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KENICHI & THE SUN
 
Ein Teil der Geschichte
Kenichi & The Sun
"Kathrin Hahner alias Miss Kenichi ist eine deutsche Folk-Pop-Sängerin." Sätze wie dieser von Kathrins Wikipedia-Seite machen deutlich, dass man sich eben nicht auf dieses öffentliche Lexikon verlassen sollte. Denn Folkpop im klassischen Sinn hat Kathrin eigentlich noch nie gemacht und für ihre erste LP seit dem 2014er Album "The Trail" hat sie nun nicht nur ihr musikalisches Instrumentarium gewechselt, sondern zudem ihren Künstlernamen in Kenichi & The Sun geändert. Mittlerweile ist Kathrin das Label "Miss Kenichi" offensichtlich zu klein geworden - oder warum heißt es heute "Kenichi & The Sun"? "Miss Kenichi ist mir tatsächlich zu klein geworden", bestätigt Kathrin, "vom Namen und von der Wahrnehmung wurde mir das zu eng und war zu sehr auf meine Person bezogen. Ich hatte das Gefühl, das alles, was ich mache - Musik für das Theater, meine Kunst und die Musik selbst - sich zu einer größeren Dimension hin öffnen wollte. Zuvor dachte ich, ich sei ein Teil dieses Universums - aber ich wollte eigentlich lieber das ganze Universum abbilden."
Gehört zu diesem Universum dann auch das, was Kathrin in ihren anderen Disziplinen macht - also den Theater-, Performance-, Film-, und Ausstellungs-Produktionen, an denen sie mitwirkt? Jedenfalls hört sich das neue Album an wie ein überdimensionierter Soundtrack. "Hundertprozentig", bestätigt Kathrin, "das ist eigentlich eine gute Beschreibung." Was auffällt, ist der Umstand, dass die "alte Miss Kenichi" auf diesem Album nur noch homöopathisch präsent ist. Hat das auch mit der Kumulation der verschiedenen Elemente zu tun? "Es hat damit zu tun, dass ich meiner eigenen Neugier gefolgt bin", erläutert Kathrin, "ich habe zum Beispiel keine Gitarren gespielt und stattdessen andere Sachen ausprobiert. Der Prozess hat fast drei Jahre gedauert - und da sind ja auch eine Menge Sachen passiert. Ich war zum Beispiel nach Island gegangen, wo ich einen Theater-Job bekommen habe und bin danach erst mal anderthalb da geblieben. In der Zeit sind verschiedene Sachen passiert. Ein guter Freund von mir hat sich das Leben genommen und mein Vater ist gestorben - lauter Dinge, die mich tiefer reingezogen haben in meine Sehnsucht nach kreativer Freiheit." Das heißt dann, dass die Musik dann der Katalysator zum Verarbeiten dieser Ereignisse war? "Ja, so hat ja auch irgendwie alles angefangen", überlegt Kathrin, "schon wenn man als Baby im Bauch Musik hört - als Klangkulisse -, ist die Musik ein Katalysator. Aber auch wenn Leute zusammen kommen und singen gibt das eine ganz spezifische Kraft."

Gibt es auf dem Album eigentlich eine dezidiert spirituelle Note? "Ich würde sagen, das hat sich von ganz alleine ergeben", führt Kathrin aus, "ich glaube eben an so etwas. Ich glaube an die Verbindung mit dem großen Ganzen und ich glaube, das Musik ein Werkzeug dafür ist. So lebe ich mein Leben und so kommt das in der Musik zum Ausdruck. Es ist jedenfalls nicht bloß ein Stilmittel." Gehören dazu auch Beschwörungen - denn in diese Richtung scheint das neue Material zu deuten. "Ja", bestätigt Kathrin, "es ist so, dass der von übermäßiger Angst gesteuerte Mechanismus der eigentliche Feind, die eigentliche Qual, der eigentliche Schmerz ist. Und das ist die Ursache für all die negativen Sachen, die wir machen. Das ist jedenfalls meine Vermutung. Ich bin nicht frei davon - aber ich habe keine Lust mehr, mich da hineinzusteigern. Meine Beschwörungen dienen dazu, sich selbst Kraft zu geben, sich selbst zu ermutigen und trotz des ganzen Schlimmen um uns herum zu einer positiven Kraft zu gelangen - die dann auch wieder positiv auf andere Wirken kann." Ist das eigentlich der Grund dafür, warum es in Kathrins Musik so viele mantraartige Wiederholungen gibt? "Ja, das war ja früher auch schon so", räumt sie ein, "ich liebe nämlich Wiederholungen. Als Stilmittel finde ich das genial, wenn du zehn Mal das Gleiche sagst und ein Mal etwas anderes - weil das die Wirkung enorm steigert. Und für mich ist das so eine Art Konzentrationsübung. Wenn man immer wieder etwas wiederholt, beruhigt das zum Einen und zum Anderen kann man sich besser fokussieren." Und so etwas lässt sich besser mit elektronischen Mitteln realisieren? "Das würde ich gar nicht mal sagen, weil man so etwas ja auch rein organisch machen könnte", zögert sie, "ich wollte halt weder mit der Gitarre, noch mit dem Klavier arbeiten und stattdessen mein Instrumentarium ändern. Dafür habe ich mich aktiv in etwas hinein begeben, das ich vorher noch nicht gemacht habe, denn vorher hatte ich gar keine Ahnung von der Elektronik und dem selber Aufnehmen."

