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Interview-Archiv

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POOR GENETIC MATERIAL
 
Die drei Jahreszeiten
Poor Genetic Material
Das genetische Material mag ja ärmlich sein, die kompositorische Substanz dieser musikalischen deutsch-englischen Freundschaft verrät jedenfalls jede Menge innere Reichtümer. Das aktuelle Album "Winter's Edge" (WE) ist das bislang dritte in einem "Jahreszeitenzyklus", der 2001 mit "Summerland" (allerdings das insgesamt dritte Album der Band) und mit dem auf diesen Seiten ausgiebig gewürdigten "Leap Into Fall" (LIF) 2002 seinen bisherigen Höhepunkt gefunden hatte. Da ist es nur folgerichtig, im einbrechenden Winter das vertiefende Gespräch mit Keyboarder Philipp Jaehne und Gitarrist Stefan Glomb über das Album und den derzeitigen Status zu suchen. Philipp ist außerdem Gründungsmitglied und erster Öffentlichkeitsarbeiter von PGM sowie Chef des kleineren, aber wirklich besonders feinen Musikverlags QuiXote-Music.
Darum auch hat er in den vergangenen Wochen bereits Etliches an Resonanz zu WE um die Ohren bekommen - was genau und inwiefern weicht die Medienresonanz zu der vom Voralbum eventuell ab? "Das Echo war auf beide CDs ausgesprochen positiv. Der Hauptunterschied liegt wohl darin, dass uns bei LIF noch kein Mensch kannte, während bei WE die Erwartungen schon recht hoch waren. Dabei freut es mich richtig, dass wir mit WE denen, die so gerne in Kategorien denken, offensichtlich gehöriges Kopfzerbrechen bereiten: Mit LIF befanden wir uns ja offensichtlich auf einmal in der Schublade 'Neo-Prog', was ja bei dem Album noch einigermaßen Sinn machen mag. WE passt da aber nun wirklich nicht mehr rein. Was aber ist es dann? In einem Review war zu lesen, dass wir 'mühelos Genregrenzen überspringen' - das ist ziemlich genau das, was wir zu erreichen suchen." Und was denkt der Künstler selbst mit jetzt etwas Abstand selbst über das Verhältnis zwischen beiden Scheiben? "Ich halte WE für organischer, gewachsener als den Vorgänger. Die Grundstimmung des Albums scheint mir schlüssiger. Ich denke, es ist uns diesmal gelungen , ein Gesamtangebot aus Musik, Texten und Artwork zu schaffen, bei der sich alle Teile gegenseitig ergänzen und zur Gesamtstimmung beitragen. Wenn es um einzelne Tracks geht, finde ich die Entscheidung, welcher besser gelungen ist, immer schwierig. Als Album aber halte ich WE sicher für unser bestes."

"Summerlands" war (eigentlich weniger überraschend) das Sommeralbum, LIF trug den Herbst im Titel. Was für Gefühle erweckt der Winter in Philipp und was mag "Winter's Edge" sein? "Winter steht hier für einen Zustand der völligen Offenheit und damit völligen Freiheit. Stell dir als Bild eine weite, schneebedeckte Ebene vor: Keine Formen, keine Konturen, keine Farben, nicht einmal der Horizont bildet eine klare Linie. Man mag dies als bedrohlich empfinden, nichts ist mehr greifbar, alles ist verloren, gelöscht. Es ist aber auch der Moment, in dem wieder alles möglich ist, keine früher getroffenen Entscheidungen die Optionen einschränken. Natürlich würde dieser Zustand, der ja nur theoretisch denkbar ist, nur sehr kurz währen, da er sich mit dem ersten Schritt - der ersten Entscheidung - sofort auflösen würde. Daher 'Winter's Edge', die Kante, die Schneide, die als solche nicht greifbar und definierbar ist, der sich man nur von beiden Seite nähern kann." Das Gespräch mit Philipp ist die willkommene Gelegenheit auch für die zugegeben indiskrete Frage, wie viel man in Deutschland von einem musikalischen Edelstein wie LIF verkaufen kann - "Nicht besonders viel, aber genug, dass wir zufrieden sind. Konkreter? Nun ja, Prog fristet schon nur noch ein Nischen-Dasein und innerhalb des Progs sitzen wir dann auch noch zwischen allen Stühlen: Für die Prog-Metaller zu weich, für die Neo-Proggies zu wenig Marillion-Anklänge, für die Frickel-/Freak Fraktion zu 'normal'... Unser Publikum wäre am Ehesten das, das Bands wie Camel einmal hatten, aber diese Leute erreicht man kaum noch. So können wir dann schon froh sein, dass wir überhaupt vierstellig verkaufen. Und sind es auch." (lächelt)

