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Interview-Archiv

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MARKUS REUTER
 
"Der Fokus auf Quantität ödet mich an"
Markus Reuter
Zu Markus Reuter ließe sich fast endlos schreiben, auch ohne ihn zu befragen: Der geborene Lippstädter und studierte Psychologe ist Instrumenten-Entwickler, gefeierter (Touch) Gitarrist, Produzent, Komponist, aber wohl am bekanntesten durch seine Kooperationen (beispielsweise mit Ian Boddy) und Bandbeiträge wie beispielsweise centrozoon, Stick Men, The Crimson ProjeKCt oder Tuner. Sehr viele spannende Themen also... Wir haben ihn also doch lieber mal befragt - u.a. aus Anlass seiner aktuellen Komposition "Todmorden 513".
Zum Beispiel: Du triffst in der Kneipe jemand Nettes, der/die dich fragt, was du so machst. Du antwortest...? "Das kommt ganz darauf an, wie ich die Person einschätze. In der Regel erzähle ich Fremden nicht genau, was ich mache. Mein Portfolio ist ja groß. :-) Aber die korrekte Antwort ist 'Komponist', aber da hängt so viel anderes dran...". Äußerlicher Anlass für dieses Interview ist dein Album "Todmorden 513". Was denkt und fühlt der Komponist über den Tod? "Das Album hat ja zumindest direkt nichts mit dem Tod zu tun (Todmorden ist eine Kleinstadt in England), aber meine Einstellung ist, dass sich das Leben erst dadurch definiert, dass es den Tod gibt." Der andere Namensbestandteil beruht darauf, dass die Komposition auf 513 Akkorden beruht. Ist es überhaupt möglich, eine Tonart anzugeben? "Nein. Es gäbe die Möglichkeit, das Stück zu analysieren und so die 'Tonalität' zu erklären, aber es ist ein Stück, in dem alle zwölf Töne über alle Oktaven im Prinzip gleichberechtigt vorkommen."

In der vom Rolling Stone-Autor Michael Lösl einfühlsam verfassten Label-Info ist von "algorithmischer" und "generativer Komposition" die Rede - gibt es hier Berührungspunkte zur generativen Transformationsgrammatik (Chomsky u. Co.) und wie verhält sich dieser Ansatz zur Zwölftonmusik (die du vermutlich spätestens bei Karlheinz Strattmans intensiv kennengelernt hast)? "Ja, den Bezug zu Chomsky gibt es. Ich bin ja auch Diplom-Psychologe und meine gesamte Bildung hat großen Einfluss auf mein kreatives Werk. Über das Verhältnis von Zwölftonmusik zu meiner Kompositionstechnik ließe sich ein Buch schreiben, aber kurz gesagt ist der Hauptunterschied, dass mein Ansatz auf einer höheren, logischen Ebene ansetzt. Die Idee ist gleich, aber ich beziehe sie auf andere musikalische Einheiten."

Lösl schreibt, dass du hier auf den "obligatorischen Dur-Akkord" verzichtest, "der das Ende eines epischen Musikstücks verkündet." Das verstehe ich nicht - eine knallige Schlusskadenz kann doch genauso gut in Moll komponiert sein? "Ja, sicher. Bei TM513 gibt es aber so was wie Dur oder Moll gar nicht. Das Interessante bei dem Stück ist, dass es wirklich inhaltlich total 'schräg' ist, es aber nicht so klingt." Wie ist diese Musik überhaupt notiert? "In traditioneller Manier und mit traditioneller Notation auf Papier. Die Partitur ist riesig, denn das Stück ist ja eine Stunde lang und hat mehr als 50 unabhängige Stimmen."

Waren die (beim Hören übrigens schwer zu identifizierenden) Gitarrenparts auch ausnotiert oder haben David Torn und Frieder Zimmermann improvisiert? "Bei der Version, die du gehört hast, der Premiere, sind keine Gitarrenparts dabei. Deswegen hast du sie auch nicht gehört." (feixt)

Welche Instrumente sind in der Partitur vorgesehen? "Die Instrumentierung ist extra so angelegt, dass eigentlich jedes Sinfonieorchester das Stück spielen könnte. Es brauchen keine exotischen Instrumente besorgt werden. Ich kann dir gerne den Sitzplan für TM513 zeigen, der ist ganz besonders, weil die Musiker sehr gemischt sitzen, was auch zu dem speziellen Sound beiträgt." (SitzplanDownload Sitzplan-PDF) Wie hast du die aufführenden Musiker gesucht bzw. gefunden? "Ich hatte das große Glück, dass der Dirigent und Orchesterleiter Thomas A. Blomster aus Denver, Colorado, mich bei einem Konzert spielen gesehen/gehört hat und als ich dann über Facebook eine Anfrage gestellt habe, ob es jemanden gibt, der mit mir das Stück aufbereiten und aufführen will, da hat er sich sofort gemeldet. Ein ganz toller Mann und großer Künstler." Vor was für einem Publikum fand die Erstaufführung statt? "Das kann ich nicht im Detail sagen, denn es war ein regulär angekündigtes und frei zugängliches Konzert. Es waren aber auch viele meiner Freunde und Kollegen da, die sich das nicht entgehen lassen wollten."

