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BEN HARPER
 
Das neue "Ich"
Ben Harper
Der dreifache Grammy-Gewinner, Produzent, Songwriter und Musiker Ben Harper hat sich im Laufe seiner inzwischen 30 Jahre andauernden musikalischen Laufbahn eigentlich so so ziemlich jeden einzelnen seiner musikalischen Träume erfüllen können - und dabei mit vielen seiner Idole zusammengearbeitet. Zuletzt war das z.B. der Blues-Harp-Virtuose Charlie Musselwhite, mit dem er zwei prämierte Alben einspielte und vorher (ohne Anspruch auf Vollständigkeit und in keiner bestimmten Reihenfolge) Taj Mahal, Solomon Burke, John Lee Hooker, Robert Plant, Mavis Staples, Jack Johnson, Toots & The Maytals, Rickie Lee Jones, Ringo Starr, Johnny Winter, G. Love, Willie Nelson, Bonnie Raitt, Pearl Jam, Beth Orton, Natalie Maines von den Dixie-Chicks, Dhani Harrison und Joseph Arthur, The Blind Boys of Alabama und nicht zuletzt seine Mutter Ellen, die selbst als Songwriterin tätig ist. Was macht solch ein Vollblut Musiker also, wenn es daran geht, eine neue Scheibe einzuspielen? Ben Harper hat dafür in Bezug auf seine letzten Projekte eine interessante Antwort gefunden: Sowohl für sein Instrumental-Album "Winter Is For Lovers“ wie auch für sein gerade erschienenes 17. Studio-Album "Bloodline Maintenance“ blendete er so ziemlich alles aus, was er zuvor gemacht hatte und entdeckte sich selbst als Inspirationsquelle. Mit der Pandemie oder Lockdowns hat das dabei aber gar nichts zu tun, wie uns Ben bei einem freien Tag seiner gerade laufenden Europa-Tour berichtet.
"Nun ich hatte sicherlich genug freie Zeit, um ein Album einzuspielen“, erklärt Ben, "aber es ist in keiner Form ein Pandemie-Album geworden - mal abgesehen von den Ereignissen, die in dieser Phase stattgefunden haben, die mich dann künstlerisch beeinflusst haben. Aber im großen und Ganzen ist das Album losgelöst von dem Pandemie-Thema. Wie gesagt, hatte ich aber mehr Zeit dadurch.“

Gab es denn einen Masterplan oder ein Ziel, als Ben das Album anging, oder ist das Album für ihn eher ein Experiment? "Beides, denke ich“, überlegt er, "so wie ich arbeite, sind meine Projekte eigentlich immer ein Teil Experiment und ein Teil Plan.“

Für das neue Album entschied sich Ben, alle wesentlichen Instrumente selbst einzuspielen und alle Arrangements somit selber zu gestalten. Dabei kam ein bemerkenswert vielseitiges, stilistisch kaum noch einzuordnendes Werk heraus. Bei einem früheren Gespräch erklärte uns Ben, dass man bitte nicht versuchen solle, ihn auf eine seiner musikalischen Disziplinen festzunageln, sondern ihm erlauben möge, von allem etwas zum Ausdruck zu bringen. War das auch die Haltung mit der er die neue Scheibe angegangen war? "Also ehrlich gesagt ist das, was mich bei dieser Scheibe besonders reizte etwas anderes“, gesteht er, "wenn Du ein Steel-Guitar-Spieler bist und am Sound des Instrumentes interessiert bist, dann glaube ich - und ich hoffe, dass ich da nicht falsch liege - dass ich auch durch die Ermutigung meines Produzenten, Sheldon Gomberg, Wege gefunden haben, sehr neue Ausdrucksmöglichkeiten mit diesem Instrument zu finden. Klanglich und auch Ton für Ton ist das eine Forschungsreise in Sachen Gitarrenspiel, bei der ich tiefer getaucht bin als zuvor. Wenn Du hingegen ein Freund von Texten bist, dann denke ich, ist das ähnlich, denn ich glaube ich habe da in der Art, wie ich heutzutage Worte zusammenfüge, Neuland betreten. Und wenn Du ein Freund von Alben im klassischen Sinne bist und dich interessiert, wie die Songs aufeinanderfolgen, dann ist das für mich ebenso ein neues Statement wie mein Verhältnis zur Tanzmusik. Es geht also um neue Gefühle für mich und wenn Du alles zusammen nimmst und betrachtest, dann ist es mir gelungen, eine so frische Perspektive anzuwenden, wie es mir nur möglich war.“

