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SLUT
 
Die Ballade der unveröffentlichten Dreigroschenoper
Slut
Der letzte Vorhang im Ingolstädter Theater gefallen, die anschließende CD-Produktion abgeschlossen, die Tonträger und Cover gepresst, die Promomaschinerie angelaufen, die Präsentationstournee in speziell ausgesuchten Sälen fest im Blick: Gut ein Jahr haben sich Slut mit dem Stoff der "Dreigroschenoper", diesem Großwerk von Bertolt Brecht und Kurt Weill, auseinandergesetzt, doch dann kam der Super-GAU: Die Verwalter des künstlerischen Nachlasses von Kurt Weill (die Universal Edition und die Weill-Foundation) fanden die Idee, dass Deutschlands beste Indierockband den alten Stoff einem ganz neuen Publikum praktisch spielerisch näher bringen könnte, überhaupt nicht gut und ließen die Veröffentlichung des Werkes kurzerhand verbieten.
Statt mit 13 Songs die komplette Geschichte von Mackie Messer zu erzählen, mussten sich die Ingolstädter auf fünf Gassenhauer aus dem Werk beschränken, die nun als EP in die Läden kommen. "Wir wussten, dass ein Risiko bestand, aber wir sind ja grundweg optimistisch, und deshalb haben wir uns gesagt: Machen wir's einfach und gucken, was passiert!", erklärt Slut-Frontman Chris Neuburger beim Treffen mit Gaesteliste.de in Dortmund. Selbst die Liveaufführung des kompletten Werkes wurde der Band untersagt, sodass auch die geplante Theatertournee im Herbst wohl leider nicht zustande kommen wird. Sind denn wirklich alle Optionen ausgeschöpft?

"Es gibt noch eine Option, die würde uns auch brennend interessieren, aber die, die wissen, wie es gehen könnte, drücken sich darum, es uns zu verraten", sagt Chris. "Es gibt ja vier, fünf Beispiele veröffentlichter CDs, von Künstlern, die sich dieses Themas angenommen haben. Die dürfen die Lieder auch nach wie vor live spielen, in diesen Fällen gab es also keine Unterlassungserklärung. Einer dieser Künstler ist Dominique Horwitz, zu dem wir auch stets Kontakt aufzunehmen versuchen, aber letzten Endes will niemand damit herausrücken, wie es denn funktioniert hat, die CDs auf den Markt zu bringen. Das ist uns nach wie vor ein Rätsel!" Im September 2020 erlischt übrigens der Rechtsanspruch der Universal Edition, dann dürften Slut alle 13 Songs veröffentlichen...

Dabei war das Angebot des Ingolstädter Theaters, die Aufführung des dortigen Ensembles musikalisch zu begleiten, zunächst eigentlich ein Glückfall für die Band. Immerhin hatte uns das Quintett nach dem letzten Album "All You Need Is Silence" indirekt mit Abschied gedroht, zumindest aber einige Veränderungen in der Ausrichtung angekündigt. Da schien "Die Dreigroschenoper" eine willkommene Abwechslung zu sein, auch wenn die Band nicht aktiv danach gesucht hat. "Es war schon Zufall, dass das so zusammenfiel und das eine das andere abgelöst hat. Wir waren noch dabei, [zur letzten Platte] Festivals zu spielen, als wir angefangen haben, für die 'Dreigroschenoper' zu proben. Der Übergang war nahtlos, wofür wir alle auch sehr dankbar sind, denn wir haben etwas gemacht, das nicht unbedingt Slut war, aber wir haben dennoch große Schritte gemacht, was das Bandgefüge betrifft, und bisher hat uns ja noch jeder Exkurs, den wir unternommen haben, Filmmusik zum Beispiel, woandershin gebracht. Ob auch weiter, weiß ich nicht, aber woandershin. Das ist auf jeden Fall wünschenswert, und ich denke, dass sich das auch auf die neue Platte [die "Say Yes To Everything" heißen wird und im Frühjahr 2007 erscheinen soll], an der wir jetzt ja schon sitzen, niederschlagen wird."

Slut
Auch wenn die Theaterproduktion Neuland war die Band war, der Stoff war es nicht. "Brecht ist ja einer der drei, vier Autoren, um die man in der Schule nicht herumkommt. Wir haben zwar in der Schule nicht 'Die Dreigroschenoper' gelesen, sondern 'Mutter Courage' oder 'Arturo Ui', aber grundsätzlich waren wir mit der Materie schon vertraut. Dass die 'Dreigroschenoper' noch mit ganz anderen Aspekten, denen der Musik und der Unterhaltung, aufwarten konnte, war allerdings auch für uns neu. Entsprechend unorthodox und spielerisch sind wir an das Ganze herangegangen. Man ist einerseits gebunden an das Ausgangsmaterial, andererseits freier, weil es keine eigenen Lieder sind."

Dabei hatte die Band natürlich auch die Möglichkeit, sich ihr eigenes Bild vom Ausgangsstoff zu machen. "Eigentlich ist die Geschichte, der Plot der Dreigroschenoper, gar nicht das Thema", glaubt Chris. "Das meiste transportieren die Liedtexte, die meiner Meinung nach so phänomenal sind, dass sich bestimmt 80% aller deutschen Bands davon eine große Scheibe abschneiden könnten. Es ist wirklich bemerkenswert, wie aktuell 80 Jahre alte Liedtexte noch sein können!"

Kein Wunder, dass Slut zunächst ein wenig zögerten, als ihnen das Angebot von Intendant und Regisseur Peter Rein auf den Tisch flatterte. "Erst einmal war da ein gewisser Respekt vor diesem Oeuvre, das ja schon übermächtig ist", gesteht Chris. "Nach anderthalb Wochen Bedenkzeit haben wir uns dann allerdings darauf eingelassen und es auch nicht bereut. Das war alles in allem wirklich eine sehr schöne Geschichte, und wir haben schlussendlich ja auch etwas davon mitgenommen, nämlich die Musik. Die kann uns niemand mehr wegnehmen. Ob veröffentlicht oder nicht, ist gar nicht so wichtig."

Weitere Infos:
www.slut-music.com
www.myspace.com/slutmusic
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Gerald von Foris-
Slut
Aktueller Tonträger:
Songs aus Die Dreischgroschenoper
(Virgin/EMI)
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