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ISOBEL CAMPBELL
 
Nature Girl
Isobel Campbell
Wer Isobel Campbell sagt, der muss auch Belle And Sebastian sagen (sogar sie selbst tut das des Öfteren) - und vielleicht noch Gentle Waves, das Side Project, mit dem die zierliche Glasgowerin ihre Solo Karriere step by step vorbereitete und die jetzt, mit "Amorino", der offiziellen Debüt-CD unter eigenem Namen endlich auch in voller Blüte steht. Wer Isobel bislang nur von den Waves und als stille Teilhaberin von Belle And Sebastian in Erinnerung hat - oder vielleicht sogar noch als eher unauffällige Partnerin des musikalischen Alles-Machers Bill Wells - oder noch schlimmer: Wer sie nur von den wenigen, durchstilisierten Portraitfotos kennt, die sie im Stil eines unterkühlten Jean Seberg Clones zeigen - der dürfte angenehm überrascht sein, die wahre Isobel als eine äußerst sympathische, charmante, humorvolle und überhaupt nicht distanzierte Person zu erleben. Ganz im Gegensatz etwa zu dem Nimbus, der Belle And Sebastian und das betreffende Umfeld stets umgeben hat.
Angesichts eines Albums, das sich mutig an allerlei unprätentiöses Stilen versucht, die von impressionistischen Klangmalereien über "Northern Bossa" bis hin zum Dixieland-Sound reichen und auf dem sich zig Musikanten tummeln, die zum reichhaltigen, ausufernd orchestrierten Gesamtbild beitragen, da sei doch die Frage erlaubt, mit welchem Hintergedanken, welchem Anspruch und welcher Arbeitsweise dieses entstand? "Das sind aber eine Menge Fragen auf einmal", meint Isobel lachend und mit einem äußerst liebreizenden schottischen Akzent, der auf sympathische Art ganz wunderbar zu ihrer dann doch sehr einzigartigen Micky-Maus Stimme passt, "also mein Hauptanliegen war, dass ich mir selbst mehr Zeit gestatten wollte. In der Vergangenheit war ich immer unter Zeitdruck. Ich wusste, dass ich dieses dritte Album in mir hatte [selbstredend die Gentle Waves-Alben mitgezählt]. Ich wusste also, dass ich mir nicht von einem Label sagen lassen wollte, was ich wann zu tun hätte. Ich wollte das Album auch nicht in einem Rutsch aufnehmen, weil ich mir die Zeit nehmen wollte, meine Ideen vom Studio wegzunehmen und sie zu verdauen. Das hat mir dann auch wieder Studio-Zeit erspart, die ja sehr teuer ist. Und ich wollte nicht mit einer festen Band arbeiten, sondern mit Leuten die ich mag und die jeweils für die betreffenden Aufgaben am besten geeignet erschienen." Warum das denn? "Das letzte Mal spielte ich vor drei Jahren live," erzählt Isobel, "damals noch mit einer festen Band. Ich wollte jetzt aber mehr Ideen einbringen, als dies mit einer festen Band möglich ist - herumspielen. Nimm z.B. 'The Cat's Pyjamas', da hatte ich diese Grundidee, die ich dann diesen Musikern [The Uptown Shufflers] gab, die eine Improvisation dazu machten. So sollte es auch sein. Ich wollte auf keinen Fall irgendwelche Ideen ausschließen." Hierzu muss man wissen, dass besagtes Stück ein waschechtes, klassisches New Orleans Dixie-Stück ist. Ziemlich ungewöhnlich - auch für eine Isobel Campbell-Scheibe. "Die Idee hatte ich schon als ich mit Belle And Sebastian im Studio war", erinnert sich Isobel, "ich musste auf meine Aufnahmen warten und mir fiel diese Melodie ein. Ich hatte dann gleich die Idee, es in diesem Stil zu machen, mit diesem 20er Jahre Einfluss, weil es da ein Duett von Serge Gainsbourg und Jane Birkin in diesem Stil gibt..." Womit wir übrigens bei Isobels Einflüssen wären: Nur zu gerne räumt sie ein, dass sie sich von französischen Songs aus den 60s inspirieren lässt - oder aber vom großen Samba-König Jobim. Was auch immer: Mit Rock Musik z.B. hat das nicht viel zu tun. War das vielleicht sogar die Idee bei diesem Album: Eine Anti-Rock Scheibe zu machen? "Ich mochte schon Rock Musik", räumt Isobel ein, "aber zu der Zeit, als ich das Album machte, hatte ich irgendwie keinen Bock auf Gitarren. Und ich fühlte mich wirklich inspiriert von - sagen wir mal Folk Standards ohne Rock-Set Up oder Frank Sinatra & Jobims Album, Nelson Riddle Arrangements auf der anderen Seite, oder Girl Singers - Sachen in dieser Art. Darin verliebte ich mich damals geradezu." War vielleicht dabei auch der Hintergedanke, ein Album zu machen, mit dem insbesondere auch