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GEMMA RAY
 
Stilvoll durch die Tiefe der Zeit
Gemma Ray
Also leicht macht es die in Berlin lebende und arbeitende Britin Gemma Ray sich und ihrem Publikum mit dem neuen Album nun wirklich nicht. "Psychogeographie" ist eine neumodische Wissenschaft (an den Schnittstellen von Kunst, Psychologie, Geographie und Architektur), die den Einfluss von Architektur und geographischer Umgebung auf die Wahrnehmung und das Verhalten des Einzelnen betrachtet. Der interessierte Psychogeograph untersucht also seine urbane Umgebung auf spielerische Art und reflektiert darüber, wie diese seine Verhaltensweisen beeinflusst. Das reichte Gemma Ray aber noch nicht. Sie ging noch einen Schritt weiter und erfand die "Psychogeologie". Bei der "Psychogeologie" geht es dann nämlich um die ursprünglichere Art der "Psychogeographie" - nämlich indem der Aspekt der Einwirkung des Menschen auf Landschaften (= die Architektur) außen vor bleibt und stattdessen die natürlichen Einwirkungen von Zeit und Gezeiten auf die Landschaft betrachtet werden - und wie diese dann das Verhalten des interessierten Psychogeologen beeinflussen. Was das allerdings genau mit der Musik auf Gemmas neuen Album zu tun hat, ist nicht ganz so einfach zu entschlüsseln. "Nun", holt Gemma aus, "ein Freund in Australien hat mich mit dem Begriff der Psychogeographie bekannt gemacht. Das fand ich ganz interessant - wobei es bei der Psychogeographie ja um von Menschen gestaltete, urbane Landschaften geht. Deswegen habe ich die Idee von der Psychogeologie als Mind-Trip durch natürliche Landschaften erfunden - sozusagen also eine natürlichere Version der Psychogeographie." Es geht also dann darum, sich in unberührten Landschaften zurechtzufinden? "Ja, es ging um den Gedanken der Tiefe der Zeit. Wie die Zeit das Land verändert und wie wir uns selbst in dieser Zeit verändern. Das wird dir klar, wenn du Landformationen beobachtest, die in Millionen von Jahren geformt wurden - was sich unserem Verständnis von Zeit ja fast entzieht. Das setzt die Art, auf der wir mit unseren winzigen menschlichen Gehirnen Dinge betrachten, ins Verhältnis. In vielen meiner Songs geht es darum. Schwierigkeiten zu überwinden und sich durchzusetzen und dafür sind diese - von den Tiefen der Zeit geformten - Landschaften eine schöne Metapher."
Musikalisch fällt auf, dass die neuen Songs deutlich zugänglicher, geradliniger und sogar poppiger rüberkommen, als dies bisher der Fall war. Hat Gemma nun tatsächlich den Schritt gewagt, von vorneherein ein Pop-Album produzieren zu wollen, wie sie das bereits bei unserem ersten Gespräch vor vielen Jahren angedacht hatte? "Ach, hatte ich das?", fragt Gemma eher verwundert, "es ist also ein Pop-Album? Nun ja, ich höre durchaus das Pop-Element und ich bin auch froh, dass du es so siehst, denn mir war nicht ganz klar, wie es rüberkommen würde, weil ich überhaupt nicht gut darin bin, zu planen, in welches Genre meine Songs passen könnten. Ich tendiere dazu, das Gesamtbild erst ein paar Jahre später zu erkennen. Ich mag es also zu hören, was andere Leute denken und ich bin froh, dass es als Pop-Album wahrgenommen wird, weil es mir darum ging, dass sich die ganze Sache eher erhebend klingen sollte und war ein wenig besorgt, dass dem nicht so sein könnte." Was war denn das eigentlich angepeilte Ziel dieses Albums? "Oh - ich bin das wie ein Funk-Album angegangen, mit dem ganzen Party-Groove-James-Brown-Zeug im Kopf. Ich wollte meinen Stil dabei gar nicht vollständig ändern, aber ich interessierte mich zuletzt stark für Rhythmen. Die Idee war dabei, dass die Leute bei meinen Konzerten vielleicht ja mal tanzen könnten und so ein ganz anderes Feeling dabei entstehen könnte." Das bedeutet also, dass die anstehenden Konzerte nun ganz anders gestaltet werden? "Nein, es bedeutet, dass mir nicht gelungen ist, meine Ideen in die Tat umzusetzen. Viele der neuen Stücke waren ursprünglich Funk-Nummern. Ich glaube aber fest daran, dass man dem Song dienen - und nicht irgendwelche Konzepte verfolgen sollte. Das war dann zuviel des Guten und ich dachte, dass ich so meine eigentliche Vision aus dem Auge verlöre. Ich hatte also ein Jahr ziemlich viel Spaß damit, mit Rhythmen zu experimentieren. Als es dann aber daran ging, die Versionen auszuwählen, die am besten passten, siegten dann am Ende doch die atmosphärischeren Arrangements. Es gibt zwar ein paar Groove-basierte Stücke - es sind aber eher sachte Grooves." Es gibt aber zumindest mehr Keyboards auf der neuen Scheibe. Gehört das denn zum Masterplan? "Ja", bestätigt Gemma, "das ist kein Zufall. Ich würde sagen, dass ich meine letzten beiden Scheiben zu 50% auf dem Keyboard geschrieben habe. Aber ich bin eine schlechte Keyboard-Spielerin. Auf dieser neuen Scheibe ging es mir darum, mich stärker von der Gitarre zu befreien. Ich wollte auch mit meiner Keyboarderin Gris De Lin im Studio zusammenarbeiten, weil wir ja auch die Live-Shows zusammen planen und sie deshalb stärker einbinden. Sie spielt also die meisten Keyboards - aber auch ich und mein Drummer haben etwas beigesteuert."

