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Interview-Archiv

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HAYLEY REARDON
 
Die Wortmalerin
Hayley Reardon
Im Falle der Songwriterin Hayley Reardon aus Boston ist es nicht so ganz einfach, die Sache chronologisch in den Griff zu bekommen: Vor kurzem tourte die junge Dame auf Einladung des irischen Kollegen und Fans Ryan O'Reilly erstmals bei uns als Support-Act auf dessen Akustik-Solo-Tour. Dort präsentierte sie neue Songs ihrer aktuellen EP "Where I Know You" - die aber offiziell erst jetzt hierzulande erscheint. Parallel dazu geht sie auch bei uns wieder - dieses mal als Headliner - auf Tour. Aber Hayley ist keineswegs neu im Geschäft: Bereits 2012 - noch als Teenagerin - veröffentlichte Hayley ihre erste LP "Where The Artists Go". Es folgte 2013 eine - eigentlich trefflich betitelte - EP namens "Wayfindings", auf dem sie ihren recht spezifischen Folk-Stil weiter definierte. Es folgte ein Umzug nach Nashville und 2016 erschien schließlich ihre zweite LP "Good". Eigentlich hätte dann jetzt eine neue LP auf dem Programm gestanden - jedoch kam Hayley 2017, auf einer Solo-Tour durch England, die Idee, zunächst ein paar Songs akustisch im Solo-Format zusammenzutragen, die nun eben auf der neuen EP zu finden sind.
Bereits auf ihrer ersten LP erweckte Hayley dabei den Eindruck, als habe sie eine alte Seele und sei schon lange im Geschäft. Wann hat sie denn überhaupt mit der Musik angefangen? "Ich habe gleich angefangen Songs zu schreiben, nachdem ich gelernt hatte, Gitarre zu spielen", berichtet Hayley, "damals war ich ungefähr 11 Jahre alt. Eine Gitarre gab es immer zu Hause und ich komme aus einer Familie, die zumindest grundsätzlich musikalisch ist. Mein Onkel spielte z.B. immer Gitarre und eines Sommers, als ich mich langweilte, habe ich es dann halt auch mal versucht. Tatsächlich fühlte ich mich aber stärker zum Song-Schreiben hingezogen als etwa zum Singen oder Spielen." Es sind dann auch diese Songs, die bei Hayley bis heute im Zentrum stehen. Dabei hat sie einen sehr schönen, lyrischen Stil entwickelt, ihre Geschichten in blumigen Bildern und Metaphern auf poetische Weise zu formulieren. Was ist denn dabei das Erfolgsgeheimnis? "Einfach aufmerksam zu sein", erklärt Hayley, "alle meine Songs handeln von echten Menschen, mir selber, und Dingen die ich selbst erlebt - oder solche, die ich beobachtet habe. Weil ich so jung begonnen habe, hat es eine Weile gedauert, bis ich herausgefunden habe, dass es okay ist über das richtige Leben zu singen. Denn als ich angefangen habe, habe ich Songs über das geschrieben, von dem ich gedacht hatte, wovon Songs handeln müssten - also was ich im Radio gehört hatte, Liebeslieder und sowas - was damals noch nicht mit meinem Leben vereinbar war." Dabei schreibt Hayley aber nicht nur über bedeutende Ereignisse und Momente, sondern ist vor allen Dingen geschickt darin, banale Alltagssituationen einzufangen. "Ja, das stimmt", bestätigt sie, "ich schreibe auch schon mal über Dinge, die auf den ersten Blick gar nicht 'songwürdig' erscheinen. Manchmal - wie auf der neuen EP - mache ich das auch ganz bewusst. Hier geht es um alltägliche Situationen von Leuten, die ich beobachtet habe - und die ansonsten gar nicht den Weg in Songs gefunden hätten." Wie funktioniert das dann am Besten? "Das kommt drauf an", überlegt Hayley, "manchmal ist es einfach eine Zeile oder eine Begebenheit, mit der ich dann herumspiele. Ich habe aber festgestellt, dass meine Songs am Besten funktionieren, wenn alles zusammen passiert - Melodie, Instrumentierung und Texte also nicht voneinander getrennt sind, sondern sich aufeinander beziehen. Manchmal habe ich nur eine ungefähre Vorstellung, in welche Richtung es gehen soll - und dann ist es sogar hilfreich, die verschiedenen Bestandteile eines Songs aufeinander wirken zu lassen." Das kann auch sehr persönlich werden, wie z.B. in dem Song "200 Years Old", in dem sich Hayley Gedanken über das Älterwerden macht - ausgehend von Erlebnissen mit ihrer an Demenz erkrankten Großmutter, die durch den Klang der Stimme von Patsy Cline in die Realität zurück geholt werden konnte. Es geht also um spezifische Details, die zu universellen Themen führen, richtig? "Nun, das war in dem Fall eine ziemlich spezielle Sache", schränkt Hayley ein, "denn die ersten Zeilen hatte ich schon geschrieben, bevor meine Großmutter erkrankte. Als aber die Sache mit Patsy Cline passierte, kam das Ganze dann zusammen. Es war so, dass meine Großmutter an Demenz erkrankte - und ich den ganzen Prozess mitbekam. Sie lebte im betreuten Wohnen, aber sie wollte dort ausbrechen und verletzte sich dabei. Als wir sie ins Krankenhaus bringen mussten, konnten wir sie mit der Musik von Patsy Cline beruhigen. Das war dann der Anker, mit dem ich die verschiedenen Elemente des Songs zusammenführen konnte." Das ist ja sowieso die beste Methode, Songs zu entwickeln - also vom kleinen Detail zur großen Idee. "Oh absolut", bestätigt Hayley, "in meiner Welt geht es immer um die kleinen Details. Es ist einfacher, von dort aus eine Geschichte zu konstruieren - und je stärker man sich dem Detail nähert, desto stärker kann man die Leute auch berühren, weil alles greifbarer und zugänglicher nachvollzogen werden kann. Ich wüsste nicht, wo ich wäre, wenn ich mit großen Ideen hantieren würde. Und überhaupt: Der Weg zu großen Ideen führt doch auch über sehr kleine Ideen, oder?" Da hilft es sicher auch, wenn man seinen Charakteren Namen gibt, oder? "Ja, das mache ich ganz gerne", pflichtet Hayley bei, "speziell auf der neuen EP. Aber warum auch nicht: Wenn es um das reale Leben gehen soll, gehören doch die Namen dazu. Du magst ja vielleicht niemanden namens 'Bethany' kennen - aber du kennst gewiss jemanden, der ist wie 'Bethany'. Ich habe mich selbst auch immer zu den Künstlern hingezogen gefühlt die ihrem Leben sehr nahe sind."
In den Liner-Notes zu einem ihrer Songs auf der ersten LP meint Hayley, dass sie die Musik nicht als Beruf ansehe. Als was sieht sie denn die Musik stattdessen? "Au Mann - das habe ich doch mit 13 oder 14 geschrieben", meint Hayley, "heutzutage betrachte ich die Musik natürlich schon als Beruf - denn ich lebe ja davon." Ja gut - aber als romantische Idee taugt es doch schon, wenn man die Musik beispielsweise als Hobby oder Berufung betrachtet. "Nun ja, vielleicht in dem Sinne, dass es den Druck herausnimmt, die Musik auf eine bestimmte Art machen zu müssen, um Erwartungshaltungen zu bedienen", überlegt Hayley, "ich habe beispielsweise drei Jahre in Nashville gelebt, weil ich dort an die Uni gehen wollte. In Nashville bedeutet die Musik ja alles und jeder identifiziert sich damit. Mir kam das aber zuweilen schon seltsam vor, wie manche sich dabei als Musiker sozusagen 'überidentifizierten'. Dabei gehen doch andere Aspekte deiner selbst verloren. Das kann dann durchaus das Rezept für ein unausgeglichenes Leben sein - und das war mir dann doch etwas zu viel. Denn wenn du über kleine Momente im Leben schreiben willst - wie ich -, dann musst du ja auch diese kleine Momente im Leben erkennen und sehen. Und das geht nur, wenn man wie eine Person denken und leben kann - und nicht immer nur wie eine Musikerin. Ein erfülltes Leben zu leben ist zwar der Schlüssel dafür, ein guter Künstler sein zu können - es ist aber nicht der Schlüssel dafür, wie man als Musiker seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Den Druck aus dem System zu nehmen kann dir also sicher helfen, bessere Kunst zu erschaffen - weil es nicht darum geht, Erfolg haben zu müssen." Nur um das jetzt mal klarzustellen: Hayley hatte nicht etwa die Gelegenheit, sich diese Philosophie zurecht zu legen, sondern entwickelte diese spontan aus der Gesprächssituation heraus. Es ist also davon auszugehen, dass Hayley Reardon schon ziemlich genau weiß, wie sie sich sieht.

