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Interview-Archiv

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TARA NOME DOYLE
 
Am Anfang steht das Wort
Tara Nome Doyle
Dass es Tara Nome Doyle nicht so sehr mit den Sonnenseiten des Lebens hat, machte die in Berlin ansässige Songwriterin nicht nur mit ihrem Noir-Artpop-Debütalbum "Alchemy" deutlich, das gerade rechtzeitig zur einsetzenden Pandemie erschien und sich unter den Aspekten der Theorien des Schweizer Philosophen C. G. Jung mit den nachtschattigen Aspekten der Mystik und eben Alchemie beschäftigte, sondern auch mit ihren zwischenzeitlich angestoßenen Kollaborationen mit etwa Kat Frankie, Max Rieger, Malakoff Kowalski oder Frederico Albanese oder ihrer Auftragsarbeit Hall Of Mirrors beim letztjährigen Pop-Kultur-Festival in Berlin, bei der sie sich gänzlich als schwarzer Nachtengel präsentierte. Insofern wundert es dann nicht wirklich, dass sie für ihr zweites Album ein Herz für Ungeziefer aller Art zeigt und sich für Blutegeln, Raupen, Schnecken, Moskitos, Krähen, Motten, Spinnen und Würmer stark macht. Ungeziefer heißt im englischen Sprachraum "Vermin". In der von Tara gewählten Schreibweise "Værmin" hat das Ganze noch eine andere Bedeutung, denn im skandinavischen heißt "vær min" schlicht und ergreifend "werde mein". Tara spielt dabei mit ihren multinationalen Roots aus irischen, norwegischen und deutschen Richtungen und macht sich auf dem in Kollaboration mit dem Grammy-prämierten Komponisten, Produzenten und Geiger Simon Goff eingespielten Album teilweise sogar direkt mit den besungenen Krabbel- und Kriechtieren gemein. Was mag denn wohl zu dieser Idee geführt haben?
"Einerseits habe ich schon lange eine Affinität für diese Tierchen gehabt", verrät Tara, "schon als kleines Kind habe ich Schnecken und Spinnen gesammelt. Aber das ist natürlich heutzutage weniger der Fall. Ich habe dann aber das Lied 'Leeches I' geschrieben, das jetzt auch auf der Platte ist. Das habe ich einfach ohne Hintergedanken geschrieben - aber da kam mir das Bild von den Blutegeln in den Kopf - einfach weil es um eine Person geht, die sich ausgenutzt fühlt und habe das Bild der Blutegel verwandt, weil diese einen ja auch aussaugen. Das war einfach eine Assoziation. Als ich mich mit einem Freund über dieses Lied unterhalten habe, hat dieser mich darauf aufmerksam gemacht, dass zu solchen Situationen immer zwei gehören - diejenigen, die ausgenutzt werden und diejenigen, die ausnutzen. Es gibt aber dabei nicht ganz klar nur die schlechte Person und nur das Opfer, sondern es bedingt sich beides gegenseitig. Beide geben und nehmen sich ja etwas - auch wenn es von außen so wirkt, als würde nur eine Person davon profitieren. Sich selbst etwa als Märtyrer zu fühlen, stammt aus einer negativen Situation - aber man kann sich damit auch profilieren, indem man sagt: 'Seht her, ich halte das aus'. Das fand ich dann interessant und habe als Reaktion darauf 'Leeches II' geschrieben. Und dann kam langsam der Gedanke auf, dass das ja ein Thema für das nächste Album sein könnte. Ich hatte also zwei Songs über Blutegel und bin dann auf die Idee gekommen, die Geschichte dieser zwei Personen zu schildern und dabei immer ein Ungeziefer-Tier zu verwenden." Wie passt denn der Song "Caterpillar" in dieses Bild, den Tara bereits im letzten Jahr im Programm hatte? "Den Song habe ich im Frühling 2020 mit Max Rieger geschrieben, der damals unter dem Namen Obstler eine Heavy Metal-Platte bei meinem Manager und Martin Hossbach auf dessen Label herausgegeben hatte, auf dem ich auf einem Song gesungen habe. Max hatte mir damals eine Gitarrenfigur geschickt, auf die ich dann 'Caterpillar' geschrieben habe. Das Lied hieß bei ihm auch schon 'Caterpillar' und ich habe es für mein Album noch ausgeweitet. Es geht in dem Song um das Gefühl von Depressionen (im Gewand der Raupe Nimmersatt) - was ja zum einen sehr negativ ist, aber andererseits auch etwas Verlockendes hat, weil man sich darin regelrecht fallen lassen kann." Ist es nicht sowieso so, dass man als Songwriter/Performer/Schauspieler die Realität ein wenig überhöhen sollte? "Ja, für mich ist das meistens so", räumt Tara ein, "es gibt natürlich auch Lieder, bei denen ich das 1:1 auch so erlebt habe, wie ich es darstelle - aber wenn ich Lieder nach einem Konzept schreibe, ist es so, dass es sich im Kern zwar immer noch um meine Erlebnisse handelt, ich mich dann aber hineinsteigere. Dabei stelle ich mir vor, wie das wäre wenn noch dieses und jenes hinzukäme und wenn sich die Emotionen noch mehr steigerten. Es ist dann so, dass man das dann überzieht, bis es leicht realitätsfern wird - bzw. ist es ja in der Kunst so, dass man Sachen oft