Warum ist ein Act wie PGM mit derartig starkem Material nicht bei auf Derartiges spezialisierten Labels, sagen wir mal, bei InsideOut? "Für InsideOut sind wir schlicht eine Nummer zu klein. In deren Labelpolitik, die ja überaus erfolgreich ist, ist für Bands wie uns kein Platz. Und wenn nicht InsideOut, warum soll ich dann unsere Musik einem Label in England oder Frankreich geben, wenn wir eines vor der Haustür haben, bei dem ich selbst mitarbeite? QuiXote veröffentlicht zwar nicht gerade viel, braucht sich aber mittlerweile in der Szene nicht mehr zu verstecken. Allerdings nimmt sowohl die Arbeit mit der Band als auch die im Label mittlerweile Ausmaße an, die es nahe legen, dass ich mich vielleicht eines Tages für eines von beiden entscheiden muss. Dann würde die Entscheidung natürlich für die Musik fallen und PGM ginge auf Labelsuche." Wer von PGM kann (wenn überhaupt) unter solchen Umständen von Musik allein leben? "Niemand... und - ich sage das immer wieder - wir wollten das auch nicht. Phils [Griffith, PGM-Sänger] Vater war als Sänger von Beggar's Opera Profi, meiner war professioneller klassischer Musiker, wir wissen also was es bedeutet, von Musik zu leben. In unserer Situation haben wir völlige künstlerische Freiheit, können exakt die Musik machen, die wir machen wollen. Wenn es darauf positive Reaktionen gibt, freuen wir uns von Herzen darüber. Wenn uns aber eines Tages niemand mehr hören will, entsteht daraus kein existentielles Problem und wir müssen nicht anfangen, die Musik zu spielen, von der wir hoffen, dass sie uns ernährt."

Philipp hatte an anderer Stelle erläutert, dass bei PGM die Grundstrukturen einer Komposition meist von Stefan (Glomb, Gitarre) und ihm ausgehen und danach die Gesangslinien und Bandarrangements entstehen. War das bei WE wieder so? "Ja, das ist mittlerweile eine sehr bewährte und eingespielte Arbeitsweise. Wobei man dazu sagen muss, dass Stefan und ich wirklich nur ein Grundgerüst liefern, innerhalb dessen die anderen maximale Freiheit haben. Dadurch werden die Ideen, die einem Stück zu Grunde liegen auch immer wieder auf den Prüfstand gestellt und weiter entwickelt und auch die ursprünglichen Strukturen immer wieder überarbeitet." Die Band gibt auf den letzten beiden Alben nur Bandcredits für alle Stücke, dennoch stammen die Texte in etwa zu gleichen Teilen von Phil, Stefan und Philipp. Alle drei haben laut Philipp einen sehr ähnlichen Ansatz zum Texten. Das erklärt, warum es in der Tat so wirkt, als wären die Texte von ein und derselben Person. Alle spielen sie gerne und gut mit Worten und Figuren und lassen den Text insgesamt sehr offen, so dass es am Hörer ist, dem Ganzen letztlich Sinn zu geben. Texte mit einer zu klaren Botschaft scheinen allen nicht so recht geheuer. Trotz des schroffen Titels wählt "Sharp Bends Sudden Crests" einen recht verhaltenen Anfang und baut sich sehr behutsam auf, bis dann als Markenzeichen Philips Stimme erscheint. Viele Bands wählen einen für den eigenen Sound möglichst typischen, direkt auf den Punkt kommenden Song als Albumeröffnung? "Gibt es denn den bei uns? (lacht) Wir denken eigentlich immer von der Gesamtwirkung des Albums her. Insofern hat der Opener weniger die Funktion einer Visitenkarte als die der Hinführung. Wenn sich also 'Sharp Bends' 'behutsam aufbaut', dann erfüllt das doch genau diese Funktion." Ist der Titel eine Neubearbeitung des gleichnamigen Albums Eurer Vor-Formation Eskape? "Ja, wir nehmen immer mal wieder Ideen vom Eskape-Album wieder auf. Es gab da einige wirklich gute Ansätze, die leider an unseren damaligen Produktionsmöglichkeiten gescheitert sind. Auch war die Besetzung damals nicht eben glücklich. Es wäre aber schade, diese Ideen verkommen zu lassen, so machen wir uns immer mal wieder an eine Neubearbeitung. Im Falle von 'Sharp Bends' ist aber vom ursprünglichen Stück nur recht wenig übrig geblieben." "Whitescape" hätte nachgerade New Age-mäßige Momente, wäre da nicht so eine "Reibung" zwischen Philips sehr direkter, fast reduzierte Gesangslinie versus Stefans Splitterspiel und Dennis' "verrücktem" Bass - was passiert bei dem Stück rhythmisch? "Gar nichts so aufregendes. Das Stück baut auf einem ganz normalen 7er-Takt auf, den Dennis durch unterschiedliche Betonungen immer wieder ein bisschen aufbricht. Ist an sich aber recht simpel. Rhythmisch viel interessanter sind da einige Passagen in 'Sharp Bends' und 'Protean Profile', die sich aber so rund und flüssig anhören, dass niemand etwas anderes als einen ganz geraden Takt dahinter vermutet." "Hugging Horses" ist eines der zartesten, ja zärtlichen Stücke auf dem dem Album - wer hat das Pferd geschlagen, wer umarmt es, ist ein wirkliches Pferd gemeint? Und ist die Sprechstimme, die zu hören ist, auch die von Phil? Textautor Stefan Glomb erläutert: "Ob man es glaubt oder nicht: Es geht eigentlich um Philosophie. Der Titel bezieht sich auf eine biographische Überlieferung, der zufolge Friedrich Nietzsche an dem Tag, als er in die geistige Umnachtung verfallen ist, ein Pferd umarmt haben soll, das von einem Kutscher geschlagen wurde. Das hat mich immer deshalb beeindruckt, weil Nietzsche sonst nur Spott für die 'Mitleidsmoral' übrig hatte. Es gibt auch noch ein paar andere Anspielungen auf Nietzsche in dem Text, aber das Ganze sollte kein verkapptes Philosophieseminar werden. Die Grundidee hat halt eine Menge Bilder heraufbeschworen, die man auch einfach nur auf sich wirken lassen kann. Die Sprechstimme ist auch die von Phil, klar. Der würde nie eine andere Stimme neben sich dulden." (lacht)

