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COURTNEY MARIE ANDREWS
 
Phasen
Courtney Marie Andrews
Als Courtney Marie Andrews 2020 ihr letztes Album "Old Flowers" veröffentlichte, hatte die Pandemie gerade erst ihre Fühler ausgestreckt - und somit waren die Songs dieses Album noch deutlich vor dem Ereignis geschrieben worden. Dennoch schien damals musikalisch der Schwermut der gesamten westlichen Welt auf Courtneys Schultern zu liegen - was aber schlicht damit zusammenhing, dass Courtney auf "Old Flowers" eine schmerzliche Trennung musikalisch verarbeitete. Die eigentliche Pandemie-Phase (die für Courtney auch beinhaltete, dass sie die Songs von "Old Flowers" zunächst mal nicht live präsentieren konnte), verarbeitete Courtney erst mit den Songs, die nun ihr neuestes Album "Loose Future" ausmachen. Und auf diesem zeigt sich Courtney von einer ganz anderen Seite und schuf ein für ihre Verhältnisse geradezu leichtfüßiges, fast heiteres und teilweise sogar poppiges Album. Offensichtlich hat Courtney die therapeutische Phase des "Old Flowers"-Projektes zu ihren Gunsten genutzt und kann nun eine neue Phase ihres Lebens angehen. Darauf deutet auch hin, dass sich Courtney das ewige Pony aus dem Gesicht gekämmt hat und sich eine neue Frisur zugelegt hat.
"Ja, ich würde sagen, dass das der Beginn war, eine Veränderung in meinem Leben einzuleiten", bestätigt Courtney diese Vermutung. Gehörte dazu auch ein Umzug an die Westküste - denn in ihrer aktuellen Bio heißt es, dass Courtney auf Cape Cod zu ihrer neuen Mitte fand? "Also, ich lebe nicht an der Ostküste. Ich lebe momentan im Süden", führt Courtney aus, "ich bin ja aber bekannt dafür, viel Zeit an verschiedenen Plätzen verbracht zu haben und ich hatte immer eine gute Beziehung zu Cape Cod. Ich liebe Provincetown und die ganze Gegend dort. Ich habe stets das Gefühl, dass die Umgebung meine Arbeit absolut beeinflusst. Das ist mir auch bewusst geworden, so dass ich gerne an verschiedenen Orten meine Songs schreibe, um die spezifische Energie vor Ort aufsaugen zu können." Das Thema ihrer neuen Scheibe - eine nicht vordefinierte Zukunft - spricht Courtney in dem Song "Older Now" an. Da heißt es zu Beispiel: "Life Is Better Without Plans - I Am Older Now And I Am Ready For A Change". Heißt das, dass Courtney sich in der Vergangenheit zu sehr an Plänen orientiert hat? "Also während der Lockdown-Phasen wurde mir bewusst, dass in meiner Laufbahn einfach zu schnell gearbeitet habe. Neun Monate im Jahr war ich einfach zu viel mit allem Möglichen beschäftigt und bin darin so aufgegangen, dass ich einfach den Moment gar nicht mehr wahrnehmen konnte und einfach nur nach vorne geblickt habe. Und zwar die ganze Zeit. Das ist ja irgendwie auch toll Pläne und Hoffnungen zu haben - aber es zieht dich aus dem Augenblick heraus. Dann hat man irgendwann sogar Schwierigkeiten, sich an bestimmte Dinge zu erinnern - einfach weil man sie gar nicht wahrgenommen hat. Ich denke, dass ich seither versuche, die Gegenwart etwas bewusster zu erleben." Führte diese bewusste Entscheidung auch zu einem neuen musikalischen Ansatz? Es kann nämlich nicht überhört werden, dass Courtneys neue Songs sehr viel leichtfüßiger, gelassener und gelöster daherkommen als vieles, was sie in der Vergangenheit gemacht hat. "Ja - ich denke, dass ich eine Erleuchtung in Sachen Eigenliebe hatte, weil ich einfach Zeit hatte, Dinge zu verarbeiten", gesteht Courtney, "das letzte Jahr war ja nun wirklich auch ein sehr dunkles für die Welt und ich fühlte, dass es sich für mich und die Welt zu dieser Zeit einfach nicht richtig anfühlte, dann auch noch entsprechend düstere Musik zu schreiben. Ich wollte eine Art Ying zu diesem Yang sein und es fühlte sich auch für zum ersten Mal richtig an, etwas leichteres anzustreben. Ich bin ja eine ziemlich komplexe Person und ich habe auch eine melancholische Ader und werde mich auch immer zu dieser Art von Songs hingezogen fühlen, aber ich wollte auch mal eine andere Schattierung von mir selbst zeigen und auch mal erfahren, wie es sich anfühlt, wenn man Songs singt, die etwas leichter sind."

