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THE NOTWIST
 
Der Weg als Ziel
The Notwist
Zu sagen, daß "Neon Golden", das sechste Album von The Notwist die beste Platte sei, die das Quartett aus Süddeutschland je aufgenommen hat, hieße ihnen unrecht zu tun. Denn selbst vor zehn Jahren, als die Weilheimer als laute Post-Punk-Band noch durch die weniger renommierten Clubs und Jugendzentren der Republik tourte, waren sie schon eine großartige Band. All ihre vorangegangenen Platten sind auf ihre Art ausgezeichnet und vor allem "Shrink", ihr bereits 1998 erschienenes letztes Album, machte The Notwist auch außerhalb von Deutschland richtig populär. Und welche deutsche Band, noch dazu eine, die Gitarren spielt, kann schon von sich behaupten, im NME abgefeiert worden zu sein, auf dem Stereolab-eigenen Kultlabel Duophonic veröffentlicht zu haben, im US-College Radio regen Zuspruch erfahren zu haben und auch in den Staaten getourt zu sein? Na, eben!
Trotzdem ist "Neon Golden" eine Platte wie aus einer anderen Welt. Glaubte man dem ganzen Tam-Tam, das die neue Plattenfirma der Band schon seit Monaten um die Veröffentlichung macht, erwartete man auf jeden Fall eine große Platte. Daß The Notwist allerdings ihr Ziel mit so viel perfektionistischem Understatement wie auf "Neon Golden" erreichen, ist dennoch überraschend. Zwar waren die Elektronik-Sequenzen, die der damalige Neuling Martin Gretschmann in den Notwist'schen Soundkosmos eingebracht hatte, auch schon auf "Shrink" ein nicht zu vernachlässigendes Element, aber auf der neuen Platte gelingt die Verschmelzung von elektronischen und natürlichen Sounds in Vollendung. Zuerst fällt einmal auf, wie ruhig, sanft und gemächlich sich die Musik entfaltet, wie wenig Stromgitarren und Jazz-Avancen auf der Platte (offensichtlich) zu hören sind und wie wenig die Elektronik nach Computer klingt. 15 Monate haben Gretschmann und die Ur-Besetzung der Band mit Gitarrist Markus Acher, seinem Bruder Micha am Baß und Schlagzeuger Mecki Messerschmid an der neuen Platte gefeilt, dabei auf Cellos, Holzblasinstrumente und sogar ein Banjo zurückgegriffen und so ein ungemein vielschichtiges Werk entstehen lassen, das vor allem als Gesamtheit funktioniert und auf Single-Knüller à la "Chemicals" oder "Day" wie noch auf dem Vorgänger verzichtet. Für die Band selbst ist vor allem die lange Entstehungsphase und die damit verbundene Zeit des Experimentierens der Garant des Erfolges, wie Micha Acher Gaesteliste.de schilderte: "Daß es wirklich zusammengeht und nicht peinlich ist, hat eine ziemlich lange Zeit des Ausprobierens gebraucht, damit die natürlichen Sachen elektronischer klingen und umgekehrt. Wir wollten entgegengesetzt an Sachen herangehen, indem wir zum Beispiel irgendwelche Plug-Ins aus dem Computer über uralte Röhrenverstärker oder Boxen abgespielt haben und sie damit wieder ganz warm und weich klangen. Das ist, glaube ich, heute ganz wichtig, daß Elektronik nichts Beliebiges wird, sondern im Zusammenspiel eingesetzt wird. Martin 'spielt' die Elektronik ja wie ein Instrument, genauso wie ich Trompete gelernt habe, und kann damit Stimmungen schaffen und improvisieren wie irgendwelche total guten Jazzmusiker mit ihren Instrumenten. Deshalb fließt alles bei uns so gut zusammen."
The Notwist
So bahnbrechend neu und innovativ, wie sich das Album anhört und wie es in den Medien beschrieben wird, ist die Platte für die Band selber interessanterweise gar nicht. "Ich würde sagen, daß die jetzige Platte unglaublich nah an der ersten ist, weil sie auf ähnliche Weise ein bißchen unzugänglich ist", erklärt Micha seine verblüffende Sicht der Dinge. "Das Songmäßige und das Kantige ist sehr ähnlich, auch wenn das jetzt natürlich durch total andere Ausdrucksmittel hervorgerufen wird. Was jetzt von der ungelenken, verschrobenen, zerhackten, elektronischen Rhythmik geleistet wird, haben damals die Gitarren und das Schlagzeug besorgt." Neben den Ausdrucksmitteln der Musik und der personellen Besetzung hat sich noch etwas anderes bei The Notwist verändert. Nachdem die vier jahrelang ihrem kleinen, aber feinen Label Big Store die Treue gehalten hatten, erscheint "Neon Golden" nun beim Berliner Vorzeige-Label City Slang, nicht zuletzt ob des größeren internationalen Wirkungskreises der Plattenfirma. "Ja, das war so ziemlich die einzige Ambition, die uns zu City Slang geführt hat. In Deutschland sind wir, so wie es für uns läuft, eigentlich schon total glücklich, nur im Ausland ist bisher immer recht wenig passiert, und dabei spielen wir gerade außerhalb von Deutschland sehr gerne."