Hat sich Ben auch für die Auswahl der Instrumente und Arrangements neue Wege gesucht? "Nein, denn ich bin von Haus aus ein geborener Gitarrist und ein Songwriter“, führt Ben aus, "das heißt nicht, dass ich das dauernd machen muss, aber es heißt, dass ich es die meiste Zeit gerne machen möchte. Ich wäre schon neugierig darauf, wie es klingen würde, wenn ich mich von einem zeitgenössischen Produzenten aus der Pop-Branche betreuen ließe. Das könnte Spaß machen. Ohne das als Vergleich hernehmen zu wollen, aber stell Dir mal vor die Beatles würden von Rick Rubin produziert oder Jimi Hendrix von George Martin. Man fantasiert da schon mal gerne 'rum und ich möchte mich auch gar nicht mit diesen Leuten vergleichen - aber es machte mich schon neugierig. Auf der anderen Seite bin ich aber sehr dem verpflichtet, was ich selber mache. Es ist OK, wie ein neues 'ich' zu klingen - aber ich möchte nicht wie ein neues 'sie' klingen. Es geht nicht um 'sie' oder 'wir' und moderne Pop-Musik ist aufregend und macht Spaß - aber ich will einen Weg finden mit meinem Sound und meinen Werkzeugen einen gleichermaßen aufregenden Beitrag dazu zu leisten.“

Das ist ein interessanter Punkt, denn wenn man mal drüber nachdenkt, sind ja die Leute, mit denen Ben arbeitet, zumindest gleichaltrig oder sogar älter als er selbst. Wäre es da nicht mal von Reiz, auch mal mit jüngeren Leuten zusammenzuarbeiten? "Nein, denn das ist ja gerade mein Punkt: Wie verwende ich meine gewohnten Werkzeuge, eine ganz neue Skulptur zu bauen? Wenn ich jemand anderes Meißel ausborgen wollte, könnte ich das ja machen - aber ich mag meinen Meißel nun mal. Es geht ja auch gar nicht um jung oder alt. Lass es mich mal so sagen: Du hörst ja nicht viele Lap-Steel-Sounds in der Pop-Musik. Ich habe einen Sound und ich mag einen Sound. Ich will mich auch nicht darauf festnageln lassen, aber ich denke dieser Sound hat noch eine Menge Entwicklungspotential, das ich erst mal ausschöpfen will. Meine Werkzeuge will ich aber nicht aufgeben. Trends kommen und gehen und Pop-Musik ist ständig in Bewegung. Und wenn ich mit meinem Sound ein Ticket für diese Reise bekommen kann, interessiert mich das mehr, als mich dem Zirkus anzuschließen.“

Seinen Stil pflegte Ben ja auch ganz besonders mit dem Instrumental-Album "Winter Is For Lovers“. Ging es ihm dabei auch um das Ausloten bislang nicht erforschter musikalischer Möglichkeiten? "Ja, das hat jede Menge Spaß gemacht“, erinnert sich Ben, "ich konnte mich endlich mal hinsetzen und genau das Instrumental-Album zu machen, von dem ich 20 Jahre lang geträumt hatte. Ich weiß nicht, wie es Dir geht - aber höre ja nicht allzu viele Instrumental-Alben von anderen Gitarristen. 'Winter Is For Lovers' ist für mich also genauso ein Statement wie 'Bloodline Maintenance', für das jetzt genau der richtige Zeitpunkt ist. Ich begebe mich damit ohne Sicherheitsnetz ins kreative Risiko und springe ins Ungewisse.“

"Winter Is For Lovers“ funktionierte ja auch deswegen so gut, weil Ben auf diesem Album mit seinem Instrument Geschichten erzählte, anstatt bloß seine Virtuosität zu demonstrieren. "Na ja - ich will ja Deine Perspektive nicht wegnehmen, denn wenn Du das so empfindest, will ich Dir da nicht reinreden“, zögert Ben, "aber ich bin der Meinung, dass es ohne Virtuosität gar kein Storytelling geben kann, während Virtuosität ohne Story bloßes 'Herumgenudele' darstellt. Das geht Hand in Hand.“

Ben sagt, dass er auch songwriterisch neue Wege und Ansätze sucht. Wie funktioniert denn der Prozess für ihn am besten? "Ich bin eine Art 'Überschreiber'“, meint Ben - ist dann aber auch so freundlich, diesen Begriff zu erläutern, "wenn ich ins Studio gehe, dann beginnt das Spiel. Es gibt dann immer Raum zum Erforschen und Ausprobieren. Ich lasse mich dann auch mal überraschen, aber ich gehe auf jeden Fall mit der Absicht ins Studio, die Songs, die ich in meiner Tasche habe auch einzuspielen. Ich habe immer ein paar Texte und ein Paar musikalische Ideen bereit, die ganz gut zueinander passen.“

