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Interview-Archiv

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ARC IRIS
 
Jenseits des Regenbogens
Arc Iris
Also die Sache ist die: Mit ihrem Job bei dem angesagten Indie-Folk-Projekt The Low Anthem war die quirlige Multiinstrumentalistin Jocie Adams erkennbar unterbeschäftigt - und das, obwohl sie auf der Bühne pausenlos zwischen zahlreichen Instrumenten und ihrem Job als Harmoniesängerin hin und her wechselte und auch aktiv am kreativen Prozess des Projektes, das ursprünglich von Ben Knox und Jeff Prytowsky in Providence gegründet worden war, beteiligt war. Und wie unterbeschäftigt Jocie gewesen sein muss, zeigte sich, als sie - nachdem sie 2011 bereits eine Solo-Scheibe namens "Bed Of Notions" herausgebracht hatte - dann 2014 das Projekt Arc Iris ins Leben rief. Denn es stellte sich dann schnell heraus, dass Jocie - als maßgeblicher Songwriterin und Kopf der Band - das nach wie vor sehr Folk-orientierte Klanguniversum von The Low Anthem wie eine musikalische Zwangsjacke vorgekommen sein musste. Denn bei Arc Iris ist - deutlich jenseits des Folk - musikalisch so ziemlich alles möglich.
Das war schon auf dem selbst betitelten Debüt so und das ist noch sehr viel mehr auf dem nun vorliegenden, zweiten Album, "Moon Saloon", zu beobachten, auf dem nun - bis hin zu den neu entdeckten Mitteln der Elektronik und des Sampelns wirklich kein musikalischer Stein mehr unangetastet bleibt und sich ein wilder Mix aus Rock-, Prog-, Gospel-, Jazz-, Folk-, Kammerpop-, Soul- und Kinderlied-Instrumenten zu einer überquellenden Collage verquickt. Jocie macht auch deutlich, dass ihr das sehr wichtig ist - denn auf die (gar nicht mal so ernst gemeinte) Frage, ob es denn irgendetwas gäbe, das sie musikalisch mit Arc Iris nicht versuchen würde, meint sie sehr bestimmt: "Ich möchte auf jeden Fall weg von diesem Stigma dieser klassischen Songwriter-Kultur. Ein Tagebuch meiner selbst zu vertonen ist überhaupt nicht mein Ding und ich weiß auch gar nicht, wo das eigentlich hergekommen ist und wünsche mir stattdessen, dass es am liebsten einfach weg ginge." Es ist allerdings ja nun wahrlich kein Wunder, dass Jocie mit diesem Tag versehen wurde, denn eine junge Frau, die mit der akustischen Gitarre ihre Songs schreibt und zuvor Dulcimer, Klarinette und Blockflöte in einer Folkpop-Band gespielt hat, muss ja nun mal zumindest in den Ruch kommen, vom Folk ergriffen worden zu sein. Doch nix da: Bei Arc Iris tanzt definitiv der Bär. Warum eigentlich? Hat das vielleicht gar etwas mit dem Projektnamen zu tun? "Das nicht", meint Jocie, "als Zach Tenorio Miller, Ray Belli und ich das Projekt begannen, haben wir uns nach irgendwas umgeschaut, das uns inspirierte und mit uns in Beziehung zu bringen wären und sind dann irgendwann auf 'Arc Iris' gestoßen, was 'Regenbogen' bedeutet. Das klingt erstens nett und macht auch Sinn, denn ein Regenbogen ist ja irgendwie das Ende von etwas und der Anfang von etwas Neuem." Was dann ja zumindest die Situation der Band zu diesem Zeitpunkt widerspiegelt.