Könnte meinen: In Deutschland hat die Band (fast) alles erreicht, was man mit einer alles andere als auf den Kommerz ausgerichteten Musik erreichen kann, da bietet das Ausland eine willkommene Möglichkeit, sich neuen Herausforderungen zu stellen und - wenngleich ein, zwei Stufen tiefer - noch einmal ein Publikum für sich zu gewinnen. Oder? Micha überlegt, und antwortet dann: "Ja, das kann man schon so sagen. Obwohl die Herausforderung für die Plattenfirma fast größer sein dürfte als für uns. Natürlich stellen wir uns nicht hin und sagen: 'Hey, in Deutschland haben wir alles gecheckt!‘ Aber wenn wir uns jetzt wieder nur auf Deutschland konzentriert hätten, dann hätten wir wohl schon gesagt, daß wir versuchen wollen, in die Top 20 zu kommen oder so. Immerhin waren wir mit der letzten Platte ja auch in den Charts, und da hätte man schon Gas geben können. Nur haben wir in die Richtung keinerlei Ambitionen, dazu würden wir nicht stehen, und deshalb schauen wir lieber, was wir im Ausland machen können. Abgesehen davon ist es auch nicht schön, sein ganzes Leben immer nur wieder in Köln, Hamburg, Berlin oder München zu spielen. Wir machen das ja jetzt seit fast 15 Jahren..."

The Notwist
Trotzdem werden The Notwist natürlich auch in Deutschland unterwegs sein. Ende Januar gibt es eine Handvoll Konzerte in München, Hamburg, Köln, Freiburg und Mannheim im Rahmen einer europaweiten Tournee, die das Quartett - zum Teil erstmals - unter anderem auch nach Italien, Belgien und Großbritannien führen wird. Und dabei kommt es der Band sogar zugute, daß sie jedes einzelne Stück im Studio in immer wieder neuen Versionen aufgenommen hat, selbst wenn sich die Endfassung nicht live reproduzieren läßt. Derzeit jedenfalls geben sich The Notwist - ganz im Stile des gerade erwähnten ersten Albums - live eher indie-rockig und gitarrenlastig, wie Micha zu berichten weiß, und greifen dabei des Öfteren auf für die Platte verworfene frühere Versionen der Songs zurück. The Notwist sind und bleiben nun einmal eine Band, die sich nur schwer festlegen kann. Aber während viele andere Bands auf dem Weg zu dem einen ersehnten perfekten Album unterwegs oft nur Stückwerk produzieren, scheint für die Weilheimer der Weg bereits das Ziel zu sein: Angekommen zwischen den Orten.
Weitere Infos:
www.notwist.de
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
The Notwist
Aktueller Tonträger:
Neon Golden
(CitySlang/Virgin)
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