Warum ist geplant, eine Studiofassung von "Todmorden 513" nachzuschieben - und wie soll sich diese von der Uraufführung unterscheiden? "Ich plane nicht, irgendetwas nachzuschieben. Der Grund, warum du überhaupt die Aufnahme der Premiere als CD bekommen hast, ist der, dass der Mix der eigentlichen und richtigen Version die veröffentlicht wird noch nicht fertig war. Du hast da also eine Rarität. Der Unterschied ist, dass bei der endgültigen Aufnahme die Mehrspuraufnahmetechnik benutzt wurde und das eben einen richtigen Mix möglich macht. Das Stück wird übrigens als CD/DVD Package veröffentlicht, mit Stereo und Surround Sound Mix und außerdem mit einer 70-minütigen 'Making of'-Dokumentation."

Markus Reuter
Wen würdest du - wenn überhaupt - als Vorbilder bezeichnen: Als Mensch, als Komponist, als Gitarrist? "Wirkliche Vorbilder habe ich nicht. Ich stelle mir da eher unterschiedliche Facetten von mehreren Leuten zusammen... (lacht) Ich strebe auch nicht an so zu sein oder so zu klingen wie jemand anders, obwohl ich das auch kann und das wohl auch manchmal passiert. Im Crimson ProjeKCt spiele ich ja z.B. Robert Fripps Parts und muss die ja so spielen, dass die Musik trotz meines eigenen Charakters 'korrekt' klingt."

Bei progressiver Rockmusik müssen heutzutage 1.000 abgesetzte Alben schon als Erfolg gelten. Wie sieht das bei solcher E-Musik aus - wie ist deine eigene Erwartungshaltung und wie die vom Label? "Für mich ist das mittlerweile egal, wie viele CDs ich verkaufe oder wie viele Leute zu Konzerten kommen. Der Fokus auf Quantität ödet mich an. Ich erwarte gar nichts, aber eine Person, der ein Album von mir was bedeutet, ist mir lieber, als viel quantitativen Erfolg zu haben. Trotzdem ist es aber im Moment schon so, dass ich einen großen Zuwachst an Liebhabern meiner Musik feststellen kann."

Ähnlich faszinierend wie Todmorden ist "Colour Division", für das du mit Ian Boddy zusammengearbeitet hast. Magst du etwas zu dieser Veröffentlichung und der Kooperation erzählen? "'Colour Division' ist ja nun schon unser viertes offizielles Album seit den Anfängen in 1999. Ich mag Ian sehr und musikalisch ist das neue Album ein besonderer Meilenstein, weil wir beide sehr unverkrampft und entspannt daran gearbeitet haben. Der Sound ist gleichzeitig total speziell, aber auch ziemlich traditionell. Außerdem finde ich, dass ich in diesem Kontext als Gitarrist wirklich etwas Besonderes beitragen kann, und habe hier sehr melodiös gespielt, mit meinem sehr eigenen Stil." Wie läuft es mit Centrozoon, Stick Men sowie The Crimson ProjeKCt und was hast du als nächstes vor? "Im ersten Quartal 2014 werde ich mehr als 50 Konzerte mit The Crimson ProjeKCt und mit Stick Men spielen. Wenn es klappt, dann wird es im März schon ein neues 'Rock'-Album von mir geben, aber da lege ich mich noch nicht zu 100 Prozent fest. Es stehen aber auch einige andere Alben in 2014 an (inklusive centrozoon und meiner 'featuring'-Serie), und auch noch mehr im zeitgenössisch-klassischem Bereich, denn ich werde Ende des Jahres wohl mit einem Schlagzeug, Bass, Touch Guitar Trio zusammen mit einem Sinfonieorchester auftreten."

Weitere Infos:
www.markusreuter.com
www.todmorden513.com
www.thecrimsonprojekct.com
www.centrozoon.de
soundcloud.com/markusreuter
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Interview: -Klaus Reckert-
Fotos: -Pressefreigaben-
Markus Reuter
Aktueller Tonträger:
Todmorden 513
(Unsung/Galileo)
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