Der besungene "Moon-Saloon" ist dabei ein imaginärer Ort, der der Vorstellung jedes Einzelnen entspringt, wie Jocie verrät. Eine Art Utopia also? "Vielleicht", schränkt Jocie ein, "nur ist das ja so, dass wenn man von einer perfekten Welt träumt und diese in die Realität überträgt, diese dann vielleicht gar keine perfekte Welt mehr ist. Betrachten wir also den 'Moon-Saloon' als Idealzustand so, wie man ihn sich wünscht, so wie man dort leben möchte, einen Ort, wo man gerne herkommen möchte." Dabei ist man dann als Hörer auf seine eigene Intuition angewiesen, denn - wie die Musik von Arc Iris - bersten auch Jocies Texte geradezu vor blumigen, aber unkonkreten Metaphern, Bildern und Geschichten, die wie aus einem Füllhorn hervorzuquellen scheinen - oder sich wie in einem Kaleidoskop ausbreiten, wie es im Opener beschrieben wird. Ist es für den Zuhörer wichtig, zu wissen, wovon Jocie singt? "Wichtig?", fragt sie zurück, "ich denke, jeder muss das selbst entscheiden. Die Musik steht ja für sich - und wenn dich das glücklich macht, dann ist das vollkommen okay. Aber ich arbeite schon hart daran, dass meine Texte nett sind, etwas bedeuten und nach meiner Meinung auch nützlich sein können. Und ich hoffe, dass das die Leute zum Nachdenken anregt oder dass sie sich auf verschiedene Art damit beschäftigen können. Aber 'wichtig' würde ich das nicht nennen. Jeder soll machen, was er für richtig hält." Was ist denn die Funktion der Texte für die Autorin selbst? "Das ist aber sehr schwer zu beantworten", überlegt Jocie, "ich bin jetzt an einem Punkt in meinem Leben angekommen, an dem ich sagen kann, was mir auf dem Herzen liegt, also nutze ich diese Gelegenheit, für mich wichtige soziale und politische Themen anzusprechen - manchmal eher abstrakt und manchmal eher direkt." Was ist denn dabei die Herausforderung? "Den Punkt zu finden, wo eine Geschichte, die dir selbst wichtig ist, auch für den Zuhörer von Belang sein kann", überlegt Jocie, "ich möchte, dass der Zuhörer etwas mitnimmt, etwas lernen kann oder etwas zum Nachdenken hat. Dabei braucht das gar nicht für jeden das Gleiche zu bedeuten - das ist nicht das Ziel. Was ich aber möchte, ist etwas zu erschaffen, das etwas vermittelt." Gilt das denn auch für die Musik? "Hm - darüber habe ich überhaupt noch nicht nachgedacht - aber ja: Jeder hört ja schließlich auch die Musik auf eine andere Art und Weise." Speziell, da ja so viel passiert in der Arc Iris Welt. "Ja, da passiert viel", bestätigt Jocie, "wir sind uns dessen auch bewusst. Wir versuchen dann immer jenen behüteten Ort, jene glückliche Wiege zu finden, an dem genau das richtige Maß an Dingen passiert. Das kann zuweilen ziemlich schwer sein."
Arc Iris
Wie erkennen Arc Iris dann, wenn ein Song fertig ist? "Ich glaube gar nicht, dass es fertige Songs gibt", gibt Jocie zu bedenken, "Songs entwickeln sich ja ständig weiter. Wenn wir etwas aufnehmen, dann markieren wir einfach einen Moment in der Zeit." Auf "Moon Saloon" arbeiteten Arc Iris mit dem Soundspezialisten David Wrench zusammen, der für seine Arbeiten für FKA Twigs und Jamie XX bekannt wurde. Heißt das, dass "Moon Saloon" auch als eine Reise durch Klangwelten angelegt ist? "David arbeitete als Mixer mit uns zusammen", erzählt Jocie, "und wir haben uns mehr für Synthesizer begeistern können. Ich kann es nicht anders beschreiben, als dass sich die cooleren melancholischen Töne mit Synthesizern erzeugen lassen. Und die Art, auf die sich diese Klänge mit akustischen Sound verbinden, ist sehr interessant. Das hat die Arrangements und die Stimmung auf der Scheibe stark beeinflusst." Wie entstanden dabei denn die eigentlichen Stücke? "Ich nehme jedes Jahr diese Auszeit zum Songschreiben und ziehe mich dann in ein einsames Landhaus zurück", berichtet Jocie, "dort kann man sehr fokussiert arbeiten - ohne Telefon und Fernsehen und solche Sachen. Ich bin dort aufgewachsen und schreibe dort die meisten Sachen, die nachher auch auf den Scheiben auftauchen. Manches muss stark umgearbeitet werden, anderes bleibt ziemlich ähnlich dem, was ich geschrieben habe, wieder andere müssen wir total auseinandernehmen und wieder neu zusammensetzen." Was ist dabei die Inspirationsquelle - jenseits des Alltages? "Nun, wenn wir dort sind, dann haben wir abends