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HELENA DELAND
 
Mystisch und nobel
Helena Deland
Nein - so richtig einfach macht es sich die in Montreal lebende, kanadische Songwriterin Helena Deland nun wirklich nicht. Zwar veröffentlichte sie 2016 eine "ganz normale" Indie-Pop-EP namens "Drawing Room", auf der sich vier recht unterschiedlich ausgerichtete Songs befanden - aber danach wurde es so richtig kompliziert. Ihre nachfolgende, von dem Kollegen Jesse MacCormack produzierte Songsammlung war dann nämlich so unberechenbar, eklektisch und divers, dass es dem Team nicht gelang, diese zu einem Longplayer zusammenzuführen - was dann dazu führte, dass Helena diese Songs 2018 in Form von vier EPs unter dem Titel "Altogether Unaccompanied" veröffentlichte. Zwar hat sie auf dem nun dann tatsächlich realisierten Debüt-Album "Someone New" zu einem vergleichsweise kohärenten, musikalischem Sounddesign gefunden - aber die Komplexität hat damit keineswegs ein Ende.
Zum einen gehören ihre Songs sicherlich nicht zur Spezies der simplen Wegwerf-Pop-Nummern, sondern überraschen durchgängig mit komplexen Strukturen, vielschichtigen Arrangements, Sounddetails und allen möglichen coolen Ideen, Haken und Ösen, die meist im angewandten Kontext nicht zu erwarten gewesen wären und dann sind da noch die Texte: Helena möchte einerseits keine Geschichten erzählen, sondern eher hinter die Fassade der geschilderten Situationen schauen, andererseits soll das ganze aber Sinn machen. Dazu reichert sie die Songs mit konkreten Details und Verweisen an, die aber für den Außenstehenden eher kryptischen Charakter haben. Schließlich will sie mit den Songs kommunizieren - ohne allzu viel konkret verraten zu wollen. Grund genug, ein Mal zu hinterfragen, wer, was und warum Helena Deland eigentlich ist.

Seit wann etwa ist die Gute im Geschäft? "Also mit der Musik lebe ich schon seit ich ein Kind bin, weil meine Eltern Musikliebhaber sind", verrät Helena, "Songs schrieb ich eigentlich schon als Teenager, aber so richtig ernst genommen habe ich die Sache erst Anfang 20 und mein Solo-Projekt habe ich sogar erst mit 25 begonnen - also relativ spät. Vorher habe ich manchmal ein wenig Harmoniegesang bei Projekten anderer gesungen und eigene Songs geschrieben, um mein Selbstbewusstsein soweit zu stärken, bis mir klar wurde, dass ich das wirklich machen wollte." Das klingt ja gar nicht so spektakulär. Wie ist es Helena unter diesen Umständen denn gelungen, die gewaltige stilistische und strukturelle Spannbreite zu entwickeln, die sie nun in ihrer Musik - auf dem Album und auch bei den Songs, die sie zuvor veröffentlichte - demonstriert? "Na ja, das liegt wahrscheinlich daran, wie ich Songs aufbaue", überlegt Helena, "und zwar sehr langsam und einen nach dem anderen. Eigentlich wollte ich das bei dem neuen Album anders machen, damit das Ganze von Song zu Song kohärent klingt. Für mich klingt es auch so, als hätte ich das geschafft. Aber ich fürchte, dass doch wieder jeder Song seine eigenen Vibes besitzt." Wer hat dabei geholfen? "Ich habe das mit meinem Freund Valentin Ignat in Montreal arrangiert und Demos produziert und dann haben wir das Material mit meinem Freund Gabe Wax in New York aufgenommen und gemischt", verrät Helena. Kommt es dabei auf den Ort an, wo das Ganze passiert? "Ich wünschte, wir könnten uns den Luxus erlauben, so etwas in Betracht zu ziehen - aber ich gebe das doch eher in die Hände desjenigen, mit dem ich zusammen arbeiten will - und dann sind das meistens deren Studios, wo wir aufnehmen. Die Umgebung, die ich selbst kontrollieren kann, ist die Umgebung in der ich die Songs schreibe. Und der Prozess des Schreibens beinhalten dann ganz gewiss, dass ich mich mit der Umgebung vertraut machen muss, in der ich schreiben will." Dabei klingen Helenas Songs nicht so, als gäbe sie sich mit der ersten Idee zufrieden. Ist das der Grund, warum sie so eklektisch sind? "Tatsächlich ist die erste Idee, die mir in den Sinn kommt, für gewöhnlich gar nicht so weit von dem entfernt, was ich anstrebe", spezifiziert Helena, "aber dann muss ich den Rest mühevoll aus mir herausziehen. Das braucht dann schon sehr viel Zeit."
Wovon singt Helena denn nun eigentlich? Wie kommt es denn, dass die Texte auf der einen Seite so spezifisch und konkret ausformuliert sind - auf der anderen Seite aber extrem codiert erscheinen. "Interessant", lacht Helena, "aber tatsächlich geht es mir darum, eine Art Raum für meine Texte zu erschaffen, der auf der Ebene der Anekdoten nicht zu spezifisch ist. So etwas mag ich zwar als Stilmittel durchaus auch - aber ich fühle mich wohler, wenn es für den Zuhörer Raum für eigene Interpretationen gibt. Das ist gar nicht mal unbedingt notwendig, aber das ist das, was ich selbst auch gerne mag. Ich liebe es aber auch, wenn man Schritt für Schritt durch eine Szene geleitet wird. Freilich bevorzuge ich es, mit spezifischen Details zu arbeiten, ohne tatsächlich etwas zu verraten." Das hat zur Folge, dass viele Songs von Helena sich wie eine Art interner Monolog anhören, oder? "Hm", überlegt Helena, "das kommt auf den Song an. Der Titeltrack 'Someone New' ist schon eine Art interner Monolog - aber andere Stücke wie 'Truth Nugget' oder 'Lylz' sind eher an Freunde gerichtet. Ich mag es nämlich, Songs für Freunde zu schreiben und diese dann raten zu lassen, was ich ihnen sagen will." Der Song "Lylz" ist ein gutes Beispiel für diese Art des Songwriting. Die besungene "Lylz" ist nämlich eine Freundin Helenas. In dem Song geht es um gemeinsame Erfahrungen, die Lylz und Helena mit der Musik der französischen Komponistin Lili Boulanger machten, die nach dem frühen Tod Lilis von deren Schwester Nadia propagiert wurde. Helena setzt diese Beziehung mit der zwischen ihr und Lylz gleich, verwebt das Ganze aber mit "makaberen Texten - wie eine Art Dinner-Mordgeschichte in der die bedingungslose Allianz mit einem anderen Spieler in der Wärme eines Augenblicks gespürt werden kann". Kurzum: Da gibt es so viele Ebenen und Metaebene, dass Helena am Ende fast selbst nicht mehr sagen kann, worum genau es gerade noch geht. "Sagen wir mal so", versucht sie das zu spezifizieren, "das wiederkehrende Thema ist, mit der Tatsache klarzukommen, dass die Art, in der ich mich ein einem bestimmten Moment gefühlt habe, damit zu tun hatte, dass ich eine Frau mit einem bestimmten kulturellen Hintergrund in einem bestimmten Alter bin und mir bewusst wurde, dass ich dazu tendiere meine Freundschaften auf dieser Basis zu priorisieren."