Poor Genetic Material
Das Booklet mit Oliver Schollenbergers extra für dieses Album entstandener Gemäldeserie ist eine editorische Großtat und einfach wunderschön. Warum aber, wenn man schon so viel Platz und gutes Papier zur Verfügung hat, druckt man nicht die vollständigen Songtexte ab? Philipp: "Ganz einfach um die Wirkung der Bilder nicht zu beeinträchtigen. Um die Texte komplett abzudrucken, hätte man sie über die Bilder setzen müssen oder um diese herum alles vollquetschen. Dort sollte aber die Farbe Weiß klar dominieren, eben um die oben beschriebene Offenheit auszudrücken. Wer sich für die Texte wirklich interessiert, findet diese ja auch auf unserer Website." Zum absoluten Song-Favoriten auf WE, "Protean Profile", listen Nachschlagewerke Proteus, einen mythologischen König von Ägypten und eine von 50 Meeresfiguren, den sogenannten Nereiden. Wörterbücher kennen "proteisch" als "wandelbar" und "unzuverlässig". Was also ist ein "proteisches" Profil? Stefan: "Das klingt alles so prätentiös, wenn man es erklärt, aber gut: Die Grundidee stammt aus James Joyces Roman 'Ulysses', in dem es ein 'Proteus'-Kapitel gibt - benannt nach dem wahrsagenden Meeresgreis, der sich verwandeln konnte. Eigentlich geht es in dem Text um die Identität, die wir alle mit uns herumtragen und von der wir glauben, dass sie stabil ist, obwohl das genau besehen gar nicht stimmt. Daher die ganzen Gegensätze (Eis/Wasser, solid/seeping usw.), die ineinander übergehen. Außerdem klaue ich auch immer gern bei Alice in Wonderland..." Die hypnotische Kraft dieses Songs kommt - zumindest für den Autor - aus der hier ungeheuer rhythmischen Gesangsstimme. So unaufgeregt, "tonsäulenmäßig" Philip sonst auch singt, bei "Protean Profile" übernimmt seine Stimme Aufgaben mit, wie sie sonst ein Riff eines Rhythmus-Gitarristen abdeckt. Auch daher gefällt dieses Stück selbst vielen Metalheads spontan. Hat PGM jemals in Richtung "mehr Heaviness" experimentiert, und sei es nur beim Rumalbern im Probenkeller? Philipp: "Das Winter-Album musste natürlich betont ruhig werden, um die entsprechenden Stimmungen auszudrücken. Verglichen damit wird die nächste CD - das 'Frühlings-Album' - in jedem Fall zupackender. Eine Prog-Metal Band werden wir aber sicher nie, dafür denken wir viel zu stark in Melodien. Wo du aber die Metalfraktion erwähnst: Wir kriegen gerade aus dieser Szene eine ganze Menge positives Feedback. Ein Metaller braucht ja auch mal was Ruhiges - offensichtlich..." Welche von den neuen Kompositionen bedeutet Philipp Jaehne selbst am meisten? "Das wechselt. Ein Favorit ist aber sicher 'Nuage Bleu'. Das war ursprünglich nur als improvisierte Soundcollage zwischen den beiden Teilen des Titeltracks gedacht. Dann hat die Rhythmusabteilung dem Stück aber einen wunderbaren Groove verpasst und es hat eine Dynamik entwickelt, die mich immer noch begeistert."
Weitere Infos:
www.poorgeneticmaterial.de
Interview: -Klaus Reckert-
Fotos: -Pressefreigaben-
Poor Genetic Material
Aktueller Tonträger:
Winter's Edge
(Quixote)

 
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