natürlich jeden Tag Kontakt untereinander, führen Gespräche und verbringen die Abende zusammen. Ich denke, dass hat schon einen gewissen unterbewussten Einfluss auf das Songwriting - also das, was gesagt wurde oder das, worüber gesprochen wurde." Ist es notwendig hierfür im Song dann die Perspektive zu ändern? "Ja, genau - das ist wichtig", bestätigt Jocie. Denn ein Begriff, der sich sicherlich teilweise auch mit der Musik von Arc Iris in Einklang bringen ließe und der auch durch das Artwork zum Ausdruck kommt, wäre "Surrealismus". Wie sieht Jocie das denn? "Nun, unser Artwork für 'Moon Saloon' von einem französischen Künstler namens Julian Pacaud gestaltet, weil ich einfach fühlte, dass seine Kunst zu uns und unseren Klangräumen passt. Ich habe ihm da gar keine Anweisungen gegeben und mal geschaut, wie seine Interpretation aussah. Mir gefällt es sehr gut. Seit kurzem finde ich diese Art von Kunst sehr aufregend. Ich weiß gar nicht, wie man es nennt - aber es ist ja eine Art von Collage, die aus verschiedenen, gegensätzlichen Elementen besteht. Da ist auch wieder diese Sache mit der Perspektive - also fähig zu sein, Dinge - auch alltäglicher Natur - von verschiedenen Warten aus zu betrachten. Und letztlich wäre ich auch nicht böse, wenn man unsere Musik auch als Collage bezeichnete." Wie kommt man mit einer solchen Einstellung dann zum Kern eines Songs? Was zeichnet diesen dann aus? "Das ist auch eine schwer zu beantwortende Frage, weil ich denke, dass es davon abhängig ist, über welche Art von Musik man redet. Wenn es zum Beispiel um Folksongs geht, ist es etwas einfacher zu sagen, dieser oder jener Song sei besser oder schlechter. Aber eigentlich kann man das nicht tun, da ja jede Art von Musik die Menschen auf verschiedene Art und Weise anspricht. Musik ist so persönlich, dass ich niemals sagen könnte, was ein guter Song ist. Ich mag Musik, die es erlaubt, eine eigene Geschichte auf den Song zu implementieren. Als Beispiel würde ich sagen, dass ich etwa ein persönliches Tagebuch nicht so interessant als Grundlage für einen Song fände. Ich liebe aber Geschichten und fühle mich von diesen angezogen - also fabuliere ich dementsprechend. Musikalisch interessiere ich mich für eine Menge Sachen. Es hängt aber immer davon ab, wie etwas gemacht ist und es ist schwer hier eine generelle Aussage zu treffen."

Wie kann es denn für ein Projekt wie Arc Iris weitergehen - ein Projekt, in dem musikalisch ja so ziemlich alles möglich erscheint (außer vielleicht Tagebücher zu vertonen, wie Jocie ja nachdrücklich feststellt)? "Wir wollen einfach unsere Musik sich weiter entwickeln lassen", meint Jocie, "wir haben gar nicht den Plan, uns von Scheibe zu Scheibe zu bewegen. Was uns momentan ziemlich begeistert, ist die Sample-Welt und deren Möglichkeiten. Bei den Aufnahmen geht es mir als Sängerin vor allen Dingen darum, eine Geschichte zu erzählen - aber ich will mich natürlich auch als Sängerin weiter entwickeln. Und dann konzentrieren wir uns stärker auf die rhythmischen Aspekte und die Perkussion, denn in meiner letzten Band gab es keine richtige Rhythmusgruppe. Das wird auch in Zukunft einen größeren Einfluss in unserer Musik haben. Davon abgesehen kann ich nur sagen: Wer weiß, was noch kommen wird?" Wer kontrolliert das denn? Jocie oder die Musik selbst? "Hauptsächlich formiert sich die Musik tatsächlich von selbst", überlegt Jocie, "aber es gibt dann schon Momente, in denen man zum Beispiel etwas Bestimmtes spielen will und dann besser auch wissen sollte, wie man das erreichen kann." Das scheint freilich kein Problem für Arc Iris sein, denn ansonsten ließe sich ein solch reichhaltiges musikalisches Universum ja wohl kaum zusammen halten. Auf der anstehenden Tour im Herbst wird die Sache dann ein wenig reduziert werden, denn die Band geht in kleiner Besetzung auf Tour - die Klangfülle soll dabei aber erhalten bleiben. Lassen wir uns einfach mal überraschen. Bis dahin können wir uns ja auch erst mal auf die Suche nach dem "Moon-Saloon" begeben.

Weitere Infos:
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Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Arc Iris
Aktueller Tonträger:
Moon Saloon
(Bella Union/Pias Cooperative/Rough Trade)
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