Interessant in dem Zusammenhang ist der Umstand, dass sich Hayley stilistisch und musikalisch nicht unbedingt an anderen Musikern orientiert. Sicher, aufgrund der weitestgehend akustischen Instrumentierung ist Hayley dem Folk-Sektor zuzurechnen - es ist jedoch keine bestimmte Richtung damit verbunden. Geht es Hayley darum, einen eigenen Weg zu finden? "Also weißt du - darüber habe ich nie nachgedacht", überlegt sie, "ich glaube, ich habe auch gar kein Gespür dafür, was offensichtlich oder einzigartig wäre. Das änderte sich erst, als ich erstmals mit anderen zusammen schrieb - was ich nicht oft tue, was mir aber in Nashville aufgedrängt wurde. Wenn man mit anderen zusammenarbeitet, macht dieser vielleicht Vorschläge, auf die man selbst so nicht gekommen wäre, und dann bekommt man ein Gespür für die Art von Songwriter-Instinkt. Es ist dann irgendwie auch cool, diese Mechanismen zu beobachten. Dann kann man auch lernen, welche Art von Songwriter man selber ist. Aber ich weiß nicht genau, welche Art von Datenverarbeitung in meinem Hirn in die Richtung geht, ob ich Offensichtliches vermeiden oder Einzigartiges erschaffen will. Ich sage einfach, was sich für mich richtig und aufrichtig anfühlt." Welches ist denn Hayleys bevorzugte Tugend als Songwriterin? "Meine bevorzugte Tugend?", fragt sie zurück, "nun - es hängt von den Songs ab. Aufrichtigkeit ist ja schon wichtig - aber ich schreibe auch Songs, die unspezifischer sind. Ich nenne das 'Wortmalerei' und da sind schöne Worte und Authentizität wichtiger." Und was ist die Herausforderung dabei? "Eigentlich sind das ja aufregende Zeiten heute", führt sie aus, "weil man theoretisch viele Leute erreichen kann und sich dabei nicht an der Masse orientieren muss. Theoretisch kann man genau die Leute erreichen, die sich mit Deiner spezifischen kleinen Nische identifizieren." Der Stolperstein ist dabei vermutlich der Begriff "theoretisch", oder? "Genau", bestätigt Hayley, "weil es gleichzeitig auch sehr schwierig ist, diese Leute zu erreichen, weil es einfach so viel da draußen gibt. Und ich persönlich fühle es deswegen manchmal schwierig, mich selbst daran zu erinnern, warum ich das, was ich tue, eigentlich mache. Die schiere Masse macht es einfach schwierig heute - und das ist dann auch die Herausforderung."

Hayley Reardon
Wovon fühlt sich Hayley denn selber musikalisch inspiriert? Sie erwähnt in ihren Songtexten diverse Künstler - Patsy Cline, Bob Dylan, Joni Mitchell -, aber nicht als Inspirationsquelle, sondern als Teil der Geschichte. "Genau", bestätigt Hayley, "sowas mache ich nur, wenn es einen Bezug zur Geschichte gibt. Das ist meine Technik. Natürlich mag ich diese Künstler auch sehr - ich liebe halt nun mal Singer/Songwriter. Sie waren es ja, die mich zur Musik gebracht haben. Ich mag auch Patty Griffin, Gillian Welch oder Anais Mitchell - alles Singer/Songwriter eben." Wie geht es weiter mit Hayley? "Also bisher habe ich immer das gemacht, was mir gerade in den Sinn kam", überlegt Hayley, "aber zuletzt habe ich festgestellt, dass ich dazu tendiere, Songs in einer bestimmten Art zu schreiben. Deswegen habe ich einige Songs mit lebhaften Geschichten auf der aktuellen EP zusammengefasst - weil ich sie nicht auf einer einer LPs gesehen habe. Es gibt aber kein Ziel, wenn ich Songs schreibe. Ich schreibe sie erst mal, dann schaue ich sie mir an und sortiere sie nach Themen. Und dann schaue ich, wohin mich das führt. Am Konzept für die nächste LP arbeite ich aber gerade noch. Es ist ja ein ziemlicher Aufwand, so eine LP zu machen - und das will gut überlegt werden."
Weitere Infos:
www.hayleyreardon.com
www.facebook.com/hayleyreardonmusic
www.instagram.com/hayleyreardon
www.youtube.com/channel/UCpXbUZcxpEtSkb_rUAC6lOg
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Hayley Reardon
Aktueller Tonträger:
Where I Know You
(Eigenveröffentlichung)
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