Insgesamt lässt sich sogar sagen, dass "Loose Future" - was die Stimmungen betrifft - sehr gewissenhaft ausbalanciert ist. Wenn Courtney da von einem Ying zu einem Yang spricht, dann gilt das nicht nur inhaltlich, sondern auch musikalisch. Zusätzlich ist "Loose Future" auch Courtneys klanglich bislang abenteuerlustigste und experimentellste Album geworden. Dabei gelingt ihr das Kunststück, in Zusammenarbeit mit Produzent und Songwriter-Kollege Sam Evian sich zum einen in Sachen akustisch orientierte Americana-Songs zwar einerseits treu zu bleiben, das Ganze aber auf eine fast schon poppige, psychedelische Basis zu hieven, auf der sich im Hintergrund unglaublich viel tut - was sich aber oberflächlich betrachtet keineswegs offensiv aufdrängt. "Ja, ich hatte mich schon vorab gefragt, was passieren könnte, wenn ich verschiedene Sounds ausprobiere", erinnert sich Courtney, "ich habe dann zu Sam gesagt: Die beiden Dinge, die ich möchte, sind ein alternatives Percussion-Setting anstelle eines konventionellen Drumsets und ich möchte mit Harmonien besonders betonen. Sam und ich hatten dann sehr viele musikalische Unterhaltungen, in denen wir das erörtert haben und uns Ideen zugeworfen haben." Sam Evian hat ja auch die letzte Scheibe von Big Thief mitproduziert. Und auch dort spielen rhythmische Aspekte eine große Rolle. Ist das Sams Ding? "Ja", bestätigt Courtney, "Chris Bear, der Drummer von Grizzly Bear, der auf 'Loose Future' spielt, ist ein großartiger Perkussionist und hat einen großen Anteil am Sound der Scheibe. Aber Sam ist der wahre König der Rhythmus-Sektionen. Er hat auf der ganzen Scheibe auch Bass gespielt. Er hat zweifelsohne ein gutes Ohr für den Rhythmus." Auf der anderen Seite gibt es aber seltsame psychedelische Elemente auf der Scheibe wie verdrehte Gitarren und Steel-Sounds. "Das ist lustig: Die meisten Leute denken, dass das Pedal-Steel-Sounds sind, die da in Songs wie 'Satellite' zu hören sind", schmunzelt Courtney, "das ist aber tatsächlich meine Stimme, die du da hörst, die mittels einen Gitarreneffektgerätes verfremdet wurde. Das war eine verrückte Sache: Sam und ich haben uns dieses neue Spaceship-Effektgerät angeschaut, das er gerade gekauft hatte und wir haben einfach mal ausprobiert, wie sich das anhört, wenn man dadurch singt. Sam hat dann an ein paar Knöpfen gedreht, und das ist dann das, was dabei herausgekommen ist."