Ganz alleine hat Kathrin dann aber doch nicht alles gemacht, oder? "Nein - ich habe zwar die Songs schichtenweise aufgebaut, habe dann aber Musiker gebeten, nochmals ihre Beiträge hinzuzufügen. Das hat die Sachen dann noch ein Mal miteinander verbunden und ich war dann sehr überrascht, wie harmonisch das am Ende geworden ist." Das Interessante daran ist, dass es sich bei den Beiträgen der Gäste um organische Bestandteile handelt - Bassklarinette, Saxophon, Cello, ein Gitarrensample und echte Drums, richtig? "Ja - ich habe erst mit Samples gearbeitet, bin dann ins Studio und habe selbst Drums gespielt - woraus ich dann neue Samples gemacht habe. Und zum Schluss hat Earl Harvin dann bei einigen Tracks noch echte Drums live darüber gespielt." Das hört sich unter dem Strich doch recht kompliziert an. "Das war es auch", bestätigt Kathrin, "und wir haben auch irrsinnig lange daran gemixt - mindestens zwei Wochen. Das Mischen war noch mal wie ein zusätzlicher Aufnahmeprozess und letztlich dafür verantwortlich, dass am Ende alles sehr harmonisch klingt. Ich hatte eine ganz klare Vision davon, wie es klingen soll. Das Problem war nur die Kommunikation, weil ich nicht super-technisch veranlagt war." Wie geht Kathrin denn heutzutage ihre Texte an? "Nun, früher hatte ich mich immer mit der Gitarre hingesetzt und hatte dann irgendwann eine Strophe beisammen", erklärt sie, "heutzutage ist es so, dass ich mich fühle, als wäre ich selbst in einer Geschichte und könnte nicht um die Ecke gucken. Ich habe mich dann selber immer in diesen Zustand gebracht, bin dann sozusagen weitergelaufen und dann habe ich um die Ecke geschaut und gesehen, was da passiert und das illustriere ich dann in meinem Text. Dann lasse ich das Ganze etwas ruhen und dann knüpfe ich daran an und laufe ein Stück weiter." Das hört sich ja an, als sei der Weg das Ziel. "Vielleicht ja", stimmt Kathrin zu, "auf jeden Fall ist es nicht mehr so, dass ich von oben auf das Ganze schaue, sondern von innen, als Teil des Ganzen."
Kenichi & The Sun
Gibt es irgendetwas, nach dem die Songwriterin Kathrin Hahner während dieses Prozesses des Song-Schreibens sucht? "Ich würde eher sagen, das ist etwas, das man spürt", zögert sie, "jeder hat ja ein anderes Gefühl diesbezüglich. Ich fühle es jedenfalls, wenn ein Song fertig ist. Dieses Gefühl entsteht dann, wenn ich irgendwohin transportiert werde, wo ich vorher nicht war. Meine Songs sind auf eine Weise porös. Ich mag Kunst und Musik gerade dann, wenn sie Platz für denjenigen lässt, der zuhört, hineinzugehen und das Ganze für sich zu vervollständigen. Ich möchte keinesfalls jemandem vorbeten, wie er sich zu fühlen hat - nach dem Motto 'jetzt musst du traurig sein'. Es mag ja sein, dass ein Song traurig ist - aber das ist vielleicht im Klang gar nicht zu finden. So etwas finde ich total spannend. Das gilt auch für die Texte: Da müssen genügend Lücken sein für den Zuhörer. Das ist für mich das Geheimnis. Das sind dann Sachen, die ich auch in zehn Jahren noch hören kann, weil sie sich überhaupt nicht abnutzen."

Natürlich versucht auch Kathrin Hahner irgendwie mit den Bedingungen der Corona-Krise klarzukommen. Aus diesem Grund wurde zunächst mal die Veröffentlichung von "White Fire" um ein halbes Jahr verschoben. Wie es live weitergeht wird sich zeigen. Erste Konzerte sind zunächst ein Mal für das Ende des Jahres geplant.

Weitere Infos:
www.kenichiandthesun.com
www.instagram.com/kenichiandthesun
www.facebook.com/kenichiandthesun
www.youtube.com/watch?v=eZTc71ac9HA
www.youtube.com/watch?v=Pf0LTfgPmXM
kenichiandthesun.bandcamp.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Kenichi & The Sun
Aktueller Tonträger:
White Fire
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