Frauen etwas anfangen können? "Nun", überlegt Isobel, "mir ist schon klar, dass Männer und Frauen ziemlich unterschiedliche Musik machen können. Der Geschlechtsunterschied bedeutet ja zugleich, dass die Leute aus ziemlich verschiedenen Richtungen kommen, eben verschieden sind. Es würde mich also nicht überraschen, wenn meine Musik Frauen gefiele. Ich bin ja selbst auch eine. Darüber hinaus ist mein Geschmack ja auch ziemlich ungewöhnlich. Ich komme definitiv aus einer 'verschiedenen Richtung'." Sie sagte hier 'different places' - was alle möglichen Implikationen offen lässt: Auch 'Ort'. Spielt denn der Ort irgendeine Rolle bei der Art, wie man Musik macht? "Der Ort? Lass mich mal überlegen", meint sie und überlegt dann ca. 30 Sekunden, "ich glaube schon. Ich habe ja bislang nur in Glasgow aufgenommen, aber ich würde das gerne mal woanders tun und ich denke auch, dass sich das dann anders anhören könnte." Zumindest finden sich in Isobels Songs viele Bezüge zur Natur wieder. "Jaaaa. Das liegt daran, dass ich am glücklichsten bin, wenn ich auf dem Land oder im Wald bin", stimmt sie zu, "ich möchte jetzt nicht lächerlich klingen, aber die Natur spricht mich gewissermaßen öfters an. Mir kommt es so vor, dass es mich geradezu wieder auflädt, in der Nähe von Bäumen zu sein." Das hört sich nun überhaupt nicht lächerlich an, denn Isobels Musik drückt diesen Umstand irgendwie ja auch aus. "Das liegt daran, dass meine Musik ziemlich pur ist", erläutert sie, "insbesondere für heute. Wir leben ja heutzutage in Zeiten, die wenig pur, wenig rein sind, wenn ich das mal so sagen darf. Wenn ich also auf dem Land bin, dann reinigt das quasi meinen Geist. Außerdem wird man von der Natur quasi 'geerdet', wenn man sich in ihrer Nähe aufhält - es fühlt sich einfach richtig an." Nun gut: Einigen wir uns darauf, dass Isobel offensichtlich ein Naturkind ist.
Was bleibt, ist eine Scheibe, die stilistisch dennoch nicht einzuordnen ist - was sich natürlich in etlichen Rezensionen von "Amorino" niederschlägt. Vielleicht aber ist ja gerade das Isobels Stil? "Ja, das ist genau das, was ich auch sagen würde", stimmt Isobel zu, "es ist ja gerade so, dass ich nichts ausschließen möchte und für alles offen bin. Die Mischung der verschiedenen Stile ist mein Stil. Das ist eines der Dinge, die ich bei Belle And Sebastian gelernt habe." Jemand, der dies sicher gut nachvollziehen kann, ist Bill Wells. Bill ist ein alter Freund von Isobel und auch so etwas wie ein Bruder im Geiste. Als wir letztlich mit ihm sprachen, erzählte er bereits von der Zusammenarbeit mit Isobel. Natürlich arbeitete er auch auf "Amorino" mit. "Ich weiß gar nicht mehr genau, wann ich Bill getroffen habe", erinnert sich Isobel, "als ich ihn aber traf, hatte das einen großen Einfluss auf mein Leben - weil ich noch nie jemanden gesehen habe, der so offen bezüglich der Musik ist wie er. Er ist so enthusiastisch und die Art, wie er über Musik denkt, macht ihn zu einer sehr speziellen Persönlichkeit. Es wäre ja geradezu ein Verbrechen gewesen, wenn ich NICHT mit ihm zusammengearbeitet hätte - auch weil wir uns so gut verstehen. Wir bringen gegenseitig das Beste in uns zum Vorschein. 'The Breathe Whispers Your Name'- das ist sein Arrangement. Und niemand hätte es sonst so machen können. Bill ist einfach ein großartiger Mensch, ein unterschätzter Musiker mit einem tollen, ganz trockenen Sinn für Humor und ein guter Freund." Eingedenk der musikalischen Offenheit und Bels (momentane) Abneigung gegen Gitarren, gibt es natürlich gewisse Sachen, die sie nicht machen kann - und zwar aufgrund ihrer ungewöhnlichen Stimme, die es einfach nicht erlaubte, gewisse Arten von Musik zu machen. Ist dieser Umstand für Isobel eine Herausforderung? "Das ist jedenfalls kein Problem für mich", erwidert Isobel, "denn wenn ich etwas schreibe, das ich selbst nicht singen kann, dann gibt es doch bestimmt Leute, die das können. Ich habe z.B. auch schon bei Belle And Sebastian Sachen geschrieben, die ich später nicht selbst gesungen habe. Und auf der neuen Scheibe gibt es diesen Track, 'Why Does My Head Hurt So'. Bei mir ist das eine Instrumental-Nummer, aber es gibt auch eine Version, auf der Mark Lanegan [ex-Screaming Trees, momentan bei Queens Of The Stone Age] singt. Ich