel so, als wir in den 90ern 'The Process' aufgenommen haben. Alles fiel in sich zusammen, und es hat fast ein Jahr gedauert, bis wir die Platte fertigstellen konnten, und währenddessen ist noch ein guter Freund gestorben. Die Ereignisse überschlugen sich einfach."

Trotzdem sagt Nivek auch: "Ich habe nie etwas anderes machen wollen und bereue auch keine der Entscheidungen, die ich gefällt habe. Ich habe stets von meinen Einkünften durch Skinny Puppy leben können, ohne dass wir jemals Rockstars gewesen wären. Wir konnten uns nie Häuser oder Autos leisten, aber wir konnten ein unkonventionelles Leben führen, und ich hatte das Glück, an vielen interessanten Orten leben zu können, unterwegs zu sein und Nomade zu sein." Will heißen, Skinny Puppy sind noch lange nicht am Ende, und "hanDover" ist der schlagende Beweis für diese Behauptung.

Weitere Infos:
www.skinnypuppy.com
www.myspace.com/skinnypuppy
www.facebook.com/OfficialSkinnyPuppy
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Pressefreigabe-
Skinny Puppy
Aktueller Tonträger:
hanDover
(Synthetic Symphony/SPV)
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