überdeutlich darstellt, damit klar ist, dass sich dann das Publikum mit dieser einen Emotion in ihrer Überzogenheit identifizieren kann. Das versucht man so zu kommunizieren. Ich finde, dass einerseits das Schreiben ein heilsamer Prozess ist - aber auch indem man dann vor Publikum das Beschriebene noch ein Mal durchlebt, finde ich sehr faszinierend. Das machen ja auch nicht viele. Aber gerade das zwingt einen ja dazu, zu sich selbst zu stehen." Daran muss man ja gewiss schon denken, wenn man die Songs schreibt, oder? "Ja, das mache ich, seit ich inzwischen mehr Auftrittserfahrungen habe", bestätigt Tara, "ich überlege mir dann, ob ich einen Song in einer bestimmten Stimmungslage schreibe, damit die Leute im Konzertverlauf so ein Lied hören können. Oder aber ich überlege mir, ob ich dieses Lied an jedem Tag singen kann? Bei 'Spiders' - in dem ich aus der Perspektive einer Spinne, die eine Fliege becirct singe - habe ich mir diesbezüglich etwa keinen Gefallen getan, weil ich da oben und unten an meine Grenzen gegangen bin. An einem normalen Tag ist das z.B. zu hoch für mich. Aber man will ja andererseits auch Lieder schreiben, die man in einem Jahr selber noch gut findet und spielen will. Das funktioniert nicht ganz, wenn man zum Beispiel in ein neues Lied frisch verliebt ist. Aber generell ist es so, dass man sich bei den meisten Liedern, die es auf ein Album schaffen, sicher ist, dass man dazu auch noch in ein paar Jahren stehen kann."
Ist es denn für Tara ausschlaggebend, immer alles einem Konzept unterzuordnen - oder könnte sie sich auch vorstellen, einfach eine Songsammlung zu schreiben? "Ja - das war jetzt auch so ein Gedanke für mich im Ausblick auf das nächste Album", überlegt Tara, "ich habe aber festgestellt, dass es mir sehr viel Spaß macht, konzeptuell zu arbeiten und sich verschiedene Schichten auszudenken. Deswegen weiß ich - ehrlich gesagt - auch nicht, ob ich mich davon verabschieden kann. Aber es kommt natürlich auch total darauf an, ob ich überhaupt wieder ein Konzept finde, das ich inspirierend finde. Ich dachte ganz lange, dass das dritte Album eine Songsammlung würde, aber dann habe ich mir gedacht: Wenn mir jetzt wieder ein Konzept einfällt, dann hätte ich das viel lieber. Ich denke, man wird sehen, was passiert. Ich schreibe auch manchmal einzelne Lieder - so ist es ja nicht. Aber da reizt mich dann nicht das Album-Format. Da kann man ja auch eine Single draus machen." Dazu gehören dann wohl auch Taras "Soundtrack-Arbeiten" - das sind Lieder, die sie für Filmprojekte wie z.B. den Netflix-Film "Munich - The Edge Of War" (hier erstmals auf Deutsch), der Serie "Generations" oder "Golden Twenties" beisteuert.
Tara Nome Doyle
Wie arbeitet Tara Nome Doyle musikalisch? "Die Lieder sind immer wo weit fertig - auf dem Klavier, so wie man es auch auf der Scheibe hört", erläutert sie, "das Arrangement habe ich dann mit Simon Goff und den Musikern vor Ort ausgearbeitet. Es ist nicht so, dass ich die Tracks vorher schon mit Bass und Geigen und sowas als Demo produziert hätte." Und was inspiriert Tara Nome Doyle auf der musikalischen Seite? "Ich höre tatsächlich nicht super viel Musik", gesteht sie, "ich finde selten Musik, die ich super gerne hören möchte oder ich weiß schon, was mir gefällt und höre dann das. Ich habe oft das Gefühl, dass ich mich ein wenig schäme, dass ich gar nicht so viel Musik kenne - besonders dann, wenn ich mit anderen Musikern zusammen bin, die die ganze Musikgeschichte kennen. Ich habe das aber für mich akzeptiert. Ich habe eine große Liebe für das Songwriting und ich habe auch eine große Liebe und Respekt für bestimmte MusikerInnen - aber Musik hören ist nicht eines meiner größten Hobbies. Musik machen ist eines meiner größten Hobbies. Was mich ansonsten noch inspiriert, sind Gedichte oder sehr schön geschriebene Romane. Ich suche mir oft schöne Prosa aus und schreibe mir dann Wörter auf, die ich schön finde. Ich finde Sprache an sich sehr inspirierend. Das nehme ich dann mit und improvisiere dann am Klavier damit und suche Melodien dazu. Situationen aus dem Leben inspirieren mich natürlich auch. Oft fängt es aber mit Wörtern an." Wie das mit Live-Auftritten weiter gehen wird, kann natürlich auch Tara Nome Doyle im Moment nicht abschätzen - aber schwerpunktmäßige Auftritte mit dem aktuellen Material sind zumindest mal angedacht.
Weitere Infos:
taranomedoyle.com
www.facebook.com/taranomedoyle
www.instagram.com/taranomedoyle
www.youtube.com/channel/UCcWfJ5dm9AipKigk_0nD4Iw
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Sonja Stadelmaier-
Tara Nome Doyle
Aktueller Tonträger:
Vaermin
(Modern Recordings/Warner Music)
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