treffe Mark nächste Woche in Glasgow und ich hoffe, dass ich noch mehr Songs für ihn schreiben kann. Er hat mir das jedenfalls angeboten und ich habe auch schon wieder Ideen dafür." Das bedeutet aber doch, dass Isobel Campbell als Songwriterin ein ziemlich kleines Ego haben muss, oder? "Selbst auf die Gefahr hin, dass ich ein wenig zu viel über Belle And Sebastian spreche", lacht Bel, "auch das ist etwas, das ich dort gelernt habe: Dass es niemals um den Künstler, sondern immer nur um den Song geht. Und das möchte ich auf jeden Fall auch weiterhin praktizieren." Gibt es denn für Isobel einen unterschiedlichen Ansatz das Songwriting betreffend - etwa im Vergleich zu Gentle Waves und außer dem Umstand, dass sie sich dieses Mal mehr Zeit gönnte? "Das ist schon mal ein sehr, sehr großer Unterschied", hält sie erst mal fest, "ich würde sagen, dass ich langsam besser werde. Es ist nämlich so, dass ich das Songwriting durchaus als eine Art Handwerk betrachte, das man durch Übung und Praxis verbessern kann. Wenn ich z.B. eine Schreinerin wäre, dann könnte ich nach 10 Jahren ja auch sehr viel bessere Möbel bauen, als wenn ich gerade beginne." Songs schreinern? Auch eine schöne Idee.
Wie schreinert man denn z.B. Texte, die einerseits sehr simpel klingen, andererseits aber ganz schön düster und vielschichtig erscheinen und obendrein noch gut klingen? "Es mag so sein, dass sich die Texte sehr einfach anhören, weil die Musik zuweilen so simpel ist, und die Melodien sich anhören wie Kinderlieder", räumt Isobel ein, "dennoch ist es ein ganz schönes Stück Arbeit, daran herumzufeilen. Ich muss sie ja erst mal simpel machen. Und außerdem ist es mir sehr wichtig, dass sich die Texte auch noch gut anhören." Ein schönes Beispiel für die Simplizität und gleichzeitige assoziative Kraft ist "This Land Floods With Milk", in dem in wenigen Worten quasi ein ganzes Leben zusammengefasst wird. Es wird darüber hinaus aber gesagt, dass dieses Stück eine Beziehung zu "The Night Of The Hunter" hat - einem alten Schwarz-Weiß-Film, in dem Robert Mitchum einen Kindesmörder spielt, der hinter einem Schatz her ist. So steht es jedenfalls in der Bio auf Bels Website. "Die habe ich nicht geschrieben", stellt sie zunächst mal voran, "und das mit 'Night Of The Hunter' bezieht sich weniger auf Robert Mitchum als auf die Musik. Hast du den Film gesehen? Kennst du ihn gut? Da gibt's diese wunderschöne, traumähnliche Musik mit Streichern und diese düstere Stimmung. Und daran erinnert 'This Land' ein wenig. Was das komische ist: Das ist mir erst aufgefallen, nachdem ich den Song eingespielt hatte und mich jemand drauf aufmerksam machte." Traumähnlich ist sicherlich ein guter Begriff, um Isobels musikalisches Universum zu beschreiben. Die letzte Frage sei vielleicht noch, wie sich dieses denn für Erdenkinder zugänglich gemacht werden kann - also live dargeboten werden kann. "Das ist ein Problem", räumt Bel ein, "ich werde das Ganze im Dezember in London aufführen. Dazu habe ich - glaube ich - acht Musiker zur Verfügung. Ich denke, dass sich das ganz gut anhören wird. Ich weiß aber nicht, ob es mir möglich ist, in dieser Form auf Tour zu gehen. Das wird vom Business abhängen. Das Musik-Business ist doch eine ziemlich harte Sache. Ich weiß nicht, ob du auch Musik machst, aber es ist eine so harte Sache, dass man manchmal einfach die Motivation verliert. Ich war auch schon oft an einem Punkt, an dem ich mich einfach gefragt habe, ob es sich überhaupt lohnt und ob ich nicht einfach aufhören soll." Wir bitten darum, die letzte Passage einfach mal zu ignorieren. Isobel wird NICHT einfach aufhören. Das beschließen wir jetzt einfach einmal so. Denn Isobel Campbell MUSS uns einfach erhalten bleiben. Um es mit den modifizierten Worten des alten Nat King Cole Songs "Nature Boy" zu sagen (der von dem Ur-Hippy und One Hit Wonder Eben Ahbez stammt):

"There was a girl
a very strange enchanted girl
they say she wandered very far
over land and sea
a little child and sad of eye
but very wise was she"

Weitere Infos:
www.isobelcampbell.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Pressefreigabe-
Isobel Campbell
Aktueller Tonträger:
Amorino
(Snowstorm Records/Cargo)
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