Kann es sein, dass das neue Album auch weniger amerikanische Elemente beinhaltet, als das bislang der Fall war? "Das ist interessant, weil ich in meinem Kopf ja eigentlich vorgehabt hatte, dieses typisch amerikanische Album zu machen - was mir normalerweise ja gar nicht vornehme, sondern einfach drauflos schreibe. Tatsächlich schlichen sich dann aber mit der Zeit diese typisch englischen Folk-Themen ein. Ich kann also nachvollziehen, was du meinst. Es ist aber eher so, dass ich das nicht bewusst gesteuert habe, sondern auf perverse Art in die gegensätzliche Richtung dessen, was ich mir eigentlich vorgestellt habe, gearbeitet habe. Was ich hingegen gesteuert habe, ist dass die Sache nicht so bombastisch wie auf einigen meiner anderen Alben klingen sollte. Ich wollte, dass alles schön atmosphärisch klingt, dafür aber mit minimalem technischen Aufwand Sorge tragen."

Ein Faktor, der mit diesem klanglichen Ansatz einher ging, scheint der zu sein, dass das neue Album vielleicht persönlicher geraten ist, als die bisherigen Alben. "Ja, das stimmt. Ich war regelrecht streng mit mir selbst als es um die Texte ging und habe mir aufgegeben, diese möglichst geradlinig und einfach zu gestalten und mich weniger hinter abstrakten Wortformulierungen zu verstecken. Es ist dann auf emotionaler Ebene auch ein wenig intensiver ausgefallen, als ich mir das zuvor vorgestellt hatte, so dass das Album direkter ist als gewöhnlich." Aber Metaphern - gerne aus der Natur - gibt es doch nach wie vor, oder? "Ja. Kennst du den Song 'Chicks Dig Metaphors' von den Sparks? Damit meinen die mich, denn so bin ich! Ich bin auch grundsätzlich an so Sachen wie Geologie interessiert und es ist ganz natürlich, dass all die faszinierenden Sachen, die ich in den letzten Jahren auf meinen Reisen gesehen habe, so auch in meinen Songs eingewoben wurden." Eine schöne Idee verwirklichte Gemma auf dem neuen Album, indem sie Schwächen in Stärken umwandelt. "Ja, das ist richtig", bestätigt Gemma, "denn das ist meine Art, mit Problemen umzugehen. Ich wollte, dass das Album Zuhörern die Möglichkeit gibt, sich an etwas festzuhalten, denn schließlich haben wir alle mit unseren persönlichen Problemen zu kämpfen. Ich fühle mich jedenfalls nicht alleine, wenn es darum geht, mit bestimmten Problemen zu kämpfen. Jeder zweifelt mal an seinem Verstand. Und das ist ein Teil meiner Persönlichkeit, den ich mag: Mich mit Hochgefühlen aus solchen Situationen zu befreien. In Songs wie 'Land Of Make Believe' geht es mir darum, dieses fast schon manische Glücksgefühl zu beschreiben."
Gemma Ray
Eine letzte Sache muss aber noch angesprochen werden - und das ist Gemmas neue Kurzhaarfrisur. "Jetzt haben wir ja das richtige Thema", erklärt Gemma, "meine Beehive-Frisur wurde aber langsam wirklich zu einem Problem. Ich wollte nicht mit 80 Jahren immer noch mit diesem Dutt herumlaufen. Es war aber schon eine bewusste Sache. Ich bin nicht kleinlich, wenn es um Mode, Schönheit und Stil geht. Man macht sowas schließlich zum Spaß. Es kann aber manchmal auch ganz schön symbolisch sein. Ich musste mich aber nicht an dieser verrückten Frisur festklammern, die ich schließlich jeden Tag neu machen musste. Ich wollte mich einfach freier fühlen und einen Neuanfang diesbezüglich wagen." Das heißt also, dass Stil nicht so wichtig ist? "Doch doch", widerspricht Gemma, "Stil ist schon wichtig. Ich mag es, Bands anzuschauen, die einen gewissen Stil haben - egal wie das erreicht wird. Natürlich sollte jeder er selbst sein und vornehmlich geht es natürlich um die Musik - aber ich finde es immer deprimierend, wenn da vier Jungs in T-Shirts und Jeans auf der Bühne stehen. Mag sein, dass es auch immer wieder Anti-Stil-Bewegungen gibt - die hat es ja in jeder Dekade gegeben - aber für mich gehört Stil mit zur Musik."
Weitere Infos:
www.gemmaray.tv
www.facebook.com/gemmaraymusic
twitter.com/gemmaraymusic
www.youtube.com/user/GemmaRayTV
www.instagram.com/gemma_ray
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Gemma Ray
Aktueller Tonträger:
Psychogeology
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