Courtney Marie Andrews
Wieder ein Mal passen die Songs auf einem Courtney Marie Andrews-Album gut zusammen - so als erzähle sie eine durchgehende Geschichte. "Ich habe die meisten der Songs in einem Zeitraum von ungefähr einem Monat geschrieben als ich auf Cape Cod war", erinnert sich Courtney, "der Zusammenhang ergibt sich vielleicht, indem ich da über eine bestimmte Phase meines Lebens spreche. Ich habe nicht bewusst in der Richtung eines Konzept-Albums gearbeitet - aber Songs sind in dieser Hinsicht manchmal komisch und entwickeln ein Eigenleben. Ich habe mich bestimmt nicht hingesetzt und mir gesagt: 'Oh - ich werde jetzt eine Scheibe zum Thema Liebe, Eigenliebe und Zögern schreiben'. Weißt du: Du machst sowas einfach, du wählst einen Meißel, erschaffst eine Skulptur und schaust dir nachher an, was es geworden ist - etwa in dem Sinne: 'Sieh mal einer an - das sieht ja wie eine Person aus'." Das heißt also, dass Courtney auch der Musik folgen kann? "Absolut", pflichtetet Courtney bei, "Songs sind irgendwie rätselhaft. Ich war ja gar nicht in einem bestimmten Flow - aber wenn man jeden Tag einen Song schreibt, dann gerät man schnell in einen solchen Zustand, wo alles fließt und keine Zeit mehr bleibt, das, was man tut zu überdenken, weil es ein Zeitlimit gibt." Das ist ja bereits das zweite Album von Courtney, das von der Pandemie beeinträchtigt war. Wie ist sie auf einer bewussten Ebene eigentlich mit dieser Situation umgegangen? "Ich würde sagen, dass die ersten fünf Monate schon sehr schockierend waren", berichtet Courtney, "ich versuchte, meine Spur wiederzufinden. Dann habe ich aber den Rest der Pandemie in einer Höhle am Strand verbracht und habe mich in der Musik, der Kunst und der Poesie versenkt. Ich hatte dann eine so schöne, tiefgehende Konversation mit der Muse, dass ich sehr viel gelernt habe. Die Einsamkeit hat in mir ein kreatives Portal eröffnet. So verwirrend die reale Welt auch gewesen sein mag, blühte meine innere Welt in gewisser Hinsicht sogar auf. Diese Phase hat meine Leidenschaft, etwas erschaffen zu wollen, wieder neu entzündet. Denn Songs, die du schreibst, lösen das Puzzle für dich, wenn dich etwas irritiert."
Courtney war aber nicht nur in songwriterischer Hinsicht aktiv, sondern veröffentlichte auch ihren ersten Gedichtband "Old Monarch". Was ist denn für sie der Unterschied zwischen Gedichten und Songtexten? "Ich erkläre das immer so, dass Songs für mich eine sehr persönliche Unterhaltung sind, die führe. Ich spreche dadurch stets zu oder mit jemandem - zu mir selbst, einem Freund, einem Liebhaber oder wem auch immer. Gedichte fühlen sich für mich an, als stünde ich ein wenig neben mir - wie in der dritten Person. Sie sind philosophisch und ich versuche ein Thema zu greifen, in dem ich nicht selbst drinstecke - auch wenn es sehr persönlich ist. Das ist die einzige Art, auf die ich es beschreiben könnte. Sowohl Songs wie auch Gedichte sind natürlich beide sehr intim. Es ist nur so, dass ich Gedichte als Lehrer bezeichnen würde, während Songs eher wie Kinder für mich sind - wenn das irgendeine Art von Sinn macht." Ja, das tut es - und wir können uns die Frage ersparen, welcher der neuen Songs Courtneys Liebling ist, weil sie sich ja nicht zwischen ihren Kindern entscheiden kann. "Ja", lacht Courtney, "ganz genau!"

Was interessiert Courtney Marie Andrews heutzutage auf der musikalischen Ebene - denn es fällt schon auf, dass sie sich musikalisch auf dem neuen Album von klassischen Americana-Strukturen und -Klischees zu lösen sucht? "Ich habe mir zuletzt eine Menge klassischer alter Tin Pan Alley-Songs angehört", gesteht Courtney, "denn mit dieser Ära habe ich bislang noch nicht so wirklich beschäftigt. Ich mag aber auch englische Indie-Sachen aus den 80ern - wie The Cure und Depeche Mode zum Beispiel. Ich habe mich ja lange Zeit auf die 60s und 70s konzentriert und ich habe das Gefühl, dass es an der Zeit ist das etwas auszudehnen." Oder anders ausgedrückt: Courtney Marie Andrews ist nicht nur frisurentechnisch, sondern auch musikalisch in eine neue Phase ihres Lebens eingetreten.
Weitere Infos:
www.courtneymarieandrews.com
www.facebook.com/CourtneyMarieAndrews
www.instagram.com/courtneymarieandrews
www.youtube.com/watch?v=j2ZaU2hCdOY
www.youtube.com/watch?v=KjY9mg7Ymx4
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Brett Warren-
Courtney Marie Andrews
Aktueller Tonträger:
Loose Future
(Fat Possum/Membran)
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