Wie schon der Titel des Albums und das Covermotiv (dass den jungen Ben mit seinem Pops zeig) vermuten lassen, ist das Thema des neuen Albums auf der einen Seite Bens Auseinandersetzung mit seiner eigenen Familiengeschichte - auf der anderen Seite aber ein Ansatz, bei dem Ben die aktuellen politischen und sozialen Entwicklung des schwarzen Amerika in einen universellen historischen Kontext stellt und diskutiert. Will meinen: Für seine Verhältnisse ist "Bloodline Maintenance“ ein ganz schön politisches Album geworden. "Nun ich bin ja noch nie davor zurückgeschreckt, mein Engagement für Protest durch Lieder mit einem sozialen Bewusstsein zu verkünden“, führt Ben aus, "ich könnte davon jederzeit noch zwei dutzend weitere solcher Songs schreiben. Ich will mich jetzt nicht selbst zitieren, aber in meiner Arbeit findet sich das Thema immer wieder, wenn Du es mal daraufhin absuchst. 'We Need To Talk About It', 'Call It What It Is', 'Don't Take That Attitude To Your Grave' oder 'How Many Miles Must We March'. Es ist alles da - hängt aber davon ab, was Du hören möchtest. Manche Leute möchten nichts anderes als dieses Thema hören und können davon nicht genug bekommen. Und andere Leute möchten sowas gar nicht hören. Sie wollen nur Love-Songs oder nur tanzen. Zum Glück mögen aber auch einige alles. Man schreibt ja über das, was man erlebt oder sieht oder sich vorstellt. Das ist schon eine sehr spannende Kunstform.“

Ben sagte ja ein Mal, dass er ständig die Weise revidiere, auf die er Musik hört. Wie läuft das denn heutzutage ab? Achtet er auf andere Dinge als früher? "Oh - diese Frage gefällt mir sehr“, freut sich Ben, "ich denke, im Moment suche ich nach einer emotionalen Erfüllung beim Musik-Hören. Es ist manchmal ganz schön schwer, wenn man selbst Musik produziert, die technischen Aspekte nicht zu hören - wie etwas produziert ist und wie was klingt zum Beispiel. Ich denke aber, dass es ist wichtig, das dann auszublenden und einfach die Musik zu fühlen."
Wie sieht Ben seine musikalische Zukunft? Wie schon erwähnt, hat er sich seine künstlerischen Träume ja schon erfüllen können. "Mein Plan für die unmittelbare Zukunft ist der, mit meiner aktuellen Band bei den Live-Shows zusammenzuwachsen“, führt Ben aus. Das hat einen bestimmten Hintergrund: Ben's Freund und der langjährige Bassist seiner Begleitband The Innocent Criminals verstarb plötzlich und unerwartet im letzten Jahr. Ben stand dann vor der Aufgabe, die Innocent Criminals für die anstehende Tour neu zu formieren, denn von der ursprünglichen Besetzung sind nur noch der Perkussionist Leon Mobley und Drummer Oliver Charles übrig. Für die Tour verpflichtete Ben also zusätzlich den Keyboarder Chris Joyner, den Gitarristen Alex Painter und den Bassisten Leslie King. Und das bedeutete, dass Ben zunächst mal sein Repertoire mit den neuen Musikern einstudieren musste. "Ich habe in meinem Leben noch nie vor einer Tour so viel geprobt“, kommentiert Ben das Thema.

Aber zurück zu Ben's Zukunft: "Ja, meine langfristigen Pläne sind, weiter zu wachsen und mich als Texter und Produzent selbst zu übertreffen“, ergänzt Ben, "ich denke, es gibt immer noch Sachen, die ich machen möchte und ich liebe das und möchte es auch gerne tun. Ich kann also in der Stille eine Zukunft meines kreativen Prozesses sehen, der mich immer noch dazu ermutigt, ins Unbekannte hineinzureichen.“ Und mit welchem Künstler möchte Ben dabei gerne noch zusammenarbeiten? "Paul Simon“, meint Ben wie aus der Pistole geschossen - und das macht Sinn, denn Paul Simon ist ja nun wirklich auch ein Künstler, der gerne ins Unbekannte hinein reicht.
Weitere Infos:
www.benharper.com
facebook.com/benharper
twitter.com/BenHarper
www.instagram.com/benharper
www.youtube.com/watch?v=ZaOUucZP8ho
www.youtube.com/watch?v=_hgWnrqzJuY
www.youtube.com/watch?v=AAMcjFGVddc
www.youtube.com/watch?v=6wvH4o3de0M
www.youtube.com/watch?v=56nhL4InD3g
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Michael Halsband-
Ben Harper
Aktueller Tonträger:
Bloodline Maintenance
(Chrysalis/Pias/Rough Trade)
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