Kommen wir mal zum Klangbild der neuen Scheibe. Hier gibt es ja eine Art New Wave-Setting, das erstaunlich basslastig ausgefallen ist. Hat Helena die neuen Songs auf dem Bass geschrieben? "Ja, teilweise", räumt sie ein, "und für die Songs, die ich auf der Gitarre geschrieben habe, habe ich dann den Bass-Teil auch gleich mitgeschrieben. Es ist so, dass Bass und Gitarre Instrumente sind, die - in einem gewissen Rahmen - ähnlich gespielt werden, aber sehr unterschiedlich klingen. Da eröffnen sich dann ganz unterschiedliche Möglichkeiten." Ein anderes Merkmal des neuen Sounddesigns ist, dass die Stimme oft mit sehr viel Hall umgeben ist. Warum ist das denn so? "Das ist eine gute Frage", zögert Helena, "das ist vermutlich eine Idee, die eher von meinen Partnern als von mir kam. Es ist aber vor allem eine Geschmacksfrage. Ich mag es einfach, wenn meine Stimme mit Hall umgeben ist. Es hat auch keine symbolische Bedeutung und ich will auch nichts verbergen." Was ist für Helena die größte Herausforderung als Songwriterin? "Die größte Herausforderung ist für mich, den Zuhörer im Sinn zu haben, wenn ich meine Songs schreibe - mich aber auf der anderen Seite auch nicht von meinem Bewusstsein einschränken zu lassen und vor allen Dingen keine Angst davor zu haben, wie die Sache ankommen könnte. Kurz gesagt: Ja - der Zuhörer ist wichtig, darf aber nicht bestimmen, was aus mir hervorquillt. Wenn ich schreiben würde und mir dabei überlegen würde, wie das Ganze aufgenommen werden könnte, dann könnte ich das schlicht nicht tun." Welche Dinge inspiriert Helena dann denn, als Songwriterin tätig zu werden? "Ehrlich gesagt ist das, was mich tatsächlich zum Schreiben inspiriert, neue Musik, die ich mir anhöre und Sachen die ich lese", überlegt Helena, "ich will dann immer gleich auf das antworten, was ich gerade höre oder lese. Manchmal geht es dabei nur um Klänge - wenn ich zum Beispiel Musik durch die Wand höre. Es ist aber nicht vorhersehbar und nicht steuerbar."
Was macht Helena zum jetzigen Zeitpunkt denn am Glücklichsten? "Ich bin froh überhaupt Musik machen zu können und jeden Tag an neuen Songs arbeiten zu können", erklärt sie, "Musik ist für mich so eine mystische, noble Kunstform - und das meine ich nicht anmaßend; ich befinde mich schlicht in einer glücklichen Position." Und wo sind dann die Schattenseiten? "Soziale Medien sind ziemlich problematisch", führt Helena aus, "es ist schwierig eine Balance zu finden. Und es ist so schwer, sich nicht ständig mit anderen zu vergleichen und sich darauf zu konzentrieren, Zahlen nicht zu wichtig zu nehmen. Die sozialen Medien verstärken das alles ja noch. Das ist nicht gut für mein Selbstbewusstsein - und überhaupt für niemanden wirklich einfach. Es ist ja fast schon gefährlich für meine geistige Gesundheit." Pläne für die Zukunft zu schmieden, ist heutzutage ja nicht so ganz einfach - und Helena möchte sich auch nicht mit 15-Jahres-Plänen herumschlagen. Die nächsten zwei Jahre indes hat sie schon im Blick - wie sie sagt - und diese werden definitiv mit ihrer Musik zu tun haben.
Weitere Infos:
www.helenadeland.com
www.facebook.com/Helenadeland
helenadeland.bandcamp.com
www.youtube.com/watch?v=6VTsVl5aFhs
www.youtube.com/watch?v=y2Neulrlvnw
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Tess Roby-
Helena Deland
Aktueller Tonträger:
Someone New
(Luminelle/Membran)
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